Haltung von Rindern: Aus der Mast frisch auf den Tisch
Argentinische Steaks müssen nicht mehr nur von Weidetieren stammen. Nun darf Rindfleisch auch aus Freiluftstallungen in die EU eingeführt werden.
BUENOS AIRES taz | Aus der Traum von den unendlichen Weiten der Pampa: Wer in Deutschland in ein argentinisches Rindersteak beißt, kann künftig nicht mehr wie bisher davon ausgehen, dass die Tiere auf Weiden gehalten wurden. Seit Montag darf Argentinien Rindfleisch aus Masttierhaltung in die EU einführen. Mit einer zollfreien Einfuhrquote von zunächst 48.200 Tonnen gehört Argentinien damit neben den USA, Australien, Kanada, Neuseeland und Uruguay jetzt zu den Ländern, die bereits Rindfleisch aus sogenannten Feedlots in die EU einführen dürfen.
Feedlots sind riesige Freiluftstallungen, in denen je nach Größe von 500 bis zu mehr als 20.000 Rinder gemästet werden. Bereits Anfang der 1990er Jahre begannen argentinische Rinderzüchter, solche Stallungen einzurichten. Mit dem Boom des Sojaanbaus schlug die große Stunde der Feedlots: Seitdem immer größere Teile der Pampa als Ackerland genutzt werden, wandelt sich die traditionelle Weidewirtschaft zur Mast in Feedlots. Im ersten Jahrzehnt des neuen Millenniums hat sich die Zahl der Rinder in Mastbetrieben jährlich nahezu verdoppelt.
Mit der Freiluftmast wird der Lebenszyklus der Tiere beschleunigt. Leben die Rinder in der Weidewirtschaft meist zwei bis drei Jahre, so ist ein Kalb aus dem Feedlot bereits ein Jahr nach der Geburt schlachtreif. Für ein Mehrgewicht von 120 Kilogramm müssten die Tiere auf der Weide 300 Tage fressen – im Feedlot reichen dafür 90 Tage.
Sieben Monate nach der Geburt werden die Kälber von den Muttertieren getrennt – sie wiegen dann um die 200 Kilo. Nach zwei Wochen Eingewöhnung beginnt der Mastprozess. Pro Tag nehmen die Tiere durchschnittlich 1.200 Gramm an Gewicht zu.
Masttierhaltung nimmt zu
Im Schnitt bleiben die Kälber 90 Tage lang in den Stallungen. Nach den Einfuhrbestimmungen der EU muss das Kalb mindestens 30 Monate alt sein und 100 Tage im Feedlot gemästet worden sein.
Dass Argentinien mit der fortschreitenden Masttierhaltung seinen Ruf als Fleischproduzent aus Weidewirtschaft einbüßt, wissen selbst am Río de la Plata die wenigsten Verbraucher. Auch das Fleisch in den Theken der argentinischen Fleischereien und Supermärkte kommt zunehmend aus Feedlots. Nach Angaben der staatlichen Veterinärbehörde Senasa stammen von den im Jahr 2012 geschlachteten 12 Millionen Rindern rund 3,5 Millionen aus der Mastproduktion.
In den großen Städten kommt bereits über die Hälfte des verzehrten Fleisches aus der Masttierhaltung. Eine Kennzeichnungspflicht für das Feedlot-Fleisch besteht nicht. Die urbanen Verbraucher greifen gerne nach den weiß marmorierten Fleischstücken. Auf dem Land ist der KonsumentInnenblick noch geschärft: Der Fettanteil beim Fleisch aus Weidewirtschaft schimmert gelblich. Und was den ahnungslosen Städter abschreckt, gilt für den ländlichen Verbraucher als Gütesiegel. Auch EU-Konsumenten müssen sich zukünftig daran orientieren. Denn eine Kennzeichnungspflicht für Feedlot-Fleisch besteht auch in der EU nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW