Halbfinale Europa League: Caravan of Love
Dass Europa lieben möglich ist, haben die Fans von Eintracht Frankfurt gezeigt. Sogar die EU-Kommission hat sich bei dem Klub bedankt.
Es ist Liebe. Mehr muss ein Fußballfan nicht sagen, wenn er erklären soll, dass er wieder mal weinen musste über seinen Herzensklub. Aus Freude. Aus Trauer. Egal.
Das muss Liebe sein, wird sich gedacht haben, wer verfolgt hat, wie die treuesten Anhänger von Eintracht Frankfurt in diesem Jahr durch Europa gereist sind. Zu Tausenden, zu Zehntausenden hatten sie sich aufgemacht nach Marseille, Rom, Mailand, Charkiw, Nikosia, Lissabon und London. Die Reise ist mit dem Halbfinalrückspiel zu Ende gegangen.
Der FC Chelsea konnte besser Elfmeterschießen beim Halbfinale in London. In Erinnerung bleiben wird die Saison des noblen FC Chelsea wohl nicht allzu lange, auch wenn er das Endspiel gewinnen sollte. In Erinnerung bleiben wird Eintracht Frankfurt – wegen der Liebe ihrer Fans zu Europa.
Mit einer im besten Sinne naiven Begeisterung sind die Frankfurter Fans durch den Kontinent gereist, haben jede Mannschaft, die zu Gast gekommen ist, mit einer Choreografie empfangen, die das Frankfurter Stadion zum Theater der ganz großen Gefühle gemacht hat. Natürlich hat die Mannschaft gut gespielt, sonst wäre sie nicht ins Halbfinale gekommen, aber die Hauptdarsteller dieser Frankfurter Europakampagne waren die Fans.
Eintracht ist Europa
Ihrem Feuer konnte sich kaum einer entziehen. Wegen der Frankfurter richteten sich alle Augen auf die Europa League, den zweitklassigen Wettbewerb der Uefa, das sonst wenig geliebte kleine Stiefgeschwisterchen der großen Champions League. Am Ende hat sogar die EU-Kommission kapiert, was sie an der Eintracht hat. Der Klub hatte ein Video veröffentlicht, in dem noch einmal Bilder von der verrückten und so von niemandem erwarteten Europatournee des Teams und ihrer Fans gezeigt werden.
„Living European Identity“, hieß es auf einer der Tafeln in dem Filmchen. Die blauen EU-Farben waren zu sehen und goldene Sternchen. „Eintracht Frankfurt is more than a football team. Eintracht is Europe“, lautete ein Tweet der EU-Kommission. Die Liebe der Frankfurter zu Europa war auch in Brüssel zu spüren. Ein Fußballkub war zum Hoffnungsträger des europäischen Gedankens geworden. Wer bislang vergeblich auf die Suche nach so etwas wie einer europäischen Identität war, in Frankfurt konnte er fündig werden.
Empfohlener externer Inhalt
Klar, da gibt es auch die einfache Geschichte. Die Geschichte eines Klubs, der nicht allzu viele Trophäen gesammelt hat in seiner Vereinsgeschichte. Der 30 Jahre nach dem letzten Erfolg im Vorjahr den DFB-Pokal mal wieder gewonnen hat. Der normalerweise nicht dabei ist, wenn es um die Qualifikation für die europäischen Wettbewerbe geht.
Der sich immer größer fühlte, als er war. Und der nun endlich mal rauskommt aus dem taubengrauen Mittelfeld der Bundesliga. Kein Wunder also, könnte man sagen, dass man sich in Frankfurt mehr über ein Spiel in Lissabon oder London freut als in München oder Dortmund. Aber was die Frankfurter Fans dann abgezogen haben, wie sie ihre Europakarawane inszeniert haben und wie sie selbst dann ihre Europalust nicht verloren haben, als sie von der Hessischen Polizei drangsaliert wurden, damit war dann doch nicht zu rechnen.
Es war eben echte Liebe. Zur Eintracht, zum Fußball und zu Europa, das die Fans so selbstverständlich durchstreift haben, als würde Charkiw gleich hinter dem Taunus liegen, als könnte man mit der S-Bahn nach Nikosia fahren.
Das Finale haben die Frankfurter nun verpasst. Dort spielen mit Arsenal und dem FC Chelsea zwei englische Klubs. Auch im Champions-League-Endpiel streiten sich mit dem FC Liverpool und Tottenham Hotspur zwei Teams aus England. Ausgerechnet, mag man sich denken in Zeiten des ewigen Brexits.
Aber der Fußball zeigt, dass Europa mehr ist als die EU. Das Finale der Europa League findet übrigens in Baku statt. Wie gerne hätten die Eintracht-Fans ihre herzerwärmende Tour in Aserbaidschan beendet.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss