Haftbefehl gegen NSU-Helfer aufgehoben: Wohlleben ist wieder frei
Der Haftbefehl gegen den NSU-Waffenbeschaffer Ralf Wohlleben ist aufgehoben. Die Begründung: Es bestehe keine Fluchtgefahr mehr.
Wohlleben verließ am Mittwochmorgen die Justizvollzugsanstalt Stadelheim in München, wie eine Sprecherin des Gefängnisses sagte. Wo sich der 43-Jährige nach seiner Freilassung befand, war zunächst unklar. Sicherheitsbehörden rechnen damit, dass er nach Sachsen-Anhalt zieht.
Wohlleben war vergangene Woche zum Ende des NSU-Prozesses zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, weil er eine Pistole vom Typ Ceska besorgt hatte, mit der die NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos neun Migranten erschossen hatten. Da er bereits seit sechs Jahren und acht Monaten in Untersuchungshaft saß, sah das Gericht nach Abschluss des Verfahrens nun keinen Haftgrund mehr.
Noch ist das Urteil im NSU-Prozess nicht rechtskräftig. Unter anderem Wohllebens Rechtsanwälte hatten angekündigt, die Entscheidung vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe überprüfen zu lassen. Sollte das Urteil gültig werden, müsste Wohlleben seine Reststrafe antreten. Diese oder ein Teil davon könnten zur Bewährung ausgesetzt werden.
Führender Kopf in der Neonaziszene
In München hatte sich Wohlleben von Szene-Anwälten vertreten lassen, die versucht hatten, den Prozess mit immer wieder neuen Anträgen auszubremsen. Er selbst schwieg im Prozess. Aus dem Gefängnis heraus gab er Anweisungen für die Thüringer Neonaziszene und hielt den Kontakt zu Kameraden, insbesondere zum umtriebigen Kader Steffen R., der auch das Konzert in Mattstedt angemeldet haben soll. Die Szene dankte es ihm unter anderem mit der Kampagne „Freiheit für Wolle“, organisierte Solidaritätskonzerte und Spendensammlungen.
Wohlleben war in den neunziger Jahren zu einem der führenden Köpfe der Thüringer Neonaziszene aufgestiegen, er war Sprecher der Landes-NPD und Vorsitzender des Kreisverbands Jena. Gemeinsam mit Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt war er in den Neonazi-Gruppen Thüringer Heimatschutz und Kameradschaft Jena aktiv.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er die Waffe organisiert hatte, mit dem der NSU zwischen 2000 und 2006 neun rassistische Morde verübte. Die Staatsanwaltschaft hatte ihn in ihrem Plädoyer als „Chef-Unterstützer“ des Trios bezeichnet.
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