Haftars Rebellen greifen an: Libyen-Frieden zerschossen
Haftars LNA beschießt den Hafen der libyschen Hauptstadt Tripolis. Die Regierung reagiert und setzt die Gespräche über einen Waffenstillstand aus.
Am Dienstagmittag waren im kommerziellen Teil des im Zentrum von Tripolis gelegenen Hafens vier Raketen eingeschlagen. Aufnahmen zeigen brennende Lagerhallen. LNA-Sprecher Ahmed al-Mismari sprach von einem Angriff auf ein mit Waffen beladenes Frachtschiff.
Nach libyschen Medienberichten starben drei Menschen unweit des unter albanischer Flagge fahrenden Frachtschiffes „Anna“, das vor dem Halt in Tripolis bis zum 15. Februar im türkischen Hafen Mersin gelegen hatte. Es ist unklar, was an Bord war, die Botschaft der LNA aber ist klar: Lieferungen an die Einheiten der Regierung werden zukünftig ohne Rücksicht auf zivile Opfer angegriffen.
Ministerpräsident Sarradsch kündigte noch am Abend auf einer Pressekonferenz in Tripolis an, die „5 plus 5“- Gespräche zwischen den libyschen Kriegsparteien auszusetzen. Bei diesem auf der Berliner Libyen-Konferenz beschlossenen Format kommen je fünf Offiziere beider Seiten unter UN-Aufsicht zusammen, um die bisher nur mündlich beschlossene brüchige Waffenruhe in einen schriftlich vereinbarten Waffenstillstand zu verwandeln.
Just am Dienstag hatte in Genf der zweite Dialog der zehn Offiziere stattgefunden, ohne ein direktes Zusammentreffen der beiden Seiten, so der UN-Sonderbeauftragte Ghassan Salamé.
Waffenruhe könnte zusammenbrechen
Bereits letzte Woche war mit Suk al-Juma ein weiteres Wohngebiet der libyschen Hauptstadt vom Kriegsgeschehen getroffen worden. Mehrere Raketen, vermutlich von der LNA abgeschossen, gingen in dem Wohngebiet unweit des Stadtzentrums nieder. Der Beschuss des Hafens eskaliert die Lage weiter.
Sollte die Waffenruhe tatsächlich vollständig zusammenbrechen, dürfte sich das Kampfgeschehen auf Gaddafis ehemalige Heimatstadt Sirte sowie auf Tahouna konzentrieren, von wo aus Haftars Luftwaffe ihre Einsätze in Tripolis fliegt.
Nach Informationen der taz bereiten regierungstreue Gruppen einen Vorstoß gegen die dortigen Nachschubrouten Haftars vor. Spezialisten der türkischen Armee haben rund um die von Verbündeten der Regierung kontrollierte Hafenstadt Misrata bereits ein Netzwerk von Luftabwehrraketen und Störsender gegen Drohnen aufgebaut.
Neue Waffenlieferungen
Der türkische Präsident Erdoğan drohte nach dem Angriff auf den Hafen von Tripolis in einem Interview mit dem türkischen Staatssender TRT, die Sarradsch-Regierung so zu unterstützen, dass sie Libyen „dominieren“ könne, sollte es bei den derzeitigen diplomatischen Initiativen kein faires Ergebnis geben.
Haftar wurde zeitgleich am Mittwoch in Moskau empfangen. Französische Medien berichten, dass Haftars Luftwaffe sechs Kampfhubschrauber der brasilianischen Armee angeschafft hat.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott