Haft von indischer Gewerkschafterin: Nodeep Kaur schweigt nicht
Die 24-jährige Dalit-Aktivistin wurde im Januar nach einer Kundgebung vor einer Fabrik verhaftet. Kaur erhebt Foltervorwürfe gegen die Polizei.
„Als der Protest begann, wurden wir inspiriert“, so Kaur, die in der Gewerkschaft Organisation für Arbeitsrechte (Mazdoor Adhikar Sangathan, MAS) aktiv ist. MAS wie andere Gewerkschaften auch solidarisierten sich: „Landwirt:innen und Arbeiter:innen sind unzertrennlich. Arbeiter:innen produzieren in den Fabriken, und Bäuer:innen produzieren auf den Feldern“, sagte Kaur vor ihrer Verhaftung.
Die Festnahme erfolgte aufgrund der Vorwürfe Körperverletzung, Aufruhr, Hausfriedensbruch und Einforderung von Zahlungen, die auf Aussagen eines Polizeiinspektors und des Buchhalters der Firma basierten, die zuvor Arbeiter:innen ihre Löhne vorenthalten hatte. Kaur forderte die korrekte Auszahlung der Löhne, die verspätet und unterhalb des Tarifs gezahlt wurden. Ein Forderung war zudem: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit auch für weibliche Arbeitskräfte.
Zweimal wurde Kaur die Kaution verweigert, bevor sie ihr per Gerichtsbeschluss schließlich gewährt wurde. Seit ihrer Freilassung erhebt sie Vorwürfe über Folter in Polizeigewahrsam: „Sie haben mich geohrfeigt, und mit Schuhen und Stöcken auf meine Geschlechtsteile geschlagen. Ich habe danach stark geblutet.“ Die Beamten sollen sie wegen ihrer Herkunft als Nachfahrin indischer Ureinwohner, sogenannter Dalit, beleidigt haben: Sie solle Abflüsse reinigen, statt Proteste gegen Reiche und Mächtige zu organisieren.
Kaurs Fall erhielt internationale Aufmerksamkeit
Kaur hingegen zeigt sich unbeeindruckt: „Es ist kein Verbrechen, sich zu organisieren und Rechte von Fabrikbesitzern einzufordern.“ Ihr Fall erhielt internationale Aufmerksamkeit, nachdem die US-Anwältin Meena Harris, Nichte von US-Vizepräsidentin Kamala Harris, sowie der indisch-kanadische Politiker Gurratan Singh über sie twitterten. Auch in Indien forderten viele ihre Freilassung.
„Ich habe keine Angst, meine Meinung zu sagen. Als Dalit und Arme ist unser Leben nie einfach. Wir sind immer diskriminiert worden“, so Kaur, die weiterhin die Bauernproteste unterstützt. Sie befürchtet, dass die Auswirkungen der neuen Agrargesetze auch Werktätige spüren werden.
Kaur, die die Schule nach der 12. Klasse wegen finanzieller Engpässe abbrach, stammt aus einer gewerkschaftsnahen Familie aus Pundschab. Sie engagierte sich im vergangenen Jahr auch bei den Protesten gegen das umstrittene Staatsbürgerschaftsgesetz CAA, das Muslim:innen ausschließt. Kaur kritisiert, dass der Raum für abweichende Meinungen schrumpft. Das bestätigt der jetzt veröffentlichte Jahresbericht der NGO Freedom House, die Indien zu einer „teilweise freien“ Demokratie herabgestuft hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers