Häuserkampf? Welcher Häuserkampf?: Besetzer gesucht
In Bremen gibt es noch Besetzungen, und das mit Erfolg. In Hamburg dagegen ist ihre große Zeit lange vorbei. Woran liegt das? Und gibt es inzwischen andere Strategien?
Und es gibt das Gängeviertel, aber das ist ein Sonderfall: Das Gebäudeensemble in der Hamburger City wurde 2009 von Künstler*innen besetzt, die sofort in Verhandlungen mit dem Senat traten, der ihnen wohlgesonnen war. Zwar kämpfen die Nutzer*innen noch immer um das Eigentum an den Gebäuden, aber sie bekommen Geld vom Senat und sind ein wichtiger Tourismusfaktor für die Stadt. Um die Mittagszeit trifft man dort Männer und Frauen in Anzügen und Businesskostümen, die Quiche mit Salat essen und Tee von edlen Teebeuteln trinken.
Nicht ohne den Senat
Das Gängeviertel hat alles richtig gemacht: Denn nur so können Hausbesetzungen heutzutage in Hamburg überhaupt gelingen. Erfolgreiche Besetzungen gegen den Willen des Senats, bei denen die Besetzer*innen die Häuser im Notfall militant verteidigen, gab es seit 1989 nicht mehr. Das hat verschiedene Gründe.
Zum einen gibt es jetzt andere, legale Möglichkeiten, als Hausprojektgruppe zur Immobilie zu gelangen. Seit 1992 gibt es das „Mietshäuser-Syndikat“, das bei der Finanzierung und Organisierung von Hausprojekten hilft, und es gibt alternative Genossenschaften, bei denen neue Gruppen andocken können. Zwar bedeutet das einen hohen bürokratischen Aufwand und kostet viel Zeit und Nerven, aber es ist ungefährlicher und bequemer, als in ein heruntergekommenes leer stehendes Haus einzubrechen und sich eine von Anfang an verlorene Schlacht mit der Polizei zu liefern. Was passiert, wenn das doch jemand wagt, hat sich im Umgang mit der Besetzung der Häuser in der Altonaer Breiten Straße im August 2014 gezeigt.
Die Besetzung der beiden Häuser, die jahrelang leer gestanden waren, markierte den Auftakt zum Hausbesetzer*innenkongress „Squatting Days“. Obwohl es eine symbolische Aktion war, verteidigten die Besetzer*innen die beiden Häuser militant. Die Polizei brauchte mehrere Stunden, bis sie die sorgfältig verbarrikadierte Tür aufsägen und die Hindernisse im Treppenhaus überwinden konnte. Währenddessen warfen die Aktivist*innen Farbe, Böller, Holztüren, einen Feuerlöscher und ein Waschbecken aus dem Fenster. Was darauf folgte, war der aufwendigste Gerichtsprozess gegen linke Aktivist*innen der letzten Jahre.
Massive Anklagen
Die Anklage hatte es in sich: versuchter Totschlag, gefährliche Körperverletzung, Herbeiführen von Sprengstoffexplosionen, Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. An 46 Tagen verhandelte das Landgericht unter hohen Sicherheitsauflagen im Staatsschutzsaal. Am Ende kamen die zum Teil noch minderjährigen Aktivist*innen mit Bewährungsstrafen davon. Das Signal aber war deutlich: Hamburg duldet keine militanten Besetzungen mehr.
Den ganzen Schwerpunkt zu Hausbesetzungen gestern, heute und morgen Sie in der Wochenendausgabe der taz nord oder hier.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml