Haasenburg-Skandal: Schwarze Pädagogen in Bedrängnis
Der Betreiber der Haasenburg GmbH geht der Rohstoff aus: Immer weniger Kinder werden in den Heimen der Skandal-Firma untergebracht.
BERLIN taz | Der Skandal um die Heime der Haasenburg GmbH wird für den Betreiber zunehmend zu einer wirtschaftlichen Belastung. Von insgesamt 114 Plätzen seien derzeit noch 50 Plätze belegt. Das teilte am Dienstag der Vorsitzende des Familienausschusses des Brandenburgischen Landtages, Torsten Krause (Linke), bei einem Fachgespräch zu dem Thema mit.
Demnach wollen offenbar immer weniger Jugendämter das Heim belegen. Die ausschließlich profitorientierte Firma kassiert zum Teil Tagessätze von über 300 Euro pro Kind vom Staat. Nun werde voraussichtlich der Standort Jessern vorerst geschlossen, sagte Krause.
Die Linke erneuerte ihre Forderung an den sozialdemokratischen Koalitionspartner in der Landesregierung, alle Kinder unverzüglich aus dem Heim zu holen. Der Belegungsstopp, den Münch verhängt hatte, sei „zu wenig“, so Krause. Die Abgeordneten hätten eine Verantwortung für die Kinder, die immer noch in Heimen der Haasenburg GmbH untergebracht seien. Man laufe zunehmend Gefahr, sich mit schuldig zu machen. Es lägen unzählige Vorwürfe vor, die eine sofortigen Entzug der Betriebserlaubnis zur Folgen haben müssten. Krause sprach von Maßnahmen der Haasenburg GmbH, „die in Richtung Entwürdigung gehen.“
Nach Informationen der taz erwägen politisch Verantwortliche in Brandenburg das Heim langsam auszutrocknen. Gefürchtet seien etwaige Schadensersatz bei einem sofortigen Entzug der Betriebserlaubnis. Auch vermeide das Ministerium auf diese Weise, personelle Konsequenzen im zuständigen Landesjugendamt zu ziehen.
Vergangene Woche hatte Bildungsministerin Martina Münch (SPD) angekündigt, das Landesjugendamt aufzulösen und in das Bildungsministerium zu integrieren. Die taz hatte zuvor über diverse Aufsichtsmängel berichtet, für die das Amt die Verantwortung trägt. Dies aber stünde mit der Auflösung in keinem Zusammenhang, hatte die Ministerin betont.
Bei dem Fachgespräch in Potsdam forderte die Bundestagsabgeordnete Heidrun Dittrich (Linke) die Kinder auf andere Träger zu verteilen, die mit derart hohen Tagessätzen den Jungendlichen wenigstens nicht schaden würden.
Als Experte bei dem Treffen war auch der Pädagoge Friedhelm Peters geladen, der an der Universität Erfurt lehrt und Vorstandsmitglied der internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen ist. Peters wies darauf hin, dass es keine einzige wissenschaftliche Studie gebe, die den Nutzen einer geschlossenen Unterbringung von Kindern und Jugendlichen belege. Das Material zum Thema sei sehr dürftig. Das Jugendhilfesystem agiere ohnehin im Bereich der geschlossenen Unterbringung auf schwammiger gesetzlicher Basis.
Zudem hätte die Privatisierung der Jugendhilfe ein Angebot fragwürdiger Einrichtungen geschaffen, auf das überforderte Jugendämter immer häufiger zurückgreifen würden. Die Ämter griffen „nach allen Strohhälmen“. Peters bezeichnete geschlossene Einrichtungen als „ein Relikt aus der schwarzen Pädagogik“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe