HSV bleibt in der zweiten Liga: Hamburg kaputt
Dem Hamburger SV drohen wegen des gescheiterten Aufstiegs in die Bundesliga erhebliche finanzielle Konsequenzen. Und die Abkehr seiner loyalen Fans.
Den Rotstift wird der Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann nicht nur beim Spieleretat ansetzen müssen, der von 30 auf nur noch 20 Millionen pro Saison schrumpfen wird, sondern auch bei der Geschäftsstelle im Volksparkstadion. Intern gehen die etwa 300 Mitarbeiter von einer Entlassungswelle aus: Bis zu 50 Stellen könnten im Sommer gestrichen werden.
Die Konsequenzen des Nichtaufstieges wird der HSV auf der Einnahmenseite noch deutlicher zu spüren bekommen. Hauptsponsor Fly Emirates brachte in dieser Liga ungefähr vier Millionen pro Saison – und wird seinen im Sommer auslaufenden Vertrag nicht verlängern. Auch Ausrüster Adidas hat Kürzungen der Prämien angedeutet.
Aus den Vermarktungserlösen der Übertragungsrechte der Bundesliga rechnen die Verantwortlichen mit nur noch knapp 20 Millionen pro Saison. Zudem wird der Zuschauerschnitt von derzeit durchschnittlich 48.000 Besuchern pro Spiel nicht zu halten sein. Den Kredit bei seinen Fans hat der HSV schon lange überzogen.
Nur Kühne könnte Helfen
Finanzielle Hilfe gibt es wohl nur vom umstrittenen Investor Klaus-Michael Kühne. Der Milliardär steht schon länger in Verhandlungen über eine Aufstockung seiner Aktien an der HSV Fußball AG. Diese müsste allerdings auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung mit einem klaren Votum legitimiert werden.
Bisher lehnte die Basis eine größere Beteiligung Kühnes am HSV entschieden ab. Ob sich ihre Meinung angesichts der tristen Perspektive ändern wird, bleibt abzuwarten. Den Preis, den die Mitglieder bezahlen müssten, um neue Investitionen möglich zu machen, wäre die endgültige Aufgabe ihrer Mitbestimmungsrechte.
Unruhe im Kader
Zumindest innerhalb des Kaders hat der HSV bei wichtigen Personalentscheidungen bereits früh Klarheit geschaffen. Die Verträge der Spieler Lewis Holtby und Pierre-Michel Lasogga laufen aus und werden nicht verlängert; die ausgeliehenen Orel Mangala und Hee-chan Hwang kehren zu ihren bisherigen Vereinen zurück; Kyriakos Papadopoulos, Gideon Jung, Douglas Santos, Leo Lacroix, Julian Pollersbeck und Gotoku Sakai stehen derweil auf der Streichliste des Klubs. Der HSV erwartet personell ein tiefgreifender Neuanfang.
Wie sehr die Unruhe in der Mannschaft zum verpassten Aufstieg beigetragen hat, wird aus den Erklärungen des Trainers deutlich: „Irgendwann war es auch egal, wen du aufstellst. Das Ding ist kollabiert“, gab Hannes Wolf am Sonntag nach der 1:4-Schmach beim SC Paderborn zu. Seine Tage auf der Trainerbank scheinen trotz aller Bekenntnisse durch den Vorstand inzwischen gezählt. Im Hintergrund arbeiten die Verantwortlichen längst an einer neuen Lösung, die Dieter Hecking oder Bruno Labbadia heißen könnte.
Neuer Sportvorstand wird von Fans kritisiert
Der verpasste Aufstieg macht es dem Vorstandsvorsitzenden Hoffmann einfacher, eine Neuausrichtung des Klubs voranzutreiben. Allerdings läuft er selbst Gefahr, in den Fokus der Kritik zu geraten. Schließlich war er es, der im letzten Jahr die personelle Aufstellung maßgeblich mitgestaltet hat.
Dem von ihm ausgewählten Sportvorstand Ralf Becker ist es sowohl beim Umgang mit dem Trainer als auch bei der Zusammenstellung des Kaders nicht gelungen, die richtigen Maßnahmen zu treffen. Die Fans werfen ihm vor, zu lange an Trainer Wolf festgehalten und den Aufstieg damit leichtfertig verspielt zu haben. Der Versuch, entgegen alter HSV-Gewohnheiten an einem Coach auch in stürmischen Zeiten festzuhalten, hat die Rothosen um ihr Saisonziel gebracht.
Profitieren könnte Becker indes von der wirtschaftlichen Notlage seines Arbeitgebers. Für eine weitere Radikalkur in der Führungsetage ist eigentlich kein Geld übrig. Und sie wäre der Öffentlichkeit ohnehin nicht vermittelbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten