HDP-Verbotsverfahren in der Türkei: Endstation Machterhalt
Die kurdisch-linke Partei HDP soll verboten werden. Sie war bei den vergangenen Komunalwahlen zu erfolfgreich und bedroht Erdoğans Macht.
V or ziemlich genau 13 Jahren gab es in der Türkei schon einmal eine Situation, die an heute erinnert. Heute will die türkische Staatsanwaltschaft die HDP verbieten. Auch damals, vor 13 Jahren, sollte eine große Partei aus politischen Gründen verboten werden, nur dass es damals die regierende AKP des heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan war und nicht eine kurdisch-linke Oppositionspartei.
Gleichwohl, es ging um die Demokratie im Lande und die AKP wurde damals von den unterschiedlichsten, selbst von linken Gruppen solidarisch unterstützt. Ganz knapp entschied das Verfassungsgericht damals, die AKP nicht zu verbieten. Es gab noch unabhängige Richter in der Türkei.
Präsident Erdoğan und sein engster Unterstützungskreis haben diese Episode offenbar aus ihrem Gedächtnis gestrichen, denn längst nutzen sie alle undemokratischen und repressiven Mittel gegen ihre Gegner, weit schlimmer, als gegen sie jemals vorgegangen wurde.
Jetzt soll erneut eine große, etablierte Partei verboten werden, angeblich wegen separatistischer Bestrebungen und Unterstützung der „Terrororganisation PKK“. Wer sich die Politik der HDP in den letzten neun Jahren seit ihrer Gründung anschaut, sieht, dass die Partei ganz im Gegenteil dafür kämpft, als linke Partei für die gesamte türkische Bevölkerung wahrgenommen zu werden.
Und auch was die vermeintliche Unterstützung der PKK angeht, war der Parteiführung immer bewusst, dass sie sich deutlich von jeder Gewalt abgrenzen muss, wenn sie nicht zwischen der Armee und der PKK zerrieben werden will.
Tatsächlich ist die HDP eben keine Bedrohung für die territoriale Integrität der Türkei, sondern für den Machterhalt der Koalition aus AKP-Islamisten und den MHP-Ultranationalisten. Demokratie, hat Erdoğan einmal in den 90er Jahren gesagt, ist für uns, die islamische Bewegung, wie eine Straßenbahn, aus der wie aussteigen, wenn wir am Ziel sind. Seitdem zählt nur noch der Machterhalt. Wenn die EU-Spitze am Freitag mit Erdoğan spricht, sollte sie das im Kopf haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“