Gutachten zum Investitionsschutz: EuGH winkt Ceta durch
Der Europäische Gerichtshof hält Investitionsschutz im Handelsabkommen mit Kanada mit dem EU-Recht für vereinbar. Ceta-Kritiker sind enttäuscht.
Mit Ceta sollen über 99 Prozent der Zölle zwischen der EU und Kanada beseitigt werden. EU-Firmen sollen in Kanada künftig auch bei öffentlichen Ausschreibungen auf regionaler und kommunaler Ebene zum Zuge kommen können. Laut EU-Kommission soll das Handelsvolumen zwischen den Volkswirtschaften bei Waren und Dienstleistungen um 23 Prozent erhöht werden.
Umstritten bei dem im September 2017 vorläufig in Kraft getretenen Abkommen war vor allem der Schutz von Investoren aus dem jeweils anderen Wirtschaftsraum. Diese sollen vor einem neuen Investitionsgericht, dem Ceta-Gericht, klagen können. Investoren wird im Ceta-Vertrag eine „gerechte und billige“ Behandlung zugesichert, außerdem werden sie gegen „indirekte Enteignungen“ geschützt. Kritiker fürchten, dass Konzerne auf diesem Weg Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz und im Arbeitsrecht absenken können. Im Oktober 2015 und im September 2016 demonstrierten in Deutschland Hunderttausende gegen Ceta und das Schwesterabkommen mit den USA, TTIP.
Ursprünglich richtete sich der Protest gegen TTIP, das aber nicht zustandekam, weil die USA das Interesse verloren. Um so wichtiger wurde Ceta für die EU als beispielhaftes Abkommen, an dem sich weitere Freihandelsverträge orientieren sollten. Innovativ an Ceta ist insbesondere der gerichtliche Investorenschutz. Im Ceta-Gericht sollen 15 dauerhaft bestellte Richter sitzen, während Schiedsgerichte bisher aus fallweise bezahlten Anwälten und Professoren zusammengesetzt wurden.
Nur das wallonische Regionalparlament stellte sich quer
Der EU-Ministerrat stimmte Ceta im Oktober 2016 zu. Das Bundesverfassungsgericht hatte dies der Bundesregierung in einem Eilbeschluss erlaubt. Zuletzt stellte sich nur noch das wallonische Regionalparlament quer. Es zog sein Veto aber zurück, nachdem die belgische Regierung versprach, ein EuGH-Gutachten zur Zulässigkeit des Ceta-Gerichts einzuholen. Dieses Gutachten liegt jetzt vor.
Die Ceta-Kritiker hatten große Hoffnung in den EuGH gesetzt, da er sehr scharf sein kann, wenn es um die Gefährdung seiner eigenen Kompetenzen geht. So hat er den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention ebenso verhindert wie die Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems. Auch bei Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Staaten sah er Anfang 2018 einen Verstoß gegen EU-Recht („Achmea“-Urteil).
Gegen den Ceta-Vertrag hatte der EuGH nun aber keine Einwände. Die Autonomie der EU-Rechtsordnung bleibe gewahrt. Das Ceta-Gericht könne nur den Ceta-Vertrag anwenden, nicht aber EU-Recht oder das Recht der EU-Mitgliedsstaaten auslegen.
Auch der verfassungsrechtliche Rahmen der EU bleibe unangetastet. Der EuGH verwies auf zahlreiche Ceta-Vertragsbestimmungen, die sicherstellen, dass die EU ihr Niveau im Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz auch weiterhin selbst bestimmen kann. (Az.: Avis 1/17)
Deutsche Ratifikation steht noch aus
Der Großteil des Ceta-Vertrags wird bereits vorläufig angewandt. Dies gilt jedoch nicht für die Regeln zum Investitionsschutz, bei denen noch die Ratifikation der nationalen Parlamente erforderlich ist. Bisher fehlen noch 18 EU-Staaten, darunter Deutschland. In der Bundesrepublik ist umstritten, ob neben dem Bundestag auch der Bundesrat zustimmen muss, wo die Ceta-Kritischen Grünen ein Veto durchsetzen könnten.
Außerdem wird sich – vermutlich nach der Sommerpause – noch einmal das Bundesverfassungsgericht mit Ceta befassen. Dort liegen Klagen der Linken, von NGOs wie „Mehr Demokratie“ und der Aktivistin Marianne Grimmenstein zur Prüfung. Auch dort wird es vor allem um den Investorenschutz gehen.
Das Bündnis „Gerechter Welthandel“ sammelt derzeit europaweit Unterschriften gegen Konzernklagen und hat bereits rund 556.000 Signaturen zusammen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Verbotskultur auf Social Media
Jugendschutz ohne Jugend