Gutachten über tendenziöse Doku: Antiziganismus bei Sat.1

Der Zentralrat der Sinti und Roma befand eine Sat.1-Doku als diskriminierend. Ein Gutachten des Politologen Hajo Funke bestätigt das nun.

Romani Rose schaut besorgt

Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, zeigte sich erschüttert Foto: Michael Debets/dpa

BERLIN taz | Romani Rose ist sichtlich erschüttert. „Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Anrufe wir hatten“, sagt der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma. Es geht um eine Dokumentation von „Spiegel TV“, die Sat.1 im August ausgestrahlt hat: „Roma: Ein Volk zwischen Armut und Angeberei“. Die Doku habe unter Sinti und Roma in Deutschland große Ängste ausgelöst, sagt Rose am Montag in Berlin.

Schon nach der Ausstrahlung hatte der Zentralrat den Film als antiziganistisch kritisiert – das bestätigt nun ein Gutachten des Politikwissenschaftlers Hajo Funke. Der Film bediene „das Arsenal der Vorurteile gegenüber Sinti und Roma“, und zwar „in einer Zeit vermehrten Hasses, vermehrter Hetze und vermehrter Gewalt“, schreibt Funke. „Er widerspricht allen journalistischen Kriterien von Fairness, Ausgewogenheit und Aufklärung.“

Die Doku wechselt mehrfach zwischen Berichten über die mutmaßliche „Clan-Kriminalität“ von Familien, die im Luxus leben, und der absoluten Armut von Roma in Rumänien. Gezeigt wird das Leben auf einer Müllkippe „mit Schweinen und Ratten“; ohnehin zieht sich das Ratten-Motiv durch den Film, auch dann, wenn es um Roma in Duisburg-Marxloh geht. „Die stört das nicht, die sind das nicht anders gewohnt“, sagt ein Nachbar in die Kamera.

Zwischen diesen Extrembeispielen gibt es im Film nicht viel – wer sein Geld „ehrlich“ verdient, so unterstellt die Doku, ist Musiker oder Kesselflicker. Vertreter*innen des Zentralrats kommen genauso wenig zu Wort wie Akademikerinnen oder Einzelhandelsfachmänner. Als positives Beispiel dient ein Haus in Berlin-Neukölln. „Wir schicken unsere Kinder nicht betteln“, sagt eine Bewohnerin. „Wieso sind Sie anders als andere?“, fragen die Macher der Doku.

Sat1 verteidigt sich

Der Film sei geeignet, „diejenige Gruppe, die mit den schärfsten und gröbsten Vorurteilen belegt ist, noch einmal mit Vorurteilen, Abwertung und Demütigung zu versehen“, so Funke. Er erfülle „alle Kriterien der Volksverhetzung“, und es solle geprüft werden, ob ein Verbot der Weiterverbreitung möglich sei.

Sat1

Wir nehmen Ihre Kritik ernst, weisen sie aber zurück“

Nach der Pressekonferenz meldet sich aus dem Zuschauerraum Heiko Zysk von ProSiebenSat1 zu Wort. Ihm persönlich gefalle der Beitrag nicht, sagt er. Eine andere Frage sei, ob man einen solchen Film machen dürfe. Auch er finde, dass die Dargestellten „negativ bis maximal mittelpositiv“ wegkämen. Jede Reportage habe aber eine Ausrichtung. „Das liegt in der Natur eines Magazinbeitrags.“

Gegen die Dokumentation sind mehrere Beschwerden bei der Landesmedienanstalt Rheinland-Pfalz anhängig. Dort werde derzeit geprüft, ob die Ausstrahlung für Sat1 Sanktionen nach sich ziehen werde, sagt Jaques Delfeld, Vorsitzender des Zentralrats der Sinti und Roma in Rheinland-Pfalz. „Wir scheuen uns auch nicht, vor Gericht zu gehen.“

Auch der Zentralrat der Juden hat Sat1 kritisiert. Auf der Pressekonferenz wird aus einem Antwortschreiben des Senders zitiert: „Wir nehmen Ihre Kritik ernst, weisen sie aber zurück“, heißt es darin. Die Sendung sei ein „ausgewogener, journalistisch einwandfreier Bericht“. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht habe man sich entschieden, die Sendung im Archiv zu sperren, um eine Zweitverwertung zu verhindern. „Da die Sendung aber journalistisch einwandfrei ist, sehen wir nach wie vor keine Veranlassung, sie aus der Mediathek zu entfernen.“

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