Guerilla-Solarzellen für den Haushalt: Hasta la Solarstrom siempre
„Guerilla-Photovoltaik“ verspricht Sonnenstrom für alle. Das Modul auf den Balkon stellen, über die Steckdose einspeisen und schon läuft der Kühlschrank.
FREIBURG taz | Klingt nach Revolution: In der Stromwirtschaft gibt es Firmen, die für ihre Produkte den rebellischen Namen Guerilla-Photovoltaik kreiert haben. Das sind Solarmodule, die man einfach so nutzen kann – in die Sonne stellen, an die heimische Steckdose anschließen und so ohne feste Installation Solarstrom ins Hausnetz einspeisen. Auch unter dem Namen „Plug & Save“ werden solche Anlagen inzwischen vermarktet.
Wirtschaftlich attraktiv können diese Module sein, weil Solarstrom heute billiger ist als der Strom aus der Steckdose. Wer etwa ein 195-Watt-Modul – eine gängige Größe der „Guerilla-PV“ – einsteckt und den erzeugten Strom im Haushalt selbst verbraucht, kann damit ohne jegliche Einspeisevergütung oder staatliche Förderung wirtschaftlich Solarstrom erzeugen. Weil die Module nicht fest verkabelt werden, können Mieter auch auf dem Balkongeländer oder der Terrasse Strom erzeugen. Beim Auszug kann man die Module einfach mitnehmen und woanders wieder aufstellen.
So clever sich das Prinzip im ersten Moment anhört – es ist nicht unkritisch. Der renommierte Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) warnte jüngst vor Sicherheitsrisiken. Einen Stromerzeuger in die Steckdose zu stecken, sei nicht das Gleiche, wie einen Verbraucher anzuschließen, etwa Staubsauger, Mikrowellen oder Kühlschränke. Wenn Strom über die Steckdose eingespeist wird, könne es durch Überlastung des Stromkreislaufs zu Bränden kommen, warnt der VDE.
Die Sicherungen erkennen demnach den in die Steckdose rückgespeisten Strom nicht ordnungsgemäß und reagieren nicht bei Fehlern. Deshalb hat die Technik keine Zulassung des VDE. Die Nutzer hafte für Schäden selbst. Auch Ralf Haselhuhn von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie weist darauf hin, dass diese so simple Lösung Gefahren berge und den Regeln der Technik widerspreche.
Die Anbieter solcher Module halten die Warnungen hingegen für ungerechtfertigt: Die Zulassung durch den VDE sei „keine Rechtsvorschrift, die den Betreibern der Plug-&-Save-Solarmodule etwa untersagen könnte“, heißt es trotzig beim Anbieter Sun Invention. Man empfehle den Kunden, einfach die 16-Ampere-Sicherung im Haus gegen eine 10-Ampere-Sicherung auszutauschen, damit der Sicherungsschutz erhalten bleibe. Sun Invention beklagt zugleich, einige Stromkonzerne würden die Ansicht vertreten, dass ein Betrieb der Module nicht möglich sei.
„Bewusste Fehlinformation?“
Hierbei handele es sich jedoch „um eine bewusste Fehlinformation“. Den Herstellern scheint aber durchaus klar zu sein, dass sie an juristischen Grenzen agieren. „Keiner verbietet es offiziell und keiner erlaubt es offiziell“, heißt es zum Beispiel auf der Internetseite des Anbieters Minijoule, man bewege sich „in einer Grauzone“. Die Firma nennt die Warnungen des VDE vor Überlastungen des Stromkreises zugleich „nicht nachvollziehbar und reine Panikmache“. Einzelmodule seien unproblematisch, ab vier Modulen empfehle man den Kunden, den Anschluss vom Elektriker vornehmen zu lassen.
Mehr als ein Modul zu nutzen macht allerdings kaum Sinn, weil es nicht wirtschaftlich ist. Die Anlagen, die in Österreich schon vor Jahren als „Solarkraftzwerge“ vertrieben wurden, dienen allein dazu, weniger Strom aus dem Netz zu beziehen. Ins allgemeine Stromnetz einspeisen und dafür die allgemeine EEG-Vergütung kassieren, ist nicht möglich. Im Gegenteil, es ist sogar illegal, ins Netz einzuspeisen, weil in dem Fall der Stromzähler rückwärts läuft.
Um allein den eigenen Strombezug zu senken, ist aber in den meisten Haushalten kaum mehr als ein Modul sinnvoll. Denn die von einem 195-Watt-Modul erzeugte Energie kann ein Durchschnittshaushalt noch einigermaßen kontinuierlich selbst verbrauchen; schon mit einem zweiten Modul nehmen jedoch die Zeiten zu, in denen der Strom schlicht nicht benötigt wird.
Denn kein halbwegs effizient organisierter Haushalt kann ohne Speicher 390 Watt immer dann sinnvoll verwenden, wenn der Strom gerade anfällt. Und bei drei oder noch mehr Modulen wird man in der Regel so viele Stunden im Jahr Strom verschenken müssen, dass die Wirtschaftlichkeit des Systems infrage steht – eine reguläre Solaranlage ist dann attraktiver.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen