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Grundeigentum als WahlkampfthemaGrüne Missverständnisse

Die Kreuzberger Grünen werben mit Häuserkampf – ganz zum Ärger der Bundesökos. Dabei sollten die über jede Chance der Profilierung froh sein.

Der Abgeordnete gratuliert der Kandidatin zur Übergabe Foto: imago/Ipon

Berlin taz | DIE HÄUSER DENEN, DIE DRIN WOHNEN, majuskeln die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg, Wahlkreis 83. Ein alter Hausbesetzerspruch. Noch dazu einer, der Raum für Interpretationen lässt. Etwa dieser Art: Grüne legitimieren es, wenn Vermieter enteignet werden.

DAS DARF NICHT SEIN!, denken viele Bundesgrüne. (Einige sind ja selbst Eigentümer, auch in Berlin). Die Partei twitterte deshalb eine Klarstellung zu dem Plakat. Es sei kein Teil der Bundeskampagne, ja sogar: Es sei missverständlich. Angesichts magerer Umfragewerte (rund 8 Prozent) ist diese Reaktion vor allem eines: ziemlich unsouverän.

Gerade im Wahlkreis 83 müssen die Grünen offensiv werben. Hans-Christian Ströbele holte dort zuletzt viermal das Direktmandat für die Ökopartei. Nun tritt er nicht mehr an und lässt Canan Bayram ran. Canan wer? Richtig, Ströbeles Nachfolgerin kennt man eher weniger gut, sie muss sich ein ströbeliges Standing erst noch hart erarbeiten. 39,9 Prozent wie Ströbele 2013 wird sie wohl nicht holen. Sie muss kämpfen. Gegen Cansel Kiziltepe (SPD) zum Beispiel oder gegen Pascal Meiser (Linke). Und gegen viele andere, die auch was gegen steigende Mieten tun wollen; gegen dreiste Investoren, gegen gierige Spekulanten – und für einen Wohnungsmarkt, der die Macht von Vermietern beschneidet.

Einen Biowahlkampf kann sich Bayram also nicht leisten, sie muss harte Politik betreiben, ihr Profil schärfen. Beispielsweise, indem sie den Mieterschutz stärkt. Und, genauso wichtig: Diese Programmatik muss sie bekannt machen.

Das umstürzlerische Plakat Foto: Grüne Berlin

Sprüche, die ein bisschen wachrütteln, schaffen das. DIE HÄUSER DENEN, DIE DRIN WOHNEN. So was provoziert, klingt frech. Gerade den Grünen, die nach außen oft so langweilig, so vernünftig daherkommen, tut es gut, die Dinge rhetorisch etwas aufzublasen. Wahlplakate sollen auffallen, keine Programme ersetzen.

Dass die Berliner Abgeordnete Katrin Schmidberger bekräftigt, Enteignungen seien als letztes Mittel selbstverständlich sinnvoll, ist nur konsequent. Sie zählte dazu ein paar Beispiele auf, wann diese Ultima Ratio eintreten solle: Wenn Vermieter ein Haus verkommen lassen etwa, wenn Briefkastenfirmen den Markt beherrschen, wenn Mieterrechte ausgehebelt werden. Solche Dinge.

Ob die Grünen im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg genauso konsequent handeln, wenn es ernst wird, steht auf einem anderen Blatt. Mal so zu tun, als ob man die Interessen der Mieter offensiv vertrete, ist strategisch gesehen richtig. Gerade in Berlin, wo die Mietpreise anziehen wie sonst nirgendwo. Das hätten auch Özdemir und Co. erklären können. Stattdessen ziehen sie feige zurück. Missverständlich.

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3 Kommentare

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  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Ändert nichts am Grundproblem es gibt begehrten Wohraum nur in begrenzten Mengen. Man sollte vielmehr versuchen Kleinstädte und weniger trendige Wohnviertel lebenswert zu machen.

  • Das Plakat und die entsprechenden Reaktionen sind doch nur ein neues und gutes Beispiel für die längst offensichtliche Tatsache, dass sich die Grünen intern alles andere als grün sind und sie sich realistische Weise aufteilen müssten. Nur dann versinken alle Flügel in der Bedeutungslosigkeit und die Partei wäre Geschichte. Die im Artikel genannten acht Prozent sind da eher optimistisch im Sinne der Grünen gedacht.

  • Das versteh ich nicht: die Kandidatin in Kreuzberg soll etwas versprechen, was offensichtlich auf Bundesebene (bzw. mit der Grünen Partei im Bundestag) nicht mitgetragen und damit nie umgesetzt werden wird?! Wahllüge mit Ansage, legitimiert durch ein "Sonst-wählt-mich-ja-keiner"?!