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Grünen-Politiker über Transrechte„Das macht niemand zum Spaß“

Kein Gesetz in Deutschland sei so diskriminierend wie das Transsexuellengesetz, sagt der Grünen-Politiker Sven Lehmann. Er will es schnellstmöglich abschaffen.

Der Versuch, das vierzig Jahre alte Transsexuellengesetz zu reformieren, war dieses Jahr gescheitert Foto: Joris van Gennip/laif
Patricia Hecht
Interview von Patricia Hecht

taz: Herr Lehmann, das Trans­sexuellengesetz ist seit 40 Jahren in Kraft. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrere Teile davon als verfassungswidrig eingestuft. Anläufe für eine Reform sind immer wieder gescheitert, zuletzt wurde im Mai der Entwurf Ihrer Fraktion abgeschmettert. Warum ist ausgerechnet dieses Gesetz so schwer zu reformieren?

Sven Lehmann: Das frage ich mich auch. Transgeschlechtliche Menschen gelten offenbar als „exotisch“ und haben daher auch rechtlich eine Art Exotenstatus.

Inwiefern?

Es gibt für keine andere Gruppe in der Gesellschaft ein derartiges diskriminierendes Sondergesetz. Das hat auch damit zu tun, dass Transgeschlechtlichkeit jahrelang fälschlicherweise als psychische Erkrankung eingestuft wurde. Bis heute besagt das Gesetz, dass nicht die Menschen selbst über ihren Vornamen und Geschlechtseintrag entscheiden können, sondern dass dafür verschiedene externe Gutachten vorliegen müssen. Um die zu bekommen, müssen trans Personen auf intimste, entwürdigende Fragen antworten. Das ist eine Menschenrechtsverletzung.

Ihr Entwurf will genau das ändern: Eine Person soll frei entscheiden können, welchem Geschlecht sie sich zuordnet. Sollen Menschen ihr Geschlecht wechseln können wie Hüte?

Nein, natürlich nicht, und das macht auch niemand. Es gibt wahrscheinlich kaum etwas Persönlicheres als das Geschlecht. Unsere Gesellschaft ist ja stark in Mann und Frau aufgeteilt. Zugleich aber war geschlechtliche Vielfalt schon immer Realität. Dass Menschen dauernd ihr Geschlecht hin- und herwechseln, wird von Selbst­be­stim­mungs­geg­ne­r*in­nen als Schreckgespenst aufgeplustert. Das passiert in der Realität aber nicht.

Woher wissen Sie das?

Es gibt verschiedene Länder in Europa und darüber hinaus, die selbstbestimmte, einfache Verfahren ermöglichen. Dort können Menschen einfach vor dem Standesamt erklären, welchen Geschlechtseintrag sie wählen. Missbräuche sind nicht bekannt. Ich habe die Bundesregierung dazu befragt, auch diese verneint das. Wir wissen zudem von Verbänden wie dem Bundesverband Trans*, dass die Zahl der sogenannten Regretter, also derjenigen, die mit der Entscheidung hadern und sie wieder rückgängig machen möchten, bei nur rund einem Prozent liegt. Dem gegenüber stehen die enorme Diskriminierung und das Leid transgeschlechtlicher Personen, das wir nicht länger in Kauf nehmen dürfen.

Bis vor zehn Jahren mussten sich trans Personen einer geschlechtsangleichenden Operation unterziehen und sich sterilisieren lassen, um ihren Namen und Personenstand ändern zu lassen. Laut Ihrem Gesetzentwurf sollen nun bereits 14-Jährige mündlich beim Standesamt angeben können, welchem Geschlecht sie sich zuordnen. Ist das nicht sehr früh?

Das ist deshalb nicht früh, weil gerade in der Pubertät sehr viele Jugendliche, die transgeschlechtlich sind, genau das auch feststellen. Dann brauchen sie Unterstützung: vom Elternhaus, von der Schule, von Ärzt*innen. Viele empfinden es als höchst belastend, wenn im Ausweisdokument das falsche Geschlecht steht oder wenn sie in der Schule falsch angesprochen werden. Ab 14 kann man über die Religionszugehörigkeit entscheiden, teilweise ist man strafmündig. Dann sollte man auch entscheiden können, welcher Geschlechtseintrag im Pass steht. Um mehr geht es ja nicht.

Kann es nicht sein, dass Identitätsprobleme in diesem Alter auch mit anderen Dingen als dem Geschlecht zu tun haben?

Natürlich. Aber es geht ja eben nicht um irreversible Entscheidungen wie Operationen. Das wurde von transfeindlichen Kreisen behauptet, aber das waren Falschmeldungen. Es geht bei unserem Gesetzentwurf bewusst „nur“ um den selbstbestimmten Eintrag ins Dokument. Wenn der oder die Jugendliche dann merken sollte, dass das eben doch eine falsche Entscheidung war, kann sie problemlos rückgängig gemacht werden. Auch für Gesellschaft und Staat entsteht dadurch kein Schaden.

Sollen Jugendliche auch gegen den Willen der Eltern handeln können?

Bei der Religionszugehörigkeit werden die Eltern ja auch nicht gefragt. Jugendliche können ab 14 aus der Kirche aus- und auch wieder eintreten. Allerdings haben Eltern ja immer noch das Sorgerecht. Sollte es also beim Geschlechtseintrag zu einem Konflikt kommen, sind Familiengerichte gefragt. Ich gehe aber davon aus, dass Eltern in den meisten Fällen das Beste für ihre Kinder wollen und sie bei ihrem Aufwachsen unterstützen.

Ein Autor der FAZ warf Ihnen kürzlich vor, Sie würden Kinder „zum Experimentierfeld ideologischer Interessen“ machen, „an deren Folgen sie mitunter ihr Leben lang leiden werden“. Was antworten Sie dem?

Dem antworte ich, dass er einfach mal mit transgeschlechtlichen Menschen sprechen sollte. Wenn Kindern und Jugendlichen bei Geburt ein Geschlecht zugewiesen wurde, das nicht ihrer Identität entspricht, und sie außer teuren, langwierigen und entwürdigenden Verfahren keine Möglichkeit haben, das zu ändern, kann das enormes Leid bedeuten. Wenn sie nicht das Glück haben, ein unterstützendes Umfeld zu haben, entstehen da mitunter schlimme psychische Krisen. Das heißt, die Realität, das Gesetz, wie es jetzt ist, bedeutet Leid und muss verändert werden.

Bild: Stefan Kaminski
Im Interview: Sven Lehmann

41, ist queer­politischer ­Sprecher der Grünen-­Fraktion im Bundestag

In Ihrem Gesetzentwurf geht es zunächst nur um die Personenstandsänderung. Wie und wo sollen Fragen von geschlechtsangleichenden Operationen geregelt werden?

Dazu verabschieden aktuell medizinische Fachgesellschaften autonom ihre Richtlinien. Das ist unabhängig von der Personenstandsänderung im Ausweisdokument. Momentan allerdings ist es so, dass der Weg zur Finanzierung von Operationen oder Hormonbehandlungen häufig über Klagen führt. Uns ist deshalb wichtig, dass ein Anspruch auf gesundheitliche Leistungen im Zusammenhang mit einer Transition, also der Angleichung des Geschlechts, auch in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen wird.

Die Zahl der Menschen hierzulande, die ihren Personenstand nach dem Transsexuellengesetz ändern, steigt. 1995 waren es noch 400 Verfahren, 2019 knapp 2.600. Manche sprechen deshalb von einem Trend. Können Sie das nachvollziehen?

Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, dass manche das als „Lifestyle-Entscheidung“ abtun. Eine Änderung des Geschlechts braucht viel Mut. Die Menschen müssen es sich selbst eingestehen, sie müssen es ihrem Umfeld erklären, Partnerschaften, Familie, Arbeitsplatz. Dieser Schritt kann mit so viel Diskriminierung verbunden sein, das macht niemand zum Spaß. Die steigenden Zahlen hängen meiner Ansicht nach damit zusammen, dass das gesellschaftliche Klima offener gegenüber trans Personen geworden ist. Deshalb trauen sich immer mehr, zu dem Geschlecht zu stehen, das ihrer Identität entspricht. Ich finde sehr ermutigend, dass sich weniger Menschen verstecken müssen.

Laut Ihrem Entwurf kann gegen Personen, die den sogenannten Deadname einer trans Person verwenden, ein Bußgeld wegen einer Ordnungswidrigkeit von bis zu 2.500 Euro verhängt werden. So was kann doch auch mal versehentlich passieren – oder?

Wenn das versehentlich passiert, hat die Person mit Sicherheit nichts zu befürchten. Ein Gesetz ist vor allem für den Konfliktfall gemacht. Es gibt Fälle, in denen in Krankenhäusern, am Arbeitsplatz oder in Schulen bewusst gedeadnamed wird, also nicht anerkannt wird, wenn eine Person erklärt, dass sie künftig mit ihrem richtigen Namen und Geschlecht angesprochen werden möchte. Wenn das mit Absicht passiert, soll die Ordnungswidrigkeit greifen, um deutlich zu machen, dass das ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht ist.

Im September wird gewählt. Die Union hat geschlossen gegen Ihren Entwurf gestimmt, die SPD so gut wie geschlossen. Was würde das für mögliche Koalitionen bedeuten?

Im bisherigen Koalitionsvertrag war eine Reform vereinbart, die hat die Groko aber leider nicht hingekriegt. Blockiert haben wohl vor allem die Hardliner aus dem CSU-geführten Innenministerium. Unterm Strich finde ich aber gut, dass es zumindest keine schlechte Reform gab – sondern dass wir mit dem neuen Bundestag eine neue Chance haben, dieses Gesetz endlich zu überwinden.

Würde das Transsexuellengesetz mit den Grünen abgeschafft?

Ja. Ich persönlich kann mir keinen Koalitionsvertrag vorstellen, an dem Grüne beteiligt sind, der dieses Gesetz weiter akzeptiert. Trans Rechte sind Menschenrechte. Und Menschenrechte dürfen nicht Verhandlungsmasse sein.

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17 Kommentare

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  • Es ist doch lächerlich, den Vornamen mit einem Geschlecht zu verbinden. Jeder sollte das recht haben, seinen Vornamen selbst zu bestimmen.

  • Also ich glaube man muss einen Kompromiss finden. Ich glaube niemand und wirklich niemand findet es okay dass sich Menschen grauenhafte und ganz ehrlich zum Teil auch sexistische, frauenfeindliche Fragen unterziehen müssen um als Trans zu gelten. Das muss aufhören. Es muss eine Therapie geben und eine psychologische Beratung geben in der die Beziehung vom Patienten zum Körper untersucht und hinterfragt wird. In dem es möglich ist dass das eigene Verhältnis zu Geschlechterrollen (Gender) hinterfragt wird und wenn am Ende raus kommt, dass es hier nicht um irgendwelche überholten Vorstellungen von femininen oder maskulinen Verhalten und nicht-konformen Verhalten geht sondern um ein Leiden, eine körperliche Sache, sollte es überhaupt kein Problem sein Therapie, Hormone und weiß nicht was zu beantragen.

    Trotzdem finde ich es schwierig einen körperlichen Aspekt wie den Geschlechtseintrag ohne eine körperliche Veränderung zu ändern. Immerhin geht es da um weiblich und männlich im Sinne der Biologie. Und nicht um ein wie auch immer geartetes Gefühl von Frau sein. Frau sein ist immer etwas körperliches, jedenfalls soweit ich das erlebt habe.

    • @curiouscat:

      Aber das ist gerade der springende Punkt und dein Kommentar zeugt davon, dass du nicht genug informiert bist. Es gibt mittlerweile hinreichend Untersuchungen und Studien die aufzeigen, dass es eben biologisch gesehen nicht nur Mann und Frau gibt. Transgeschlechtlichkeit und Homosexualität sind womöglich auf den Hormonspiegel der Mutter in der Schwangerschaft zurückzuführen, dem steht KEINE Störung gegenüber. Es ist also sehr wohl biologisch so, dass es mehr als nur Mann und Frau gibt. Wie andere Menschen mit ihren Körpern und Ihrem Namen umgehen wollen, sollte nur diese Menschen etas angehen und niemand hat das Recht, sich in diese Entscheidung einzumischen, geschweige denn die Richtigkeit dieser Entscheidung in Frage zu stellen!

    • @curiouscat:

      Wie kommen sie darauf, dass es um Biologisches Geschlecht geht? Oder nur um Frauen?

      Es geht um die Anerkennung der eigenen Identität gegenüber Staat und Gesellschaft. Cispersonen müssen weder dem Standesamt ihre Genitalien Zeigen, noch auf irgend eine andere Art und weise ihrem zugewiesenen Geschlechtsklischee entsprechen, um diese Anerkennung zu erhalten.

      Würden sie denn einer Frau, die Kurze Haare und weite Kleidung trägt, unter der ihre Brüste nicht sichtbar sind, das Frausein absprechen, wenn diese sich weigert, ihnen ihre Genitalien zu zeigen? Würden sie Männern, die keinen Bart und lange Haare tragen das Mannsein absprechen, sobald diese ein Kleid tragen? Oder spielt die Geschlechterrolle, in der eine Person lebt und sich selbst wahrnimmt vielleicht doch eine wichtigere Rolle als Äußerlichkeiten?



      Und, au weia, wie sollte denn ihrer Meinung nach mit uns Nichtbinären Menschen verfahren werden?

  • Ich sehe den Vergleich Transsexualität zu Religion etwas daneben. Transsexualität ist eine Realität, während Religion ein Glaubens Ding ist. Eine Transsexuelle Person glaubt nicht, Sie weiß es. Einer Transfrau die die Pubertät überschritten hat sieht man nicht sofort ihre Weiblichkeit an, das enthält auch das Diskriminierungspotenzial. Bei den Transmädchen die sich noch innerhalb der Pubertät befinden ehr schon, weil die Gesichtszüge noch weich sind. Weil noch nicht alles sich ausgebildet hat. Ich bin Transfrau Post op! Mein Leidensweg endete nach der Angleichungsoperation. Es macht halt kein Spaß ständig trotzdem allem als noch ein wenig männlich wahrgenommen zu werden. Übrigens die Angleichungsoperation ist keine Fun Sache. Das überlegt man sich doch sehr. Ein Zitat eines Schreibers „ Darum sollten wir mit Entscheidungen zur "Geschlechtsanpassung" sehr vorsichtig sein.“ Da schreibt wieder eine Person die uns nicht akzeptieren möchte. Warum sollte die Transfrau vorsichtig sein? wer sich mit seinen „Ich“ intensiv beschäftigt hat, weiß in welcher Situation sie sich befindet. Die Angleichungsoperation wird nicht leichtfertig gemacht. Dazu muss eine Transfrau zu viel oft mit den Institutionen kämpfen. Hierbei stellt sich eine Transfrau gegen einer Diskriminierenden Cis Gesellschaft entgegen. Die Gesetzeslage von Transmenschen halt so schlecht, da Diskriminierende Cis Politiker aus den Regierungsparteien das sagen haben. Noch verschlimmert wird das weil eben nicht der Staat frei von Konfessionellen Gedankengut ist.



    Ach noch etwas zum Verfahren zur Vornamesänderung und Feststellung zur Geschlechtszugehörigkeit das nimmt die Transfrau auch noch hin, inklusive der beiden Gutachten.



    Ich stelle nur fest, das hier ausschließlich Cis Männer schreiben die von der Transsexualität überhaupt keinen blassen Schimmer Ahnung haben und Bloss ihre Verachtung darlegen.

  • Es sollen also all jene, die gern ihre Mitmenschen verklagen, demnächst als Transpersonen all jene verklagen können, die sie 20 Jahre Lars genannt haben, das jetzt nicht immer spontan ändern oder im Stress bedenken können (Arbeit) und versehentlich nicht Sophie sagen? Das wird dann lustig. Wie stellt das Gericht fest, ob es ein Versehen oder Mobbing war oder ob der Kläger es einfach nur behauptet?



    Damit hätte ein potenzieller Kläger ein super Mobbinginstrunent an der Hand!

    • @BlauerMond:

      Nein sollen sie nicht und das steht auch explizit im Text, was genau mit dieser Ordnungswidrigkeit erreicht werden soll. LESEN UND VERSTEHEN, GANZ WICHTIG!!!

    • @BlauerMond:

      Wie kommen sie darauf?

      Der Gesetzesvorschlag sah vor, vorsätzliches Deadnaming, welches in bösartigre Absicht geschieht, zu einer Ordnungswiedrigkeit zu machen.

      Weder können OWIs zivilrechtlich eingeklagt werden, noch wäre dies auf versehentliches Deadnaming anwendbar.

  • Ich wünsche Herrn Lehmann und seinen Kollegen viel Erfolg, dass sie eine Gesetzesänderung schaffen. Ein schönes Interview, dass ich sicherlich noch weiterempfehlen werde.

  • Ich meine der Vergleich mit der Bestimmung der Religionszugehörigkeit oder der Strafmündigkeit ab 14 Jahren hinkt.

    Religion ist eine kollektive Praxis, die jeweils auf Glaubensgrundsätzen beruht, bei denen ein Konvertit auf dem "Markt der Religionen" abwägen kann, was überzeugt oder inspiriert.

    Für eine Straftat brauche ich einen kriminellen Willen.

    Beides ist aber nicht so stark mit der eigenen Person und Erscheinung verbunden wie das Geschlecht.

    Einem Juden sieht man häufig sein Jüdisch-Sein nicht an.



    Einem Raubkopierer das Raubkopieren auch nicht.

    Eine (Trans-)Frau ist in der Regel vom Äußeren als Frau zu lesen.

    Sex und Gender sind nun mal doch stärker mit der individuellen Identität verbunden als zb Religion: ein Hinweis auf die Identitäts-Vorrangigkeit von Geschlecht könnte auch sein, dass je nach Geschlechtszugehörigkeit sich religiöse Praktiken ein und derselben Religion unterscheiden.

    Dass Trans-Personen erst nach Gutachten usw. geschlechtsangleichende Therapien bezahlt bekommen, finde ich in einem kommunal finanzierten Gesundheitssystem notwendig. Ich bekomme von der Krankenkasse nicht mal meine Brille finanziert, ohne die ich nicht sehen könnte. Und bevor ein Arzt an mir Leistungen, die die Krankenkasse zahlen muss, erbringt, muss er vorher diagnostizieren, dass diese auch notwendig sind. Niemand kann sich zb einfach so den Blinddarm entfernen lassen, was die Krankenkasse sicher tausende Euros kostet, wenn dazu keine medizinische Notwendigkeit (die von Fachpersonal diagnostiziert werden muss) vorliegt.

    Und um welchen Geschlechtseintrag geht es Hr. Lehmann für ab 14 Jährige? Statt "männlich" oder "weiblich" einzutragen "trans"? Das wäre eine andere Geschichte, doch es geht wohl eher darum, dass jemand, der vorher "weiblich" drin stehen hat, "männlich" sich dort einträgt und vice versa.

    • @le pouce engourdi:

      Es geht explizit darum, dass der Geschlechtseintrag im Personalausweis geändert wird und NICHT um Operationen. Das wird so im Artikel genannt. Warum argumentieren Sie dennoch mit Operationskosten für die Hälfte Ihres Kommentars? Weil das so schön aufwühlend ist?

      Es ist übrigend schön, dass Sie korrekt feststellen, dass das eigene Geschlecht weder eine Glaubensrichtung ist noch eine Straftat. Es geht aber darum, dass Menschen ab 14 bereits in anderen Bereichen Verantwortung übernehmen können bzw müssen. Und es daher angemessen ist, auch 14-Jährige selbst entscheiden zu lassen, welches Geschlecht sie haben.

      • @Hamnial:

        Danke für Ihre Antwort.

        Ich zitiere aus dem Interview:



        "Momentan allerdings ist es so, dass der Weg zur Finanzierung von Operationen oder Hormonbehandlungen häufig über Klagen führt. Uns ist deshalb wichtig, dass ein Anspruch auf gesundheitliche Leistungen im Zusammenhang mit einer Transition, also der Angleichung des Geschlechts, auch in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen wird."

        Insofern bezieht sich mein Kommentar auf diese Stelle des Interviews, vielleicht haben Sie diese überlesen.

        Meine Feststellung der Differenz zu Religion und Strafmündigkeit bezieht sich übrigens auch auf den von Lehmann im Interview genannten Vergleich, der meiner Argumentation nach nicht haltbar ist. Wenn Sie nun über "Verantwortung übernehmen" diskutieren wollen, wäre das eine andere Debatte.

        Ich danke auch für Ihren Hinweis in Ihrer zweiten Antwort. Ich gebe zu, dass meine Argumentation mit dem Bezug auf meine nicht-vorhandene Dysphorie als Cis-Mann wenig stichhaltig ist. Dennoch geht es mir nicht darum Trans-Menschen diese abzusprechen, sondern um eine weniger naturalisierende Setzung der Gender-Kategorien.

    • @le pouce engourdi:

      Und auch hier kommt das Schiefe des Religionsvergleichs zu Tage: denn haben Religionsgemeinschaften sich von der Gemeinschaft selbst auferlegte Regeln und Vorschriften, so kann ein Konvertit diese auch brechen und von der Gemeinschaft ausgeschlossen werden.

      "Geschlechtsgemeinschaften" gibt es in dieser Form nicht (höchstens imaginiert). Die "Regeln" und "Vorschriften" sind gesellschaftlich konstruiert (und damit kontingent, zufällig, arbiträr). Keiner Frau wird aus der Gemeinschaft der Frauen ausgestoßen, wenn sie gegen diese verstößt.

      Und hier liegt doch des Pudels Kern.



      Statt davon auszugehen, dass Geschlechtszugehörigkeiten analog zu Religionszugehörigkeiten festgelegten Regeln, Dogmen, Glaubensgrundsätzen, Praktiken etc. folgen, sollte man deren gesellschaftliche Konstruiertheit und damit auch ihre Veränderbarkeit begreifen.

      Nur weil ich nicht gerne Fußball gucke, kein Interesse für Autos und Herumschrauben hab, generell mich nicht besonders männlich fühle, heißt das nicht, dass ich diese gesellschaftlich konstruierte Kategorie "männlich" für mich (und mein direktes Umfeld) nicht neu besetzen kann.



      Ich denke, daher haben wir auch 6x mehr Personenstandsänderungen als vor 25 Jahren, nicht nur wegen eines "offeneren gesellschaftlichen Klimas" (nebenbei bemerkt ist hier ein gefährlicher Fortschrittsgedanke angelegt), sondern auch, weil Identität im Zeitalter der sozialen Medien auch immer mehr als Ware begriffen wird, auf einem Markt, auf dem man sich das beste aussuchen kann. Sie werden als vornherein (naturgemäß) gesetzt begriffen (wie dieser grüne Abgeordnete es tut), wie eine Religion, und nicht als etwas, das dem ständigen Wandel und gesellschaftlichen Diskursen und Verhältnissen unterliegt.

      Mehr Dialektik bitte!

      • @le pouce engourdi:

        Ich kann Sie beruhigen, es nimmt niemand >1500€ in die Hand, belastet sich mit einem ewig dauernden Gerichtsverfahren, erduldet mehrere erniedrigende Gutachten, um sein oder ihr Geschlecht zu ändern, weil er oder sie kein Fußball mag. Das sind mit nichten die Gründe, warum die Zahl auch mit diesem furchtbaren Gesetz steigt.



        Stattdessen hat Herr Lehmann damit Recht, dass Menschen, die trans sind, weniger Backlash zu befürchten haben. Weniger tansfeindliche Personen, von denen man Angriffe fürchten muss. Mehr Rückhalt aus Vereinen und Communitys, die einem bei hasserfüllten Reaktionen in der Schule, auf der Arbeit und in der Familie unterstützen, usw. usf.

        Ihr Gedankengang zeigt ausschließlich, dass Sie sich als cis Mensch nicht vorstellen können warum ein trans Mensch weiß, dass er tans ist. Könnten Sie ja vielleicht mal recherchieren.

      • @le pouce engourdi:

        Sehr gute Überlegungen von Ihnen. Ein "offeneres gesellschaftliches Klima" wird nicht dadurch geschaffen, dass Geschlechtsrollenbilder anscheinend wieder starrer werden und ein/e Jugendliche/r den Eindruck hat, weil er/sie sich nicht rollenkonform verhält, müsse eine Transsexualität vorliegen. Darum sollten wir mit Entscheidungen zur "Geschlechtsanpassung" sehr vorsichtig sein.

  • Ja. Ich persönlich kann mir keinen Koalitionsvertrag vorstellen, an dem Grüne beteiligt sind, der dieses Gesetz weiter akzeptiert.

    Na dann, weiß ja der Koalitionspartner, womit er Klimaschutzwünsche der Grünen abmildern kann.

    • @Strolch:

      Ups - und das wird nicht der einzige "Druckpunkt" sein. Fürchte auch, dass das Klima der Gier nach Macht weichen muss. Wieder mal....