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Grünen-Affäre Stefan GelbhaarRBB weist Millionenforderungen von Gelbhaar zurück

Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar will nach der fehlerhaften RBB-Berichterstattung 1,7 Millionen Euro Schadensersatz vom Sender. Der sagt: unangemessen.

Noch-Abgeordneter: Stefan Gelbhaar (Grüne) Ende Januar im Bundestag Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin dpa | Der RBB sieht sich nach eigenen Angaben Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe nach fehlerhaften Berichten über einen Grünen-Politiker ausgesetzt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk Berlin-Brandenburg teilte mit, dass er die Forderung für unangemessen halte.

Eine dpa-Anfrage blieb bei dem Noch-Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar (Grüne) seit Mittwochabend unbeantwortet. Das Portal Business Insider hatte zuerst über Forderungen berichtet.

Der RBB teilte nun mit, dass in einem Schreiben des Anwalts von Gelbhaar Ansprüche auf Geldentschädigung und Schadenersatz erhoben werden. „Sie belaufen sich auf insgesamt 1,7 Mio. Euro, davon 1,2 Mio. Euro Schadensersatz, weil Stefan Gelbhaar Einnahmen entgingen, die er bei einem Wiedereinzug in den Bundestag in den kommenden Jahren erzielt hätte“, hieß es weiter.

Gelbhaar kann nicht in den neuen Bundestag wieder einziehen, weil er im Januar als Grünen-Direktkandidat des Wahlkreises Berlin-Pankow ausgewechselt worden war und auch nicht auf der Landesliste seiner Partei stand. Er hatte seine Listenplatzkandidatur mit Verweis auf Vorwürfe gegen ihn Mitte Dezember zurückgezogen. Damals wurde zunächst nichts Näheres zu den Vorwürfen bekannt. Später folgten Medienberichte.

Abschlussbericht zu RBB-Fehlern liegt noch nicht vor

Im Januar hatte der öffentlich-rechtliche ARD-Sender Teile seiner Berichte über Belästigungsvorwürfe gegen den Bundestagsabgeordneten zurückgezogen. Im Kern kamen Zweifel an der Identität einer der Personen auf, die dem Sender die Vorwürfe versicherten – die Identität soll gar nicht existieren.

Es stellte sich heraus, dass der Sender die Person nie getroffen hatte. Über die Zweifel hatte vor der Zurückziehung der RBB-Berichte der Tagesspiegel berichtet. Der RBB hatte dann Fehler eingeräumt. Ein Expertenteam soll aufklären, wie es zu den Fehlern kommen konnte. Ein Abschlussbericht liegt noch nicht vor.

Der RBB argumentierte nun zu den Forderungen, Gelbhaar habe zum Zeitpunkt der monierten Berichterstattung bereits auf den Landeslistenplatz verzichtet. „Auch die Entscheidung, dass die Wahl des Direktkandidaten der Grünen für den Wahlkreis Pankow erneut erfolgt, fiel zeitlich vor die in die Kritik geratene Berichterstattung des RBB am 31. Dezember.“

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12 Kommentare

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  • Bei allem Recht auf Reparation, sobald die Schädigung einwandfrei nachgewiesen ist, aber 1,7 Mio. sind definitiv überzogen. Hier ist kein Mensch zerstört worden, lediglich seine Reputation und die bekommt er ja wieder, nach der Klärung des RBB-Sumpfes. Die Kirche darf im Dorf bleiben.

    • @Ceridwen:

      "lediglich seine Reputation und die bekommt er ja wieder"



      Und was haben wir gelacht!

  • Die Einlassung des RBB klingt so, dass der Sender im Prinzip



    nichts mit der Zerstörung der politischen Karriere von Gelbhaar zu tun habe, weil er ja selbst von seinen Ämtern vorher zurückgetreten



    sei, für den Schaden also selbst kausal und verantwortlich geworden sei.

  • Die Argumentation des RBB ist doch sehr dünn. Es mag sein, dass die Terminierung der Neuwahl vor der Berichterstattung lag (wird zu klären sein), die Neu- bzw. Abwahl selbst fand erst im Anschluss statt. Zumindest ein erheblicher Teilbetrag wird wohl beim Sender hängen bleiben und dann wird der Sender hoffentlich die beteiligten Personen (Autorin, Chefredaktion, Juristin, u.s.w.) intern zur Haftung heranziehen.

    Spannend bleibt dann natürlich, wie mit dem Bericht umgegangen werden wird. Dieser sollte der Transparanz diesen, unterstützt jedoch wahrscheinich das Klagebegehren.

    Wie steht es den eigentlich um das Ombudsverfahren. Das hätte doch eigentlich auch schon unlängts erledigt sein sollen.

  • "Schadensersatz vom Sender. Der sagt: unangemessen. "



    Prima, das passt ja dann offenbar zur Berichterstattung.

  • Was ist jetzt die Nachricht (außer, daß es bei Business Insider stand)? Und weshalb hängt man sich jetzt aus dem Fenster, ohne die zugrundeliegenden Fakten prüfen und bewerten zu können? Nur, weil es bei der Konkurrenz über den Ticker läuft?

    www.faz.net/aktuel...uro-110324225.html

  • 1,7 Millionen Euro unangemessen ?

    Stimmt!

    Für die Zerstörung eines Menschen völlig unangemessen.

    Es müsste zehnmal mehr sein !

    Aber ich weiß schon, wie es ausgeht,



    So, wie es in D immer ausgeht wenn der kleine Mann was will.

    • @Bolzkopf:

      Genau so ist es!

    • @Bolzkopf:

      Es gibt in D - glücklicherweise - nur Schadenersatz, wenn einer einen Schaden verursacht hat. Das ist - ebenso glücklicherweise - von der Justiz zu beantworten und nicht von Medien, die an so einer Geschichte ein gewisses Eigeninteresse haben.

      • @dtx:

        Die Justiz wird hier allenfalls noch über die Höhe der Entschädigung zu befinden haben, nicht aber über die Rechtmäßigung der Forderung an sich.

      • @dtx:

        Man kann es mit Unschuldsvermutungen und Verweisen auf Zuständigkeiten auch übertreiben. Was bisher zur Causa Gelbhaar bekannt geworden ist, ist doch wohl Beweis genug, dass die Vorwürfe, denen er politisch und menschlich zum Opfer gefallen ist, wohl doch nicht so klar sind, wie es anfangs erschienen ist.

        Und auch Gerichte können sich in der Sache irren, Richter sind nicht unfehlbar. Dass Herr Gelbhaar versucht, eine Entschädigung zu bekommen, ist absolut nachvollziehbar. Warum soll darüber nicht berichtet werden?

      • @dtx:

        Eigeninteresse der Medien.



        Guter Punkt.



        Es geht um Haftung bei grober Fahrlässigkeit. Das, was der RBB hier verbockt hat, hätte man früher nur der Bildzeitung zugetraut. Jetzt macht so etwas der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk. Da sitzt zur Zeit das Geld sowieso recht locker, s. Schlesinger.



        Ich finde die 1,7 Mio. massvoll.