Grüne vor der Bundestagswahl: Auf Distanz zu Jamaika
Eineinhalb Wochen vor der Wahl: Die Grünen-Spitze signalisiert, dass sie die Bündnisoption mit Union und FDP für problematisch hält.
Doch nun, eineinhalb Wochen vor der Wahl, signalisiert die Grünen-Spitze, dass sie zumindest eine Bündnisoption für hochproblematisch hält: den Schulterschluss mit CDU, CSU und FDP, kurz: Jamaika. Am Sonntag findet in Berlin ein Länderrat statt, die Grünen wollen sich Mut für den Endspurt machen. Und der Bundesvorstand formuliert in einem Antrag ungewöhnlich scharfe Kritik an Union und FDP.
„Eine Neuauflage von Schwarz-Gelb bedeutet sozialen und ökologischen Rückschritt“, heißt es in dem Papier, das am Mittwochabend ins Netz gestellt wurde. Die Koalition zwischen 2009 und 2013 sei die schlechteste Koalition der letzten Jahrzehnte gewesen. Fast eine Seite lang arbeiten sich die Spitzengrünen dann an der FDP und an Schwarz-Gelb ab. Sie deklinieren die zahlreichen Themen durch, bei denen die Parteien weit auseinander liegen.
Mit FDP und Schwarz-Gelb verfehle Deutschland seine Klimaschutzziele, werde der Verbrennungsmotor unter Bestandsschutz gestellt und würde sich die europäische Spaltung vertiefen, schreibt die Grünen-Spitze. Zwar fällt nirgends das Wort „Jamaika-Bündnis“, die offizielle Strategie der Eigenständigkeit wird nicht angetastet. Dennoch signalisiere der Antrag, wie groß die Zweifel seien, den Steigbügelhalter für Union und FDP zu spielen, heißt es im Bundesvorstand. Dass der Antrag angenommen wird, ist so gut wie sicher.
Özdemir und Göring-Eckardt haben in den vergangenen Tagen deutlicher Zweifel an der Jamaika-Option formuliert als zu Beginn des Wahlkampfes. Für diese Koalition fehle ihnen jegliche Phantasie, heißt es unisono, hinter dem modernen Image Christian Lindners stecke die alte FDP. Freidemokraten negierten die Klimakrise, für sie seien Windräder die Hauptgegner, sie würden die EU mit Ideen wie einem Austrittsrecht für einzelne EU-Staaten in eine neue Krise treiben.
Jamaika, so die Botschaft der Spitzengrünen, hätte wegen riesiger Differenzen kaum eine Chance. Mit dem Antrag für den Länderrat verstärken die Grünen diese Botschaft noch, die grüne Wählermilieus mobilisieren soll. Eines wird in der Ökopartei allerdings von keinem bestritten: Wenn das Wahlergebnis nur eine Große Koalition oder ein Jamaika-Bündnis zulässt, wie es sich in Umfragen andeutet, dann würden die Grünen diese Option ernsthaft verhandeln. Alles andere sei nicht vermittelbar und würde als Flucht vor Verantwortung gedeutet, heißt es.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt