Grüne und Jamaika-Koalition: Streit um den Soli
Den Soli ersatzlos streichen? Kurz vor den Jamaika-Sondierungen geißeln grüne Finanzexperten die Pläne der FDP als „extrem ungerecht“.
Berlin taz | Kurz vor dem Start der Jamaika-Sondierungen kritisieren grüne Finanzpolitiker die Steuerpläne der FDP. „Die Pläne der FDP beim Soli sind extrem ungerecht“, sagte Lisa Paus, die Steuerexpertin der Grünen-Fraktion, am Dienstag der taz. Von einer ersatzlosen Abschaffung – wie von der FDP gewollt – profitierten vor allem Menschen mit hohen Einkommen und Unternehmen. „Es kann nicht sein, dass am Ende der Chefarzt mehr profitiert als die Krankenschwester“, so Paus.
Sven-Christian Kindler, der Haushaltsexperte der Grünen-Fraktion, sagte der taz: „Eine ersatzlose Streichung des Solis würde ein schwarzes Loch in den Bundeshaushalt reißen.“ Deutschland habe aber ein großes Investitionsdefizit. Man brauche das Geld für bezahlbare Wohnungen, gute Kitas und Schulen, öffentlichen Nahverkehr und Klimaschutz. „Die FDP ist immer noch die FDP alter Schule“, sagte Kindler. „Steuersenkungen für Besserverdiener first, Zukunftsinvestitionen second.“
FDP-Chef Christian Lindner hatte eine ersatzlose Abschaffung des Solidaritätszuschlags zur Bedingung für eine Koalition mit Union und Grünen erklärt. „Ein Jamaika-Steuerkonzept kann es nur geben, wenn es das Ende des Solidaritätszuschlags umfasst, ohne dass den Menschen das Geld an anderer Stelle wieder aus der Tasche gezogen wird“, sagte Lindner der Bild am Sonntag. Die FDP will den Soli bis Ende 2019 streichen. Dann laufen Transferleistungen für ostdeutsche Bundesländer aus, für die der Soli ursprünglich eingeführt worden war.
Der Staat müsste bei einem schnellen Wegfall des Soli auf Einnahmen in Milliardenhöhe verzichten. Die Abgabe spült laut der aktuellen Steuerschätzung 2019 rund 19 Milliarden Euro in die Staatskasse, 2020 wären es 20 Milliarden, 2021 knapp 21 Milliarden Euro.
Auch die Union will die Abgabe abschaffen, allerdings langsamer als die FDP. Sie verspricht, den Soli ab 2020 schrittweise „schnellstmöglich“ auslaufen zu lassen. Er liegt derzeit bei 5,5 Prozent der Einkommen-, Kapitalertrag- und Körperschaftsteuerschuld. Ein Wegfall würde am stärksten Gutverdiener entlasten. Niedrigverdiener sind von der Abgabe befreit.
Leser*innenkommentare
Frank Stippel
Die Schaumweinsteuer wurde 1902 eingeführt um die kaiserliche Flotte zu finanzieren. Sie wird heute noch erhoben. Wer glaubt der Solidaritätszuschlage würde ersatzlos abgeschafft, kann sich das ja schöntrinken.
571 (Profil gelöscht)
Gast
@Frank Stippel Irgendwo auf dem Erdenrund wird es schon noch eine kaiserliche Flotte geben, die das "ertrunkene" Geld immer noch gut gebrauchen kann...
Reinhold Schramm
Info.-Empfehlung
Einigkeit und Export
Koalition Jamaika ist kein erzwungenes Bündnis.
Es wächst vielmehr zusammen, was zusammengehört.
Die AfD kann sich freuen
Von Georg Fülberth | Ausgabe 41/2017
User-Kommentar von „Gelse“:
»Sehr realistisch war auch die Einschätzung der "S"PD
von Konrad Adenauer: "Die SPD wird nicht gebraucht, denn
das bisschen Opposition können wir auch selber machen"«
Vgl.: http://www.freitag.de/autoren/georg-fuelberth/einigkeit-und-export
571 (Profil gelöscht)
Gast
Den Soli sollte es eigentlich schon längst nicht mehr geben.
Geht es mit den Abschaffungsankündigungen so weiter wie bisher, erreicht er möglicherweise noch die Lebensdauer der Sektsteuer, und die hat mittlerweile stolze 115 Jahre hinter sich, wobei niemand weiß, warum es die überhaupt noch gibt...
agerwiese
@571 (Profil gelöscht) Mit Soli zahlen vorwiegend diejenigen ca. 16 Mrd p.a., die es auch zahlen sollten. Woher sollten die 16 Mrd. dann kommen? MWSt oder doch einsparen?
agerwiese
Wohl die beste Analyse zu Jamaika:
https://www.freitag.de/autoren/georg-fuelberth/einigkeit-und-export
Man kann das also unter "rituelle Betriebsgeräusche" abhacken. Am Ende wird es bei wirtschaftsorientierter Politik "mit grünen Akzenten" bleiben. Keiner will was anderes.
insLot
Wenn man eine Abgabe abschafft, profitiert konsequenterweise immer derjenige, welcher durch diese bisher am stärksten belastet war.
Wenn der ursprüngliche Zweck einer Abgabe entfällt ist es absolut zu begrüßen, wenn diese dann auch weg fällt. Eine Maßnahme die bei vielen Bürgern durchaus geeignet ist Vertrauen in die Redlichkeit der Politik hinzuzugewinnen. Denn bei der Einführung des Soli war nie von einer Dauerabgabe die Rede.
Und wenn die Grünen wirklich was für Geringverdiener tun wollen, sollen Sie sich mal die EEG-Umlage anschauen. Die kennt nämlich auch keine soziale Komponente und verteilt seit Jahren Geld von unten nach oben um!
Andreas V.
@insLot Die EEG-Umlage ist insofern ungerecht, dass die energie-intensive Industrie teilweise befreit ist. Was die Konzerne sparen, zahlen die Bürger drauf. Grüne und Linke fordern, das zu beenden. http://taz.de/!5453389/
insLot
Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Warum hat man nicht einen Freibetrag in kWh von Anfang an eingeführt? Was weiß ich 2.000 kWh pro Jahr.
Aber als man die Abgabe einführte erklärte uns Trittin in seiner grenzenlosen Weitsicht, dass die Umlage den Bürger nicht mehr als 1 Kugel Eis im Monat kosten würde. Er hat sich ja auch lediglich um etwa 3000% verrechnet. Kann ja mal vorkommen.
571 (Profil gelöscht)
Gast
"Kann ja mal vorkommen."
Genau, aber an Ihrer Stelle würde ich das mit den 3000% nicht so stehen lassen.
Auch verrechnet?
insLot
Warum? Die EEG-Umlage ist Umsatzsteuerpflichtig!
4500 kWh p.a. * (0,0688€ * 1,19) / 12 Kugeln Eis (a 1€) = 30,702 = 3070,2%
Ok, genau genommen also nur 2970,2% teurer als behauptet!
Aber das alles ist natürlich nur eine Frage der Perspektive, bei einem Stromverbrauch von 150 kWh pro Jahr kommt man mit der einen Kugel Eis pro Monat hin.
Bitbändiger
@Andreas V. Nur am Rande: Der frühere Wirtschaftsminister Philipp Rösler, FDP (bis 2013), hat sich sehr darum verdient gemacht, "Befreiungen" von der EEG-Umlage besonders freigiebig an die Unternehmen zu verteilen. (Dies nur einer der Gründe, warum die FDP zu Recht aus dem Bundestag geflogen ist - aber der Wähler vergisst ja schnell, auch wenn Strahle-Lindner jetzt gerade so weitermacht...)
PS
Wer bei der Einfuehrung einer Angabe ueberproportional belastet wurde, wird bei deren Abschaffung auch wieder ueberpoportional entlastet. Wo ist da das bitte "extrem ungerecht"? Das ist gerecht!
39167 (Profil gelöscht)
Gast
Nur Gutverdiener würden profitieren? Das halte ich für ein Gerücht.
Dafür:
"Dann laufen Transferleistungen für ostdeutsche Bundesländer aus, für die der Soli ursprünglich eingeführt worden war."
wurde der Soli eingeführt. Dass jeder Steuerzahler jetzt weiterzahlen soll für sonstige Einnahmen, das ist ein Betrug und eine grandiose Veräppelung.
Es wird immer wieder behauptet, Deutschland sei ein reiches Land.
Na , dann! Wo ist das Geld denn? Verschwunden kann es ja nicht sein. Wäre mal wissenswert wo es denn ist.
agerwiese
"Verschwunden kann es ja nicht sein. "
Oh doch.
http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/sparen-und-geld-anlegen/nachrichten/viel-geld-auf-dem-konto-deutsche-sind-sehr-schlechte-kapitalanleger-12591559.html
Und glauben Sie mir - diese 600.000.000.000 sind nur die Spitze (also wohl ca. 1/10) des Eisbergs. Hierzulande stagnieren (oder steigen nur leicht) die Löhne, wird kaum investiert oder gekauft. Und wir sind doch Exportweltmeister - also wird's wahrscheinlich gehortet. Ohne Rücksicht auf Verluste ;)