Grüne gegen Cornern in Hamburg-Altona: Abhängen unerwünscht
Altonas Grüne wollen das Cornern, also das Rumhängen und Trinken am Kiosk, einschränken. Ein Alkoholverbot für den Straßenverkauf ist aber nicht mehrheitsfähig
„Die Beschwerdelage ist massiv“, sagt der Bezirksabgeordnete Holger Sülberg. Zwar gebe es nicht so viele Beschwerden, wie etwa im Schanzenviertel – aber die, die sich beschweren, seien besonders verzweifelt über den Lärm und die vollgepinkelten Hauseingänge. Die Idee sei aber, nicht die Leute zu gängeln, die in Ottensen cornern, sondern die Gesetze für die Kioske zu ändern. Deshalb fordert die Fraktion, der Senat solle die Landesgesetzgebung prüfen. „Mit der aktuellen Gesetzgebung haben wir keine Handhabe“, sagte Sülberg.
Außerdem wollen die Grünen erreichen, dass die Bezirksämter stärker zusammenarbeiten. Im Bezirk Mitte wurde bereits im vergangenen November über ein Gesetz diskutiert, das den Alkoholverkauf an Kiosken einschränken sollte. Passiert ist bisher nichts. Die gleiche Idee – ein Alkoholverkaufsverbot nach 22 Uhr – hatten Altonas Grüne auch, in einer zweiten Version haben sie es aber deutlich entschärft. Von einem Verbot ist nun nicht mehr die Rede. Man müsse zusehen, dass man Mehrheiten bekomme, sagt Sülberg als Erklärung.
Dass der Vorschlag in der entschärften Version heute von der Bezirksversammlung angenommen wird, ist dennoch unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass er zur weiteren Diskussion in den Ausschuss für Umwelt, Verbraucherschutz und Gesundheit gegeben wird. Dafür wird unter anderem die Linksfraktion stimmen, „um einen Schnellschuss zu verhindern“, wie deren Vorsitzender Robert Jarowoy sagte.
Die SPD sei noch nicht entschieden, sagte Anne-Marie Hovingh, die Beisitzerin im Fraktionsvorstand ist. Sie ärgerte sich allerdings, dass der Antrag nun schwammiger und unkonkreter sei als in der ersten Fassung – es böte sich jetzt nicht mehr so viel Angriffsfläche, um den Vorschlag ganz abzuschmettern.
Das Cornern am Alma-Wartenberg-Platz gehört für Hovingh zum Stadtteilleben, und die Entwicklung des Platzes zum beliebten Treffpunkt sei eine positive Aufwertung. „Diese gesellschaftlichen Prozesse politisch zu reglementieren, finde ich schwierig“, sagte sie. Außerdem werde man mit landesweiten Regelungen den jeweiligen Eigenheiten der Viertel nicht gerecht – das sei, wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen.
Der Sprecher des Altonaer Bezirksamts, Martin Roehl, hält es indes für unwahrscheinlich, dass sich demnächst die Gesetze bezüglich des Cornerns überhaupt ändern – das Thema betreffe zu viele Bereiche wie Gaststättengesetze, Ladenöffnungszeiten oder Verkehrsgesetze. „Das juristisch unter einen Hut zu kriegen, ist nicht einfach.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier