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Grüne Mit­strei­te­r*in­nen aus Friedrichshain-Kreuzberg zum Tod von Ströbele„Ein Vorbild für viele Generationen linker Ak­ti­vis­t*in­nen und Politiker*innen“

Hans-Christian Ströbele ist tot: der Weltverbesserer, der Anwalt gegen Ungerechtigkeit und Willkür, der Kämpfer gegen Autoritäres und das angeblich Alternativlose. Er ist in seinem politischen Leben der Republik und ihren staatstragenden Ver­tre­te­r*in­nen mächtig auf die Nerven gegangen. Egal, wie sie versucht haben, ihn zu stoppen – es war ihm Ansporn und Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein.

Hans-Christian war eng verbunden mit seinem Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg, hier hat er seine Ideen und seine Pläne diskutiert und abgestimmt. Er fühlte sich seinen Wäh­le­r*in­nen im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer-Berg-Ost nicht nur verbunden, sondern verpflichtet – hier war die Messlatte seiner Politik.

Er war und ist Vorbild für Generationen linker Ak­ti­vis­t*in­nen und Po­li­ti­ke­r*in­nen weit über die grünen Parteigrenzen hinaus. Er zeigte, dass Mut und Beharrungsvermögen für die Sache Situationen verändern und verbessern können. Er zeigte, dass niemand im Mainstream schwimmen muss, wenn die Richtung nicht stimmt; dass Macht und die Mächtigen nichts ist, was nicht in Frage gestellt werden kann; dass die Demokratie nicht selbstverständlich ist, sondern jeden Tag neu erkämpft werden muss.

Er war bei den Menschen. Er war nicht unnahbar, sondern mittendrin. Keine Sorge, kein Problem waren zu klein, als dass er sich mit seinem Team nicht gekümmert hätte. Er machte große Weltpolitik ebenso wie Alltagspolitik im Kleinen. Er war das, was wir einen Volksvertreter nennen. Monika Herrmann

Monika Herrmann war von 2012 bis 2021 grüne Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg

Hans-Christian Ströbele ist am Dienstag gestorben. Meine Gedanken sind bei seiner Ehefrau Julia­na und seiner Familie. Ich bin ihm dankbar, und er wird mir und uns als Politiker*innen, als Rechtsanwält*innen, Fried­richs­hainer*innen, Kreuz­ber­ge­r*in­nen und Ber­li­ne­r*in­nen sehr fehlen.

Ich habe Ströbele viel zu verdanken. Weil er erkannte, dass ich seine Werte und seinen Anspruch teile, unterstützte er meine Kandidatur für den Deutschen Bundestag 2017, wo ich seine Nachfolge als Direktkandidatin im Wahlkreis 83 antrat. 2021 unterstützte er meine erneute Kandidatur, die ebenfalls mit Direktmandat den weiteren Kampf für eine Friedenspolitik in seinem Sinne ermöglicht.

Ich erinnere mich gerne an unseren gemeinsamen Kampf für geflüchtete Menschen vor acht Jahren in der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg, die ein Bleiberecht forderten. Hans-Christian, damals 75 Jahre, kletterte über eine Leiter durch eine Luke aufs Dach, um mit den Protestierenden zu sprechen. Sie halfen ihm hoch, feierten ihn und sprachen lange mit ihm über ihre Forderungen. Wir erreichten, dass sie in der Schule bleiben durften – und erreichten damit in der Flüchtlingspolitik bundesweit Veränderungen in der Asylgesetzgebung.

Das war überhaupt seine Rolle: aus dem Bezirk heraus die großen Fragen der Bundespolitik verhandeln. Damit stellte er sich oft auch gegen die Partei. Innerhalb der Partei vertrat er stets integer seine Werte: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Antidiskriminierung und Friedenspolitik. Letzteres vertrat er auch in Regierungszeiten, sogar gegen den eigenen grünen Außenminister. Mit dem Wahlslogan „Ströbele wählen heißt Fischer quälen!“ konnte er das bundesweit erste Direktmandat der Grünen für den Deutschen Bundestag gewinnen.

Canan Bayram

Canan Bayram ist als direkt gewählte Abgeordnete im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer-Berg-Ost Nachfolgerin von Ströbele

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