Grüne, Giffey und Löw: Schöne Scheiße
Giffey geht, doch auf sie folgt erst mal niemand. Dafür kandidiert Özdemir als Feind im eigenen Haus. Und gibt’s keine guten Nachwuchslöws mehr?
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: ESC-Sieger soll auf Drogen getestet werden.
Und was wird in dieser besser?
Lasst ihm den Sieg, auch wenn er nüchtern war.
Wegen ihrer Plagiatsaffäre ist Franziska Giffey als Familienministerin zurückgetreten. Aber zur Regierenden Bürgermeisterin von Berlin reicht’s noch oder wie?
Erst mal werden uns Giffeys kindgerecht pürierte Gesetzesnamen fehlen: Gute Kita, Starke Familie, zum Abschied: Schöne Scheiße. Berliner Fraktionschef Saleh quengelte Bürgermeister Müller weg, den Sawsan Chebli dann nochmal kurz durchdemolierte, bevor Giffey wiederum Saleh ausbremste und – wirtschaftlicher Totalschaden. In besseren Zeiten sandten dann Bundesparteien Gouverneure nach Berlin: von Weizsäcker, Hans-Jochen Vogel, durchaus erfolgreiche Insolvenzverwalter. Aus Giffeys unrunder Entscheidungsfindung eine schlüssige Erzählung zu machen wird schwer. Im Wahlkampfslogandeutsch: „Andere tun naiv und dreist. Ich bin es.“
Apropos Familienministerin: Der Posten wird wegen der anstehenden Bundestagswahl nicht neu besetzt. Stattdessen übernimmt Justizministerin Christine Lambrecht so lange geschäftsführend und regelt das nebenbei. Ist halt nur Gedöns, oder?
Verzagt. Das würdefreie Doktorspiel Giffeys war absehbar, man hätte die Zeit nutzen können, Vorgängerin Barley aus Europa loszueisen. Wenn’s für die paar Monate nicht mehr lohnt, könnte man auch gleich aus der Regierung austreten und einen entfesselten aggressiven Wahlkampf führen. Familien und Kinder tragen die Hauptlast an der Pandemiepolitik, das kommt auf den leisen Skandal der Kinderarmut noch oben drauf. Wenn es weder richtig richtig noch richtig falsch läuft, ist es sozialdemokratisch.
Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock meldet dem Bundestag Nebeneinkünfte nach. Die Angaben für die Jahre 2018 bis 2020 wurden vergessen, sie selbst nennt das ein „blödes Versäumnis“. Und auch Ex-Grünen-Chef Cem Özdemir meldet nun 20.500 Euro nach. Bisschen vergesslich die Grünen?
Eine Strategie bei Unternehmensberatungen heißt „Sabotage“ und geht so: Leitende Mitarbeiter der Firma werden zu einer Gruppe geformt, die den tödlichsten Angriff auf die eigene Firma planen soll. Daraus kann man Schutzstrategien entwickeln oder auch ein schickes Start-up ausgründen. Bei Baerbock sind nun Gatte, Studienabschluss, Nebeneinkünfte, rhetorische Salti bekannt; hier hätte eine grüneninterne Sabotagegruppe vielleicht vorbeugen können. Für den Vorsitz der Feind-im-eigenen-Haus-Gruppe kandidiert Özdemir, der den ganzen Schlamm bei seiner tollstpatschigen Bonusmeilenaffäre eigentlich schon mal durchhatte.
In seinem EM-Kader setzt Joachim Löw auf altbekannte Stars wie Thomas Müller und Mats Hummels. Gibt ’s denn keine guten Nachwuchsspieler mehr?
Löw schied mit den Veteranen bei der WM schändlich aus, und ohne sie gab’s drauf die 0:6-Klatsche gegen Spanien. Am Anfang stand Löw für das Ende der Platzhirsch-Mannschaften, heute möchte man fragen: Gibt’s keine guten Nachwuchslöws mehr?
Italien hat den Eurovision Song Contest in Rotterdam gewonnen. Wer war Ihr:e Favorit:in?
Es ist ein erschütternder Moment, wenn der eigene Favorit gewinnt. Hä, ich, ESC? Die Enkel von „Slade“ räumten ein erfrischend vielfältiges Teilnehmerfeld, in dem ein halbes Dutzend Acts chancenreich wirkten. Und, noch überraschender: sich voneinander unterschieden. Zur deutschen Ausbeute war genug Häme unterwegs; ein Putschversuch des Kinderkanals gegen die Realität. Für einen sicheren letzten Platz muss man jedoch aus der EU austreten, Royaume Uni zero points. „Island hat nur so viele Einwohner wie Bielefeld oder Wuppertal“, also deutscher Auswahlmodus künftig: Publikum statt Jury, oder man schickt die beste Band von Wuppertal.
In vielen Städten und Kreisen wurden Coronamaßnahmen wegen gesunkener Inzidenzen aufgehoben. Zu Pfingsten durften Cafés und Restaurants ihr Außenangebot öffnen. Haben wir es geschafft?
Im Eiscafe „Mandoliti“ in Wetter an der Ruhr darf man mit Test an den Bistrotisch, ohne zwei Meter daneben aufs kommunale Steinbänkchen. Geht.
Das Beste kommt zum Schluss: Happy Birthday, Herr Küppersbusch. Wir wünschen Ihnen nur das Beste zu Ihrem runden Geburtstag. Und was wünschen Sie sich für Ihr neues Lebensjahr?
Danke! Und psssst. Die mir eigene Bescheidenheit gibt mir auf, stets dahin zu wirken, dass es den 80sten von Bob Dylan nicht wieder überschattet.
Und was machen die Borussen?
Bayern ersetzt Flick durch Nagelsmann, Dortmund Terzić durch Rose, der in Gladbach durch Hütter, weswegen Flick statt Löw und Terzić nach … Das Saisonende 20/21 wartet mit einer neuen Attraktion auf, wie nach Weihnachten: Trainer-Schrottwichteln.
Fragen: Carolina Schwarz, Volkan Ağar
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?