Gründer von 5-Sterne-Bewegung in Italien: Beppe Grillo muss gehen
Seit Jahren streiten der Parteichef Giuseppe Conte und der Parteigründer Beppe Grillo. Nun wählte die Bewegung ihren Parteivater ab.
Am Samstag und Sonntag hatte der gegenwärtige Anführer der Partei Movimento5Stelle (M5S) und frühere Ministerpräsident Italiens, Giuseppe Conte, zu einer „Konstituierenden Versammlung“ nach Rom geladen und zugleich alle Aktivist*innen im Land zu einem Online-Votum über die künftige Struktur und politische Ausrichtung der 5-Sterne-Bewegung aufgerufen.
„Nova“ hieß die Versammlung, und in der Tat wurde am Wochenende reichlich Neues verabschiedet. An erster Stelle stand die Tatsache, dass das M5S die Rolle des „Garanten“ aus dem Statut strich. Jene Rolle hatte der bisherige Übervater Beppe Grillo seit 2017 inne; er nutzte sie immer wieder, um per Veto wichtige Entscheidungen Contes zu torpedieren.
Erfolg in den Zehnerjahren
Grillo, im Hauptberuf Comedian, hatte die 5-Sterne-Bewegung im Jahr 2009 ins Leben gerufen, als Bewegung, die „weder rechts noch links“ stehen, sondern stattdessen den Unmut der Bürger*innen gegen „die da oben“, gegen die als korrupt und unfähig geschmähten „Altparteien“, repräsentieren sollte.
Zentrale Vorschriften für die Mandatsträger*innen sahen deshalb vor, dass diese sich ihre Diäten selbst radikal kürzten, um den großen Rest für gemeinnützige Zwecke abzuführen, und sie sahen ebenfalls vor, dass die M5S-Vertreter*innen für maximal zwei Legislaturperioden politische Ämter übernehmen durften.
Im krisengebeutelten Italien der Zehnerjahre griff diese Formel. Erstmals traten die Fünf Sterne im Jahr 2013 an. Der Wahlkampf bestand aus One-Man-Shows Grillos, der auf überfüllten Plätzen quer durchs Land als tobendes Rumpelstilzchen die alte politische Klasse beschimpfte – und der damit aus dem Stand 25 Prozent der Stimmen einfuhr. Bei den Wahlen 2018 kam das M5S dann sogar auf fast 33 Prozent und war endgültig zur festen Größe in der italienischen Politik geworden.
Zunächst bildete das M5S damals eine Regierung mit der rechtspopulistischen Lega – und Regierungschef wurde der völlig unbekannte Giuseppe Conte, ein parteiloser Jurist, der den Fünf Sternen nahestand. Conte blieb in diesem Amt auch, als ein Jahr später diese Koalition zerbrach und das M5S mit der gemäßigt linken Partito Democratico weitermachte. Und vor allem in der Covid-Krise erwarb der Jurist sich im Land große Popularität.
Conte löst sich von Parteigründer
Diese Popularität katapultierte ihn dann 2021 nach seinem Rücktritt als Ministerpräsident an die Spitze der Bewegung. Und Conte rückte in den folgenden Jahren von allen heiligen Kühen Grillos ab. Statt „weder rechts noch links“ sieht er das M5S als „progressive Kraft“ links der politischen Mitte, statt der Begrenzung auf zwei Legislaturperioden will er die politischen Talente der Bewegung auch länger im Einsatz sehen – und statt dem „Garanten“ Grillo, der ihm auch in diesen Fragen immer wieder reingrätschte, will er die alleinige Führung.
Die hat er nun. Grillo verzichtete seinerseits darauf, überhaupt nach Rom zur „Konstituierenden Versammlung“ anzureisen, und giftete hinterher bloß, das M5S habe sich „von Franziskanern zu Jesuiten“ gewandelt. Allerdings ist durchaus möglich, dass er zu rechtlichen Schritten greift, um Conte zu attackieren.
So könnte er – als bisheriger Garant – eine Wiederholung des Votums über seine zukünftige Rolle verlangen, und so könnte er auch einen Rechtsstreit über das Parteisymbol des M5S anzetteln. Denn Grillo behauptet, er allein habe das Urheber- und Nutzungsrecht an diesem Symbol. Noch also ist das letzte Wort über die faktische Neugründung des M5S unter dem neuen Übervater Conte nicht gesprochen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag