Großkonferenz im Tropenparadies: Die WTO verhandelt um ihr Leben
Die Welthandelsorganisation will den globalen Freihandel retten. Der Streit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern blockiert das Treffen.
BALI taz | Für ihre vielleicht letzte große Konferenz hat sich die Welthandelsorganisation das Tropenparadies Bali ausgesucht. Umgeben von Edelhotels und Stränden treffen sich die Delegierten aus den 159 Mitgliedsstaaten der WTO ab Dienstag. Sie sollen die „Doha-Runde“ retten, die vor zwölf Jahren in Katar begonnen wurde und ein globales Regelwerk für den Handeln mit Gütern, Dienstleistungen und geistigem Eigentum zum Ziel hatte.
Ein Konsens, bei den multilateralen Verhandlungen zwingend vorgeschrieben, ist aber nicht in Sicht. Vor allem die Industriestaaten beharren auf ihren Privilegien und wollen diese sogar noch ausbauen. Seit der WTO-Konferenz 2003 im mexikanischen Cancún halten die Entwicklungsländer dagegen, insbesondere Schwellenländer wie Indien und Brasilien wollen ihre Märkte vor Billigimporten schützen und setzen eigene Handelsinteressen über den Glauben, der Freihandel werde schon alles von alleine richten.
Eine Konferenz nach der anderen endete ergebnislos. Viele halten die WTO bereits für gescheitert und setzten auf bilaterale Freihandelsverträge – wie jetzt auch die USA und die EU, die über das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP verhandeln.
Der neue brasilianische WTO-Chef Roberto Azevedo will der Doha-Runde in Bali neues Leben einhauchen. Der erste Lateinamerikaner auf diesem Posten setzt auf Minimalkonsens. Statt eines globalen Abkommens geht es jetzt nur um Teilaspekte, das sogenannte Bali-Paket.
Es umfasst drei Themenblöcke: Die Industriestaaten wollen Import- und Zollbestimmungen vereinfachen, um leichter Handel treiben zu können. Entwicklungsländer wollen die geltenden WTO-Subventionsregeln verändern: Bisher dürfen sie keine staatlichen Nahrungsmittelreserven bilden, um die Ernährung in Krisenzeiten zu sichern.
Norden soll Agrarsubventionen halbieren
Zum anderen fordern sie, dass der Norden seine Agrar-Exportsubventionen halbiert, damit sie nicht mehr als Druckmittel in den Verhandlungen eingesetzt werden können. Der dritte Themenblock soll den ärmsten Staaten über Ausnahmeregelungen den Anschluss an die Weltwirtschaft ermöglichen.
Trotz der verkleinerten Agenda sind die Interessengegensätze zwischen dem Norden und dem Süden unverändert groß. Die ärmeren Staaten fürchten Nachteile und Mehrkosten durch vereinfachte Zollbestimmungen, die reicheren fürchten um ihre Agrarmärkte. So endeten die wochenlangen Vorverhandlungen am WTO-Sitz in Genf wieder einmal ohne Ergebnis. Zwar verkündete Azevedo am letzten Freitag doch noch einen Durchbruch, aber nur wenige halten das für ausreichend, um nun zu einem Konsens zu kommen.
Freude über das Stocken der WTO-Verhandlungen gibt es nur auf Seiten der Gegner des Freihandelsdogmas. Soziale Bewegungen und NGOs haben zu einer Protestwoche in Bali aufgerufen und wollen, wie schon 1999 in Seattle, später in Cancún oder 2005 in Hongkong darauf aufmerksam machen, dass Handel eigentlich den Interessen der Menschen und nicht in erster Linie den Unternehmen dienen sollte.
„Nach wie vor steht die WTO für grenzenloses Wachstum und setzt den Profit an vorderste Stelle“, kritisiert das Netzwerk „Soziale Bewegungen für ein Alternatives Asien“. „End WTO“ lautet das Ziel der zahlreichen Organisationen, die parallel zur WTO-Konferenz ein Protestcamp, zwei Global Action Days und Demonstrationen planen.
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