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Großbrand Notre-Dame in ParisTrauer und Betroffenheit

Mit dem Brand der Kathedrale ist ein Wahrzeichen von Paris teilweise zerstört worden. Die Feuerwehr wurde zur Heldin der Nacht.

Stand am Montagabend in Flammen: die Kathedrale Notre Dame in Paris

Paris taz | „Ich bin traurig, ein Teil von uns steht in Flammen“, schrieb der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, der an diesem Abend eigentlich eine Rede an die Nation halten wollte, auf Twitter in einer ersten Reaktion auf den schrecklichen Brand in der Kathedrale Notre-Dame von Paris. Ähnlich fühlen viele seiner Landsleute, und auch auch aus der ganzen Welt kommen Botschaften der Solidarität.

Laurent Wauquiez, Parteichef der französischen Konservativen „Les Républicains“ erklärte: „Ein ganzer Teil unserer Geschichte und von uns selber brennt.“ Für ihn bedeute dieses Gotteshaus ein „Symbol unserer christlichen Wurzeln“, ein Teil auch der Kultur, das durch Victor Hugos klassischen Roman „Der Glöckner von Notre-Dame“ weltweit verewigt worden ist. Katholiken und Gläubige anderer Konfessionen und Nichtreligiöse gleichermaßen sehen darum in der Notre-Dame mehr als nur eine Kirche oder eine Touristenattraktion. Die unmittelbaren Reaktionen zeugen von einer tiefen emotionalen Verbundenheit.

Die Nachricht vom Großbrand verbreitete sich in Windeseile, in Büros, Cafés, auf der Straße war der Blick auf Smartphones gerichtet. Die ersten Videos mussten befürchten lassen, dass dieses Meisterwerk gotischer Baukunst und Wahrzeichen von Paris der totalen Zerstörung anheimfallen müssten. In der Hauptstadt war die Rauchfahne und das Licht der orange-roten Flammen weithin zu sehen.

Den ganzen Abend über und weit in die Nacht hinein strömten aus allen Stadtteilen Menschen zur Seine-Insel, auf der die rund 850 Jahre alte Kathedrale lichterloh brannte. Die Polizei musste die Brandstätte weiträumig absperren und die Bewohner der benachbarten Gebäude auf der Ile de la Cité aus Sicherheitsgründen evakuieren. Das Spektakel der Katastrophe wirkte geradezu grotesk, als auf der Seine noch die letzten Bateaux Mouche mit Touristen still vorüber fuhren.

Brachten den Brand wieder unter Kontrolle: die Pariser „Pompiers“ Foto: ap

Am Ufer gegenüber der brennenden Kathedralen beteten Gruppen von Gläubigen auf Knien. Andere hatten schlicht die Hände gefaltet, viele weinten. „Ich bin keine sehr praktizierende Katholikin, aber ich bete zu allen Heiligen, Engeln und Erzengeln und zur Heiligen Jungfrau Maria, damit der Brand gestoppt wird. Wie ist so etwas nur möglich“, fragt Monique Jacob, die aus dem 13. Arrondissement gekommen ist. Als der lichterloh brennende Spitzturm, „la Flèche“, in sich zusammen stürzt und einen Teil des Dachstocks mit in die Tiefe reißt, geht ein Aufschrei durch die Menge.

Auch auf Distanz gehalten, fehlten den meisten ganz einfach die Worte, um ihre Betroffenheit auszudrücken. Andere dagegen redeten ununterbrochen. Alle waren schockiert, auch jene, die zunächst aus bloßer Neugier gekommen waren und dann in der Menge staden, die mit weit aufgerissenen Augen das traurige und unheimliche Spektakel des Brands in der Pariser Kathedrale Notre-Dame verfolgten. Unter ihnen waren viele Touristen, die ebenso von dieser Katastrophe im Innersten berührt schienen, wie die Französinnen und Franzosen, von denen einige gleich gegenüber der brennenden Kathedrale auf der anderen Seine-Uferseite wohnen.

Besucher aus den USA erklärten wiederholt, sie fühlten sich an den 11. September 2001 erinnert, als in New York das World Trade Center attackiert wurde. Immerhin wurde es in Paris mit Erleichterung aufgenommen, dass es sich bei der Notre-Dame nicht um ein Attentat und wohl auch nicht um vorsätzliche Brandstiftung handeln soll. Von Beginn an erklärten die Behörden, dass der Brand höchstwahrscheinlich auf die Bauarbeiten im Dachstock zurückzuführen seien.

Geretteter Kunstschatz

Spontan applaudierte die Menge, als weitere Fahrzeuge der Pariser Feuerwehr auffuhren. Die „Pompiers“ waren die Helden dieser Nacht. Ihnen ist es zu verdanken, dass die Notre-Dame nicht ganz zerstört wurde. Sie mussten für die Löscharbeiten Wasser aus der Seine pumpen, um es von hohen Leitern auf den Brandherd zu spritzen. Ein Feuerwehrmann wurde dabei schwer verletzt.

Später machte sich eine gewisse Erleichterung breit, als klar wurde, dass sowohl die beiden Türme und die Fassade wie auch größere Teile der Struktur gerettet wurden. Auch ein Teil der Kunstwerke und der Kirchenschatz samt Reliquien konnte in Sicherheit gebracht werden. Sonia Krimi, eine Abgeordnete der Regierungspartei République en marche, konnte zusammen mit dem Staatschef und mehreren Ministern später in der Nacht einen ersten Blick auf das Innere der Kathedrale werfen, in der noch Glut und kleine Brände gelöscht werden mussten. „Der Altar, die Mauern und auch ein großer Teil des Dachs sind intakt“, versicherte sie.

Trotzdem ist der Schaden enorm. Neben anderen Initiativen für Geldsammlungen hat Präsident Macron eine nationale und internationale Spendenkampagne gestartet: „Wir werden Notre-Dame wieder aufbauen, gemeinsam.“ Der französische Kunstmäzen und Konzerninhaber François Pinault (Besitzer der Luxuswarenholding Kering) hat dazu bereits 100 Millionen Euro versprochen. Milliardär Bernhard Arnault und dessen Luxuskonzern LVMH kündigten am Dienstag an, 200 Millionen Euro für die Rekonstruktion beizusteuern.

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13 Kommentare

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  • Am wenigsten leid tut es mir um die Pfaffen, die um ihre Reliquien bangen. Zu sehr ist mir gegenwärtig, was deren Organisation Andersgläubigen und Schwächeren angetan hat und noch antut. Deschners "Kriminalgeschichte des Christentums" ist noch im Hinterkopf.

    Mehr leid tut es mir für die einfachen Leute, für die Notre Dame viel mehr war als eine Kirche. Gut, daß man das Teil vielleicht noch wieder aufbauen kann.

    Am meisten leid tut mir das Gebäude als Kulturdenkmal. Gut, daß es nicht total zerstört wurde.

    Daß Notre Dame nun wohl (glücklicherweise) mit Steuergeldern auch von Atheisten, Heiden, Buddhisten, Muslimen, Juden, Shintoisten, Taoisten usw. wieder aufgebaut wird, sollte man im Vatikan gefälligst zur Kenntnis nehmen... aber so richtig glauben kann ich das nicht...

    • @kditd:

      so weit ich weiss, hat sich um 1900 der französische Stadt staat komplett von der Kirche abgekoppelt. da muss dann wohl der Vatikan ran

  • tut mir leid, aber ich kann diese ganze trauer nicht teilen. immer schade, wenn etwas kaputt geht, aber mein erster gedanke war, an symbolik kaum zu uebertreffen - das ist der zustand der katholischen kirche. ist dann doch nur ein gebaeude. vielleicht kann man es ja abreissen und hat dann platz fuer tolle luxus appartment wohnungen? kleiner scherz. ja, es ist ein landmark und fuer die stadt paris von grosser bedeutung. aber erst diese tiefe weltweite betroffenheit, und dann stehen sofort gleich zwei der reichsten familien bereit und spenden 300 mio ist doch kapitalismus par excellence. die polkappen schmelzen, unserer habitat ist in groesster gefahr, die ganze erde ist schon verseucht mit mikroplastik, wir alle ringen um konkrete massnahmen. aber der aufbau einer alten kirche ist es natuerlich viel mehr wert, als gebaeude zu daemmen oder solarpanele auf alle daeche zu setzen um endlich die welt mit 100% erneuerbarer energie zu versorgen. weil es eben zwei milliardaersfamilien es so entscheiden, die durch den weltweiten konsum von luxusguetern so steinreich geworden sind, dass es schmerzt.

    • @the real günni:

      ja, so habe ich in etwa auch gedacht...

    • @the real günni:

      Mittelalterliche Reflexe funktionieren eben noch: Damals haben Reiche auch gespendet, damit sie nicht "in die Hölle" kamen... sie wissen schon, warum :-D

      • @kditd:

        Richtig und Zustimmung.



        Wir haben da, mit einer kleinen Zahl von Superreichen wieder mittelalterliche Verhältnisse. Die spendeten jedoch schon damals eher nicht aus Furcht vor der Hölle.



        Vielmehr gehörte, wie Johann Most ausführt,



        "(...)Der Gottesblödsinn und die Religionsduselei entschieden zum Geschäft.



        Ja, es ist für die herrschenden und ausbeutenden Klassen geradezu Lebensfrage, ob das Volk religiös versimpelt wird oder nicht. Mit dem Religionswahnsinn steht und fällt ihre Macht."



        Johann Most weiter:

        "Je mehr der Mensch an der Religion hängt, desto mehr glaubt er. Je mehr er glaubt, desto weniger weiss er. Je weniger er weiss, desto dümmer ist er. Je dümmer er ist, desto leichter kann er regiert werden! – – "



        ("Die Gottespest", Johann Most, 1887)



        anarchistischebibl...ie-gottespest.html

  • In erster Linie ist nur das Dach kaputt. Das hätte doch schlimmer kommen können, oder?



    Solche Altbauten brennen grundsätzlich irgendwann einmal.

    Immerhin haben die Franzosen nun die Gelegenheit, einen etwas feuerfesteren Dachstuhl einzubauen.

    Das Ulmer Münster hat bereits im 19. Jahrhundert einen eisernen Dachstuhl bekommen.



    Dadurch ist im Dach wesentlich weniger brennbares Material vorhanden.



    Das Ulmer Münster hat nur deshalb den Krieg überlebt, weil man die Chance hatte, Brände im Dach zu löschen.

  • Jetzt hat auch Paris sein "Ground Zero". Traurig.

    • @Trango:

      Ist das ein ernsthafter Vergleich?

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Trango:

      Diese Assoziation hatte ich auch zuerst. Vielleicht aber auch nur wegen der medialen Aufbereitung/ Inszenierung. Fernsehen kann man sich die nächsten Tage wohl sparen.

      Für mich interessanter wäre es, Fragen zu stellen. Etwa die: wird die Brandursache gefunden? Wer profitiert von dieser 'Katastrophe'? Ist es überhaupt eine solche?

      Fragen über Fragen. Mit weitreichenden Antworten halte ich mich erst einmal zurück.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Ja ja,



        Die Gläubigen haben die "Nur Fragen stellen" Retorik von Oberverschwörungs-Guru Ganser natürlich voll verinnerlicht.



        Ich hatte mir die Frage gestellt, wie lange es wohl dauern würde, bis aus dieser Ecke das erste Verschwörungs-Gemunkel laut wird.



        Ich biete hier mal wieder eine Kiste Sekt gegen eine Dose Aldi-Bier, dass es keine Woche dauern wird, bis das Geschehen bei Ganser, Jebsen, Nuo-Viso und wie die Berufs-Verblöder noch so heißen zum Teil einer "Operation" mutiert ist.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @76530 (Profil gelöscht):

        Mich hat das auch erschüttert. Natürlich nicht so wie Bataclan oder Charlie Hebdo.

        Vor allem die Reaktionen der Leute haben mich beeindruckt. Diese unverstellte Emotionalität.

        Lassen wir einen Großen sprechen:

        "Da stehe ich auf der Brücke und bin wieder mitten in Paris, in unserer aller Heimat. Da fließt das Wasser, da liegst du, und ich werfe mein Herz in den Fluss und tauche in dich ein und liebe dich."

        Tucholsky, Ein Pyrenäenbuch

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Ich hoffe, es war ein Unfall. Die Franzosen werden das Gebäude sicher wieder aufbauen. Fluctuat nec mergitur...