Groß-Demonstration in London: Für ein zweites Brexit-Referendum
Mehr als 500.000 Menschen haben laut Veranstaltern an der Anti-Brexit-Demo teilgenommen. Sie wollen über ein finales Abkommen zum EU-Austritt abstimmen.
LONDON afp/dpa | In der britischen Hauptstadt London haben am Samstag zehntausende Menschen für ein weiteres Referendum über den EU-Austritt demonstriert. Die Teilnehmer der Kundgebung forderten, dass die Wähler über ein – bis heute noch nicht vorliegendes – Austrittsabkommen abstimmen dürfen. Viele äußerten die Hoffnung, den Austritt ihres Landes aus der EU so doch noch abwenden zu können.
Die Demonstranten zogen bei schönem Spätsommerwetter vom Londoner Hyde Park in Richtung Parlament. Mehr als 500.000 Menschen haben nach Veranstalterangaben an einer Anti-Brexit-Demonstration in London teilgenommen. Die Organisatoren hatten angegeben, bis zu 100.000 Teilnehmer zu erwarten. Die Kundgebung fand statt unter dem Titel „People's Vote March“ – also „Marsch des Volksvotums“. Der Slogan bezieht sich auf das geforderte zweite Referendum.
Kundgebungsteilnehmer begründeten die Forderung damit, dass die Bürger bei dem letztlich erfolgreichen ersten Brexit-Referendum vor zwei Jahren über die Folgen getäuscht worden seien. „Die Bürger sind in mehrerlei Hinsicht irregeführt worden“, sagte der Demonstrant Peter Hancock. Der Brexit werde in der Realität anders aussehen als es sich viele Wähler erhofft hätten.
Die Briten hatten sich in einem Referendum 2016 knapp für den Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union ausgesprochen. Der Austritt soll bis Ende März 2019 vollzogen sein.
Die Verhandlungen zwischen London und Brüssel über die Modalitäten des Brexit brachten bislang keine Einigung. Premierministerin Theresa May steht gleich von mehreren Seiten unter Druck, auch in ihrer eigenen Partei. Viele Briten treibt inzwischen die Sorge um, dass es angesichts der Differenzen zwischen London und Brüssel zu einem chaotischen Brexit ohne vertragliche Regelungen kommen könnte. Dies würde Folgen für alle Lebensbereiche haben und voraussichtlich zu wirtschaftlichen Einbußen führen. Zuletzt mehrten sich in Großbritannien die Stimmen, die ein neues Referendum fordern.
Leser*innenkommentare
Hans aus Jena
Leider haben die Demonstanten bei den im Parlament vertrtenen Parteien (außer den mittlerweile wieder marginalen Liberalen) keine Vertretung. Europafreundliche Tories sind selten, Labour verliert sich dan Corbyn in Herumeierei. Ich weiss, dass dies nicht schnell geht - aber eine neue linkslibarale, proeuropäische Partei hätte wohl in Zukunft große Chancen in GB, sie würde viele von den Demonstanten abholen.
Demokrat
"Der Brexit werde in der Realität anders aussehen als es sich viele Wähler erhofft hätten."
So ist dann nun mal. Informationen zu den negativen Folgen gab es schon damals, und das Volk hat trotzdem entsprechend entschieden.
Demokratie ist Demokratie. Diese Demos sind einfach heuchlerisch.
Rudolf Fissner
@Demokrat ? Wann soll man denn dann noch demonstrieren dürfen gehen? Bei jeder Wahl ist doch schon alles bekannt. Überhaupt, einmal wählen alle 50 Jahre sollte ausreichen. Die Zukunft ist immer bekannt. Möge der Kaffeesatz mit Ihnen sein.
Demokrat
@Rudolf Fissner Natürlich darf jeder demonstrieren.
Ihr Vorschlag, nur alle 50 Jahre zu wählen, finde ich allerdings abwegig.
4 jahre sind schon Ok, plus referenden als einmalentscheidungen.
Rudolf Fissner
Supi!
jhwh
Öhm ... dürfen die Festlandeuropäer mitabstimmen ?
Sven S
@jhwh Nein, die treten ja nicht aus.
Lain Lainsen
Lustig wie die Briten immer noch denken der Rest der EU hätte Interesse an ihrem dabei sein. Ich hoffe die sind im März endgültig raus. Dann kann die du ohne britische blockadehaltung vielleicht tatsächlich endlich was voran bringen.
Nicky Arnstein
@Lain Lainsen Dream on...
Sven S
Und jetzt stellen wir uns doch mal folgendes vor.
Es kommt zum Brexit.
Zuerst kommt es in GB zu einer Wirtschaftskrise.
Daraus kommt es dann zu einer Verstaatlichung der Bahn, der Strom und der Wasserversorgung.
Die Bahn wird vernünftig gut ausgebaut, der soziale Wohnungsbau wird verbessert.
Man führt eine gerechte Rente ein, die ein würdevolles Leben ermöglicht.
Kurzum, GB wird zu einem gutem Sozialstaat.
Dem gegenüber steht die neoliberale EU, mit Privatisierung und Sozialabbau.
6474 (Profil gelöscht)
Gast
@Sven S Bisher deutet eher alles darauf hin das in Großbritannien die Unternehmensteuer gesenkt wird und warum sollte die EU einer verstaatlichung der bahn etc im Wege stehen? Das liegt bisher in der Hand der EU-Staaten( abgesehen von Ländern wie Griechenland die quasi entmündigt wurden). Wer tories wählt der bekommt halt tory-politik. Warum ist das die schuld der EU?
Sven S
@6474 (Profil gelöscht) Weil die EU Grade bei der Bahn die Richtung der Privatisierung und der Liberalisierung vorgibt.
Die EU ist nun mal ein von Grund auf auf Privatisierung und Neoliberalismus gebautes Projekt.
Was GB nach dem Brexit macht, weiß keiner, denn wenn man das genau wüsste könnte mein sein Geld auch mit Lotto spielen verdienen.
Aber es ist zumindest eine Möglichkeit, ob sie kommt weiß keiner.
Velofisch
@Sven S Als ob die EU an der Privatisierung in UK Schuld gewesen wäre. Das war Thatcher. Zudem wäre es die erste Wirtschaftskrise die eine Erhöhung der Sozialleistungen und eine Verstaatlichung von wichtigen Diensten zur Folge hätte.
Dazu bräuchte es mehr als eine Wirtschaftskrise, dazu bräuchte es einen deutlichen Machtwechsel - der ist aber eher unwahrscheinlich.
Nicky Arnstein
Ich fürchte, der Protest wird nichts nützen.
76530 (Profil gelöscht)
Gast
Schön zu lesen, dass auch die sonst so coolen Briten rebellisch werden. Da kommt bei mir senile Altersfreude auf. :-)
Sven S
@76530 (Profil gelöscht) Und wenn dann raus kommt, Raus aus der EU. Was machen sie dann?
NIE WIEDER EU!