Groß-Demo für Seenotrettung: „Eine Krise der Humanität“
Die Seebrücke solidarisiert sich in Hamburg mit einer Großdemo mit Geflüchteten auf dem Mittelmeer. Was fordern die Aktivist*innen von der Stadt Hamburg?
Frau Lyapina, die Aktivist*innen der Seebrücke fordern von der Stadt Hamburg, dass sie sich an der Solidaritätswelle beteiligt. Warum?
Alina Lyapina: Das ist natürlich symbolisch gemeint und nur ein erster Schritt in die für uns richtige Richtung, aber natürlich ist sie auch mit konkreten Forderungen verbunden.
Mit welchen?
Wir wollen, dass sich Hamburg, genau wie Berlin und Bonn, dafür bereit erklärt, Gerettete aus dem Mittelmeer aufzunehmen. Hamburg profitiert „als Tor zur Welt“ wirtschaftlich von der Globalisierung und rühmt sich damit, eine weltoffene Metropole zu sein. Deswegen soll Hamburg auch die Tore für Geflüchtete öffnen und mit anderen progressiven Städten zusammenarbeiten, um das Sterben im Mittelmeer zu beenden.
Die Seebrücke ist deutschlandweit in über 100 Städten vertreten. Zur ersten Demo der Hamburger Seebrücke kamen am 13. Juli mehr als 1500 Menschen.
Die Aktivist*innen wollendie Stadt Hamburg mobilisieren, sich von der Doktrin der Ablehnung der Bundesregierung emanzipieren und fordern den Senat und die Bürgerschaft auf, Geflüchteten Zuflucht zu bieten und Visa und Gruppenbleiberechte auszustellen.
Eine Groß-Demonstration startet in Hamburg am 2. September 2018 ab 14.30 Uhr von den Landungsbrücken.
Die Seebrücke fordert, allen Rettungsschiffen freies An- und Ablegen zu garantieren. Das ist doch eine Forderung, die sich an die Europäische Union richten sollte.
Ja, genau. Wir von der Seebrücke Hamburg betrachten uns als Teil eines Großen und Ganzen. Und die erste Forderung muss ja sein, dass die Schutzsuchenden im Mittelmeer gerettet und europäische Häfen ansteuern dürfen, damit Hamburg im besten Fall die Aufnahme von Geflüchteten offensiv anbieten und Unterstützung leisten kann. Der nächste Schritt soll dann sein, dass die Behörden angewiesen werden, alle Möglichkeiten zu nutzen, um möglichst viele Schutzsuchende aufzunehmen, damit sie sich nicht noch einmal auf eine lebensgefährliche Flucht aufmachen. Visa und Gruppenbleiberechte für Geflüchtete wären für uns Maßnahmen, die Hamburg konkret zum Schutz dieser Menschen angehen könnten.
Wie ist das Echo aus der Bevölkerung?
In den letzten Monaten sind Tausende unserem Ruf auf die Straße zu gehen, gegen die Kriminalisierung von Seenotrettern, gefolgt. Wir bekommen viele Zuschriften in den Sozialen Netzwerken und per Mail, dass sie unsere Arbeit wichtig und richtig finden. Zudem haben sich auch schon einige Hamburger Prominente mit uns und natürlich auch mit den Geflüchteten solidarisiert, zum Beispiel der Schauspieler Bjarne Mädel. Wegen dieses lautstarken Echos ist unsere Bewegung schon jetzt ein großer Erfolg und wir wollen natürlich nicht aufhören, bis sich möglichst alle großen Städte unserem Ruf nach mehr Menschlichkeit anschließen.
Alina Lyapina ist Aktivistin bei der Gruppe "Seebrücke" in Hamburg.
Gibt es auch Anfeindungen?
Die Seebrücke Hamburg hat zum Glück noch keine Bedrohungen oder Rechte Gewalt aus der Zivilbevölkerung erlebt und wir hoffen natürlich auch, dass es so bleibt.
Warum ist es überhaupt notwendig, sich dafür zu engagieren, dass Geflüchtete nicht im Mittelmeer ertrinken?
Eigentlich sollte die Europäische Union in der Lage sein, diese Krise zu meistern. Aber wir sprechen von einer Flüchtlingskrise, die keine ist. Wir haben eine Krise der Humanität, weil sich Länder nicht darauf einigen können, Menschen im Mittelmeer zu retten und fair in Europa aufzuteilen. Länder wie Italien oder Malta machen ihre Grenzen dicht, obwohl sie von der Europäischen Union profitieren und kriminalisieren Menschen, die vor Folter, Krieg und Elend flüchten. Keiner fühlt sich verantwortlich für diese Menschen.
Groß-Demonstration in Hamburg: Am 2. September, ab 14.30 Uhr, Landungsbrücken
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos