Größenwahn bei der Fifa: „Die größte Show auf Erden“
Fifa-Chef Gianni Infantino erhebt bei der Vergabe der WM-Spielorte 2026 einen imperialen Anspruch. Ist die Fifa doch keine Hilfsorganisation?
W ar das ein Witz oder eine ernstgemeinte Ankündigung? Gianni Infantino war am Freitagabend wieder einmal bestens aufgelegt. Schließlich gab es wieder einen sehr großen Tag für den Fußball zu feiern. In New York begleitete er die Wahl der 16 Austragungsorte aus 22 Bewerbern für die WM 2026, die sich mit den Gastgebern Kanada, USA und Mexiko über einen ganzen Kontinent erstreckt.
Es ging also um nichts Geringeres als den Gnadenerweis für jene Orte, wo in vier Jahren „die größte Show auf Erden“, wie Infantino sein Turnier wieder einmal vorzugsweise nannte, stattfinden darf. Und weil der Schweizer sich bewusst war, dass am Standort New York und in dessen weiterer Umgebung das Verständnis für die Größe des Fußballs eben noch nicht so weit ausgereift ist wie sonst so auf dem Globus, erklärte er: „Bis 2026 wird Fußball der Nummer-eins-Sport in diesem Teil der Welt sein.“
Die Abstände zwischen Witz, Wahn und Realität sind bei der Fifa häufig verstörend kurz. Wer erinnert sich nicht an die lustigen Visionen von Sepp Blatter eines Fußballs auf anderen Planeten und seine Idee von intergalaktischen Wettbewerben. Einer Art Super League zwischen Mond, Mars und Erde also (Hihi!). In sechs Monaten beginnt die WM in der Wüste. Katar, das kleinste Land aller Turnierteilnehmer, beherbergt den Weltfußball. Es wird das beste Turnier, das es jemals gab, das versicherte Infantino zum wiederholten Male selbst in New York.
Das Interessante an der größenwahnwitzigen Vorgabe von Infantino in New York ist das offene Visier. Expansion und Verdrängung von Wettbewerbern ist das Ziel der XXL-WM mit dem nun auf 48 Teams ausgeweiteten Turnier. Zwischen den ausgewählten WM-Spielorten Vancouver und Miami liegen 4.500 Flugkilometer. Selbst bei der WM in Russland 2018 betrug die weiteste Distanz zwischen den Austragungsstätten etwa 2.500 Kilometern.
Im Gewand einer Menschenrechtsorganisation
Der Turniermodus wird dem Expansionsstreben bei der WM 2026 angepasst. Dass die geplanten Dreiergruppen in der Vorrundenphase unlautere Absprachen begünstigen könnten, weil in entscheidenden Partien es gemeinsame Wunschergebnisse geben könnte, ist ein Preis, den die Fifa zu zahlen gern bereit ist.
Das ungeschminkte Bekenntnis von Infantino zum ökonomischen Verdrängungswettbewerb fällt aus dem Rahmen, weil die Fifa sich sonst gern wie eine soziale Menschenrechtsorganisation gebärdet, die den Fußball wie knappes Wasser an die durstleidende Weltbevölkerung verteilt und dafür in aller Demut weiter auf den Friedensnobelpreis wartet. So hat man nach eigener Darstellung bereits dem per se benachteiligten kleinen Emirat die Fußball-WM ermöglicht und zugleich die Menschenrechtslage vor Ort verbessert. Und bei der WM 2026 in Kanada, den USA und Mexiko erweitert man ebenfalls den Kreis der teils fußballerisch minderbemittelten Länder, die an so einem Großereignis teilhaben können.
Wie teuer die Fifa-Politik der Teilhabe werden kann, hat man in der kanadischen Provinz Québec realisiert. Die explodierenden Kosten für die WM wären den Steuerzahler:innen nicht zumutbar, erklärte die dortige Regierung, worauf die Stadt Québec im Juli 2021 ihre Bewerbung zurückzog. Und Gianni Infantino schwärmte ausgerechnet am Freitagabend in New York von der WM der kurzen Wege in Katar. Er werde jedes Spiel dort besuchen, erzählte er. Selbst bei Parallelspielen sei das möglich, eine Halbzeit da, eine Halbzeit dort. Es war an diesem Tage wieder so ein verstörendes wahnwitziges Statement.
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