: Grillverbotsfreie Zone im Tiergarten
■ Bezirk Tiergarten widersetzt sich neuem Grillverbot. 10.000 Mark Geldstrafe möglich
Mit hochgeschlagenen Mantelkragen, vermummt in Schals und Mützen, die Füße schlurfend im raschelnden Herbstlaub, so ziehen derzeit die Spaziergänger ihre Runden durch den Tiergarten. Längst verflogen sind die Geruchsschwaden von bratenden Rinder- und Hammelsteaks und das Stimmengewirr meist türkischer Berliner.
Der Großen Koalition schien der Zeitpunkt gerade recht, um das seit Jahren umstrittene „Grillverbot“ in öffentlichen Grünanlagen endlich durchzusetzen: So ganz nebenbei, unter einer Fülle von Tagesordnungspunkten, wurde das neue Grünanlagengesetz am Donnerstag abend im Abgeordnetenhaus gegen die Stimmen von PDS und Bündnis 90/Die Grünen verabschiedet. Demnach müssen Grillfeste künftig genehmigt werden, aber auch Rad- und Skateboardfahrer, Ballsportler und Badefreaks ihren Bewegungsdrang innerhalb der Schranken streng von den Bezirken ausgewiesener Tob- und Zweckflächen ausleben. Auf den Rasenflächen illegal wildernde Vergnügungssüchtige können so künftig mit Geldbußen von bis zu 10.000 Mark belegt werden.
Vor allem CDU-Abgeordneten war das Grillen im Park schon länger ein Dorn im Auge: Ein Zuviel an Müll, zertrampelten Grünflächen, zudem Lärm- und Geruchsbelästigung kritisierten die Konservativen in der Vergangenheit. Allein im Tiergarten, wo Bezirks- Baustadtrat Horst Porath (SPD) stets für liberale Lösungen eingetreten war und sich gegen Polizeieinsätze ausgesprochen hatte, trafen sich an schönen Tagen regelmäßig bis zu 15.000 Grillfreunde.
Mit dem neuen Gesetz hofft Umweltsenator Peter Strieder (SPD) jetzt erstmals eine einheitliche Handlungsgrundlage geschaffen zu haben. Wurden die als Ordnungswidrigkeiten geltenden Sportarten und Grilltreffs von der Polizei weitgehend geduldet, müssen nun die Bezirke in ihren Parks bestimmte Sport- und Erholungsflächen offiziell ausweisen.
Tiergartens Baustadtrat Porath argwöhnt derweil, daß die neue Regelung für einige Abgeordnete aus der CDU nur Vorwand sei, um jetzt gegen die türkischen Familien- und Gruppenfeste vorzugehen.
„Alles, was bisher von CDU- Leuten dazu im Senat vorgetragen wurde, war versteckte Ausländerfeindlichkeit“, betont Porath. In Tiergarten sei nun deshalb geplant, das Areal zwischen Spreeweg, John-Foster-Dulles-Allee, Entlastungsstraße und der Straße vom 17.Juni offiziell als Grillfläche auszuweisen. Porath: „Wer glaubt, mit Polizei und Gesetzen die Verhaltensweisen eines Großteils unserer Bürger zu ändern, der argumentiert an der Realität vorbei.“ Tilman Weber
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