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Griechenlands neue RegierungEine sehr heiße Kartoffel

Am Samstag wurden die neuen Minister vereidigt, die Banken öffnen am Montag. Varoufakis bezeichnet das dritte Hilfspaket als schon jetzt gescheitert.

Stellvertretender Arbeitsminister Pavlos Haikalis (im hellen Anzug): „Ich übernehme eine sehr heiße Kartoffel, ich muss sie mit Liebe behandeln und abkühlen, wenn ich kann.“ Foto: dpa

Athen afp | In Griechenland hat die neu aufgestellte Regierung das Ruder übernommen und muss nun rasch die Umsetzung der Gläubigerforderungen vorantreiben. Die neuen Minister und Vize-Minister legten bei einer Zeremonie am Samstag in Athen ihren Amtseid ab. Der vor knapp zwei Wochen zurückgetretene Finanzminister Giannis Varoufakis bezeichnete das geplante dritte Hilfsprogramm für Griechenland schon jetzt als „gescheitert“.

Ausgetauscht wurden insgesamt zehn Mitglieder der politischen Führung. Gehen musste unter anderen Energieminister Panagiotis Lafazanis, der den linken Flügel der Syriza-Partei von Ministerpräsident Alexis Tsipras anführt. Er hatte im Parlament gegen die von den internationalen Geldgebern geforderten Reformen gestimmt. Den Posten übernahm der bisherige Arbeitsminister Panos Skourletis.

Auch Vize-Verteidigungsminister Costas Isychos sowie die stellvertretenden Minister für Finanzen und Äußeres mussten gehen – sie waren aus Protest gegen den Kurs der Regierung zurückgetreten.

Schon zuvor war nach Varoufakis‘ Rücktritt Euklid Tsakalotos zum neuen Finanzminister bestimmt worden. Tsipras tauschte nun außerdem seinen Sprecher Gavriil Sakellaridis aus, diesen Posten übernahm Olga Gerovassili. Die Regierung werde nun versuchen, das „schlechte Abkommen“ mit den Kreditgebern durch Maßnahmen zur Unterstützung der Armen und des Mittelstands zu „kompensieren“, versprach Gerovassili.

„Ich übernehme eine sehr heiße Kartoffel“

Für einige Irritationen sorgte die Besetzung des Postens des stellvertretenden Arbeitsministers mit dem Schauspieler Pavlos Haikalis. Er gehört den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (Anel) an, dem Koalitionspartner der Syriza. Seine Kompetenzen ließ er sich indes nicht absprechen: „Ich war drei Jahre lang Parteisprecher für soziale Sicherheit“, sagte er. „Ich übernehme eine sehr heiße Kartoffel, ich muss sie mit Liebe behandeln und abkühlen, wenn ich kann.“

Der Streit innerhalb der Syriza war offen zutage getreten, als bei der Parlamentsabstimmung über ein erstes schmerzhaftes Reformpaket in der Nacht zum Donnerstag fast 40 Syriza-Abgeordnete dem Regierungschef die Gefolgschaft verweigert hatten. Die meisten lehnten das Paket aus Steuererhöhungen, Privatisierungen und einer Rentenreform ab, andere enthielten sich oder blieben der Abstimmung fern.

Analysten glauben jedoch, dass die Kabinettsumbildung nicht ausreichen wird, um die Krise beizulegen. Sie rechnen mit Neuwahlen, womöglich schon im Herbst. Die neue Regierung muss sich nun unmittelbar an die Arbeit machen: Bis spätestens Mittwoch muss das Parlament eine Justizreform absegnen und eine europäische Bankenrichtlinie umsetzen.

Banken sollen wieder öffnen

Am Montag sollen außerdem die griechischen Banken nach drei Wochen wieder öffnen. Sie waren bis auf wenige Ausnahmen seit dem 29. Juni geschlossen. Die Kapitalverkehrskontrollen bleiben in Kraft, die Griechen dürfen aber ab Montag mehr als nur 60 Euro am Tag abheben – vorausgesetzt, sie überschreiten ein Wochenlimit von 420 Euro nicht. Nach einem Erlass der Regierung dürfen sie außerdem ihre Kreditkarten wieder im Ausland nutzen. Dies war seit drei Wochen nicht möglich.

Einem Bericht der Zeitung Kathimerini zufolge verursachten die Kapitalverkehrskontrollen Kosten in Höhe von drei Milliarden Euro. Nicht mit eingerechnet seien die Verluste für den Tourismussektor. Im Hafen stecken der Athener Industrie- und Handelskammer zufolge zudem 4.500 Container mit Rohstoffen und Produkten fest.

Varoufakis sagte der BBC am Samstag, das neue Kreditprogramm für Griechenland, auf das sich Athen und die Eurozone geeinigt hatten, sei „jetzt schon gescheitert“. In einem Beitrag für die linksgerichtete Zeitung Efimerida ton Syntakton schrieb der Ökonom, die Linksregierung könne nicht Verpflichtungen übernehmen, von denen sie wisse, „dass sie sie nicht halten kann“.

Die Griechen hatten bei einem Referendum vor zwei Wochen die Forderungen der Gläubiger für neue Kredite klar abgelehnt. Die Auflagen, die mit dem nun geplanten dritten Hilfspaket verbunden sind, sind aber sogar noch härter.

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3 Kommentare

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  • Wenn es irgendein Kalkül hinter diesem "europäischen" Spardiktat gibt, so ist es keineswegs ökonomischer, sondern allein politischer Natur. Die Rechten, die in Europa das Sagen haben, wollen eine linke Regierung um jeden Preis stürzen. Indem sie diese erpressen, in Widersprüche verstricken, vor ihren Wählern unglaubwürdig machen. Gleichzeitig ebnen sie modellhaft der kompletten Neoliberalisierung einer gesamen Volkswirtschaft die Pforten. Noch nie zuvor ist mit einer EU-Regierung derart umgesprungen worden - auch nicht mit den griechischen Vorgängerregierungen. Die "EU-Granden" leitet allein der Haß auf potentielle linke Alternativen zu ihrer eigenen desaströsen Politik (womit ich nicht sagen will, daß die Syriza-Regirung schon die perfekte Alternative wäre - aber offensichtlich muß man bereits jeden Versuch im Keim ersticken).

  • 3G
    3784 (Profil gelöscht)

    Treffen sich ein Wissenschaftler und ein Politiker.

     

    Politiker: „Ich brauche dringend dein Wissen, die Materie ist einfach zu komplex.“

    Wissenschaftler: „Gerne, pass auf. Es verhält sich so, dass …“

    Politiker: „Du hast mich missverstanden. Ich brauche nur deine Reputation, denn die Leute sollen meine Lösung für die deine halten.“

  • Wahrscheinlich hat ja Varoufakis Recht. Aber wie soll man Tsipras verstehen?

     

    Wenn er die Verpflichtungen nicht einhalten will/kann - wofür einiges spricht -, werden prompt die Daumenschrauben von den Gelgebern angezogen werden, sprich, es gibt kein Geld mehr. Die Krise verschärft sich noch weiter, und dann? Hofft er auf eine Revolution? Das wäre aber der Grexit zu den schlechtest möglichen Bedingungen, abgesehen davon, dass auch ein Miltärputsch die Folge sein könnte. Oder meint er, dass die Eurogruppe ein Einsehen haben könnte, wenn GR noch mehr im Elend sitzt?

     

    Mir scheint das eine ziemlich abenteuerliche Politik zu sein, habe aber inzwischen den Eindruck, dass er von Anfang an ein Hasardeur war.