piwik no script img

Griechenlands FinanzpolitikGroßer Showdown in Brüssel

Janis Varoufakis stellt heute der EU sein Konzept für die Schuldenbewältigung vor. Er soll an einem 10-Punkte-Plan arbeiten, der 70 Prozent der Auflagen akzeptiert.

Was haben die beiden ausgeheckt? Was bleibt von den großen Ansagen? Bild: reuters

ATHEN/ISTANBUL dpa | Die neue griechische Regierung will erstmals vor versammelter EU-Familie in Brüssel ihr Konzept für eine Bewältigung der schweren Schuldenkrise erklären. Finanzminister Janis Varoufakis muss dabei seinen Amtskollegen der Eurogruppe darlegen, wie er den griechischen Schuldenberg abtragen und zugleich im Euroraum bleiben will. Am Donnerstag wird der linke Regierungschef Alexis Tsipras an seinem ersten EU-Gipfel teilnehmen. Spekuliert wird, dass dabei ein erster Schritt für einem möglichen Kompromiss mit Athen gemacht werden könnte.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderten die Regierung in Athen zu klaren Aussagen über den weiteren Weg auf. „Die öffentlichen Verlautbarungen sind eher verwirrend“, sagte Schäuble nach dem Treffen der G-20-Finanzminister am Dienstag in Istanbul. Er gehe davon aus, dass Varoufakis „die verbindliche Haltung der neuen griechischen Regierung“ darlegen werde.

Steinmeier mahnte nach einem Treffen mit seinem neuen griechischen Kollegen Nikos Kotzias „Verlässlichkeit und Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen“ an. Kotzias entgegnete, sein Land benötige andere Reformen: „Wir können diese Politik, die uns aufgezwungen wurde, nicht weitertreiben. Ohne wirtschaftlichen Erfolg können wir auch keine Schulden zurückzahlen.“

Auf die Frage nach der Konsequenz eines von Athen angedrohten Ausstiegs aus dem Hilfsprogramm sagte Schäuble: „Schön. Wir haben das nie aufgedrängt. Also überhaupt kein Problem. Aber dann ist es eben vorbei.“ In Brüssel würden die Finanzminister der Eurogruppe die Vorstellungen der griechischen Regierung „zur Kenntnis nehmen und überlegen, was die nächsten Schritte sein können“. Tsipras telefonierte am Dienstag auch mit dem Präsidenten der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker. Die EU-Kommission erwartet keinen raschen Kompromiss im griechischen Schuldenstreit.

Rechtspopulisten drohen

Gelingt es nicht, ein neues Konsolidierungsprogramm für die Griechen auszuhandeln, wird Griechenland ab März keine weiteren Finanzhilfen mehr erhalten. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Griechenland bereits einen Schuss vor den Bug verpasst. An diesem Mittwoch schneidet die EZB Geschäftsbanken aus Griechenland von ihrer wichtigsten Geldquelle ab: Die Finanzinstitute dürfen keine griechischen Staatsanleihen mehr als Sicherheiten für EZB-Geld hinterlegen. Vorerst bekommen die Geldhäuser aber noch teurere Notkredite der nationalen Notenbank.

Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen des Finanzministeriums in Athen erfuhr, wird an einem Zehn-Punkte-Plan für Griechenland gearbeitet. Finanzminister Varoufakis wolle unter anderem vorschlagen, fast 70 Prozent der Auflagen des vorigen Programms zu akzeptieren. Den Rest wolle er durch Maßnahmen ersetzen, die in Kooperation mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ausgearbeitet worden seien.

Drohungen kamen von Tsipras' Juniorpartner in der Koalition, den Unabhängigen Griechen (Anel). Griechenland könne sich für seine Finanzierung an die USA, Russland oder China wenden, wenn es mit der EU nicht klappe, sagte der Chef der rechtspopulistischen Partei und Verteidigungsminister Panos Kammenos. In Deutschland ist inzwischen fast jeder Zweite (48 Prozent) für einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag von Focus Online.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Letzte Woche 10-Punkten-Plan, heute 4 Punkten-Plan. Nächste Woche, wie zu erwarten, kein Plan mehr,.

     

    Das hatten die nie. Die haben sicherlich nicht damit gerechnet, an die Macht zu kommen.

     

    Schade nur, dass Griechenland jetzt wieder meghr Zeit verloren geht um die Probleme die die haben ernsthaft anzupacken.

  • Ich weiss nicht, wieso man Geld verschenken soll. Kann man machen, aber als Langzeitloesung? Jede Epoche geht zu Ende. Frage ist dann Abgang oder Antwort auf die neue Situation. Wie ist eigentlich das Baltikum mit der Finanzkrise umgegangen?

  • Ja auch nach 2500 Jahren haben wir Deutschen noch nichts von den Griechen gelernt ... es wird Zeit für eine Nachhilfestunde in Demokratie liebe Mitdeutsche: Gewählt haben die Griechen - gedroht haben wir.

  • vor c 3 Wochen? am Sonntag im ARD PRESSECLUB gings auch um GR Schulden, die Mitarbeiterin der TAZ leider Namen vergessen, sagte, so ich mich recht erinnere, die Schulden Griechenlands sind eigentlich kein Problem, das sind reine Zahlen ohne Konsequenz für die Gläubiger usw, also , ich hoffe, dass ich das damals richtig verstanden habe !

    • @Georg Schmidt:

      Für alle "Schulden", die von der EZB oder anderen Zentralbanken gehalten werden, gilt das auch. Die EZB ist die Quelle des Euro, wenn die ein paar hundert Milliarden abschreibt, verändert sich gar nix.

      Und da sie allen Zentralbanken der Eurozone sämtliche Schuldtitel abnehmen könnte, gilt das für diese genauso.

  • Was interessiert denn an dieser Stelle, Wieviele Deutschland für den Austritts Griechenland aus dem Euro sind? Die griechische Bevölkerung hat gewählt, was in Griechenland in der Zukunft passieren soll. Wenn die deutsche Bevölkerung glaubt, sie dürfe auch da mitreden, liegt sie falsch. Schlimm genug, dass man hier garnicht genug von Mami Merkel und ihrer europäischen Verarmungspolitik bekommen kann.

    • @Max Mutzke:

      Griechenland hat gewaehlt. Slowakien hat gewaehlt. Deutschland hat gewaehlt, usw. Wieviele Mitgliedslaender hat die Euro-Zone?

    • @Max Mutzke:

      Gilt das auch für Schweizer, die deutlich basisdemokratischer als Deutsche und Griechen zusammen, den Zuzug begrenzen?

       

      Oder auch für Franzosen wenn die die FN immer höhere Prozentzahlen schenken?

       

      Oder Engländer, wenn die meinen das sie ohne EU besser dran sind?

    • @Max Mutzke:

      Als Indikator dafür, woher der Wind in der deutschen Propagandamaschine weht, ist das schon interessant zu lesen.