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Griechenland und CoronaZu viele Tote in Hellas

Auch in Griechenland ist der Gesundheitssektor an der Grenze. Über 60-Jährige, die nicht geimpft sind, sollen ab Januar 100 Euro pro Monat zahlen.

Sraßenszene in Athen Anfang Dezember 2021 Foto: Socrates Baltagiannis/dpa

Athen taz | Sotiris Tsiodras, 56, graues Haar, Nickelbrille, ist nicht irgendein Infektiologe. Seit Ausbruch der Coronapandemie ist Tsiodras Griechenlands Chefepidemiologe, Vorsitzender des eigens von der Regierung in Athen eingesetzten Expertengremiums sowie höchster Regierungsberater im Kampf gegen Corona. Man kann auch sagen: Tsiodras ist Griechenlands Super-Drosten.

Mit seinem Kollegen Theodoros Lytras veröffentlichte Tsiodras Mitte Dezember im angesehenen „Scandinavian Journal of Public Health“ eine Studie. Im fernen Athen wurde sie zum Politikum. Schlagartig.

Der Studie zufolge könne das griechische Gesundheitssystem nur bis zu 400 Corona-Intensivpatienten angemessen versorgen. Bei einer Patientenanzahl darüber hinaus steige die Sterblichkeit unter den Corona-Patienten massiv: bei über 400 aufgenommenen Intensivpatienten um 25 Prozent, bei mehr als 800 Intensivpatienten sogar um 57 Prozent. Wer zudem außerhalb der Intensivstationen, aber immer noch in der Klinik, künstlich beatmet werden müsse, habe sogar ein um 87 Prozent höheres Sterberisiko als ein Corona-Patient auf der Intensivstation.

Das birgt alles Brisanz. Denn in Griechenland liegen aktuell 661 Corona-Patienten auf den Intensivstationen. Die Marke von 400 wurde in diesem Herbst bereits am 30. Oktober mit 404 Corona-Intensivpatienten überschritten, der Höchststand am 5. Dezember mit 715 Corona-Intensivpatienten erreicht.

Opposition: Todeszahlen wären zu verhindern gewesen

Obendrein müssen in Griechenland täglich mitunter weit mehr als einhundert Corona-Patienten außerhalb der Intensivstationen in anderen Räumlichkeiten der Krankenhäuser künstlich beatmet werden. Stichwort: Triage. Mit weitaus höherem Sterberisiko, wie Tsiodras und Co. belegen. Ihr Fazit: 1.500 intubierte Corona-Patienten hätten in Griechenland gerettet werden können.

Fest steht: Seit Wochen sterben in Hellas täglich rund einhundert Menschen an oder mit Corona, gemessen an der Bevölkerung eine sehr hohe Zahl. Griechenland mit seinen gut zehn Millionen Einwohnern zählte mit Stand vom Dienstag, 21. Dezember, 20.055 Corona-Sterbefälle, 77 Corona-Tote mehr als am Vortag. Zwar liegt Griechenland mit seinen Covid-Todesfällen nicht an der traurigen Spitze im europäischen Ländervergleich – aber Kritiker ätzen trotzdem, Griechenland sei zu „Europas Todes-Hochburg“ verkommen.

Genau dies sei zu verhindern gewesen, findet zumindest die Athener Opposition. Denn die Tsiodras-Studie basiert auf Daten vom 1. September 2020 bis 6. Mai 2021, als auch Griechenland von der zweiten und dritten Corona-Infektionswelle hart getroffen wurde.

Athens Oppositionsführer und Ex-Premier Alexis Tsipras vom „Bündnis der Radikalen Linken“ („Syriza“) forderte am Samstag in einer Rede im Athener Parlament erstmals den Rücktritt des konservativen Amtsinhabers Kyriakos Mitsotakis und vorgezogene Neuwahlen. Dem pflichteten die nationalkonservative Partei „Griechische Lösung“ bei. Die linke „Mera25“-Partei unter Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis plädierte für ein Misstrauensvotum gegen die Regierung Mitsotakis – ohne Erfolg.

Mitsotakis forderte Beweise, nun hat er sie – und schweigt

Tsipras macht Mitsotakis und Co. nicht nur für eine fortgesetzte Unterfinanzierung und akute Personalnot im Gesundheitssektor verantwortlich. Auf die Palme bringt nicht nur Tsipras, dass Premier Mitsotakis noch am 1. Dezember im Athener Parlament mit real erhobenem Zeigefinger in Richtung Opposition tatsächlich behauptete, das Sterberisiko für künstlich beatmete Corona-Patienten außerhalb der Intensivstationen sei „keineswegs höher“.

Die Opposition forderte er bei dieser Gelegenheit schreiend auf, den Gegenbeweis zu erbringen. Er habe dafür jedenfalls keine. „Haben Sie welche? Bringen Sie die Belege!“, polterte Mitsotakis in Richtung der Opposition.

Genau die liefert nun ausgerechnet die besagte Studie seines Chefberaters Tsiodras. Tsipras wirft Mitsotakis vor, schon seit Monaten von Tsiodras dahingehend unterrichtet worden zu sein. Mitsotakis bestreitet dies, Tsiodras hüllt sich darüber in Schweigen – was die Kritik an Mitsotakis eher befeuert.

Mitsotakis bläst der Wind ins Gesicht. 63 Prozent der Griechen sind derweil mit dem Pandemie-Management der Regierung unzufrieden, wie eine Umfrage in Athen jetzt ergab. Auch der erhoffte Run auf die Coronaimpfung blieb nach der Ankündigung einer Impfpflicht für alle über 60-Jährigen in Griechenland aus.

Laut Gesundheitsminister Thanos Plevris hatten Ende November noch 580.000 Menschen der über 60-Jährigen in Griechenland keine Impfung erhalten. Bisher hätten insgesamt 140.000 Personen dieser Altersgruppe einen Impftermin vereinbart oder sich mittlerweile impfen lassen, sagte Plevris am Montag. Wer der Impfpflicht nicht bis zum 16. Januar nachkommt, hat eine Geldbuße von 100 Euro pro Monat zu zahlen.

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2 Kommentare

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  • "Wer der Impfpflicht nicht bis zum 16. Januar nachkommt, hat eine Geldbuße von 100 Euro pro Monat zu zahlen."

    Man könnte auch 100 EUR an die Impfmuffel zahlen. Und die, die sich nicht impfen lassen, müssten die Arzt- und Krankenhauskosten im Fall einer Corona-Erkrankung aus der eigenen Tasche zahlen.

  • Danke, Troika! Danke, Schäuble!