Griechenland nach der Bootskatastrophe: Einig mit Meloni, Zwist mit Frontex

Griechenland prescht mit migrationsfeindlicher Politik vor. Frontex macht dem Land nun schwere Vorwürfe im Fall der Bootskatastrophe vor zwei Wochen.

Ein Mann steht mit dem Rücken zur Kamera und blickt offenbar auf mehrere Wohnkontainer.

Einer von wenigen Überlebenden der Boots­katastrophe in einem Lager in Malakasa, Griechenland Foto: Stelios Misinas/reuters

ATHEN taz | Sie können offenkundig gut miteinander, politisch wie auch persönlich: die italienische Regierungschefin Georgia Meloni, 46, und ihr griechischer Amtskollege Kyriakos Mitsotakis, 55, der am Sonntag von den Griechen für weitere vier Jahre wiedergewählt wurde.

„Ich gratuliere @kmitsotakis zu seinem Wahlerfolg. Italien und Griechenland können gemeinsam wichtige Ergebnisse zum Wohle unserer Völker, unserer Nationen und unseres Kontinents erzielen“, twitterte die Postfaschistin Meloni schon früh am Montag von Rom hinüber nach Athen. Dazu postete die Chefin der Rechtsaußenpartei Fratelli d’Italia ein Foto von sich mit Mitsotakis auf einem EU-Gipfel. Die rechten Hände jeweils auf den linken Oberarm des anderen gelegt, schauen sie sich mit einem Lächeln tief in die Augen.

Mehr noch: So wie die offen migrantenfeindliche Meloni fährt auch Mitsotakis seit seiner Machtübernahme 2019 einen restriktiven Flüchtlings- und Migrationskurs. Vom Bau und Ausbau von Grenzzäunen an den EU-Außengrenzen bis zu geschlossenen Flüchtlingslagern: Meloni und Mitsotakis treten in Brüssel Hand in Hand auf. Ihr Ziel ist es, die Zahl der Schutzsuchenden in der EU so weit es geht zu drücken.

Dabei werden auch rote Linien überschritten: Griechenland scheut sich in der Ära Mitsotakis nicht, im großen Stil auf Pushbacks zu setzen, auf das Zurückdrängen von ankommenden Flüchtenden und Migranten hinter die eigenen Grenzen. Das harsche Vorgehen trägt Früchte. Im vorigen Jahr zählte Griechenland nur 17.122 Neuankömmlinge.

Frontex: Griechen lehnten Hilfe ab

Die migrationsfeindliche Politik bringt Verluste mit sich, mitunter schlimme: Einen zugleich griechischen wie italienischen Bezug hatte das Bootsunglück am 14. Juni, 47 Seemeilen vor der griechischen Küstenstadt Pylos im Südwesten der Halbinsel Peloponnes. Ein überfüllter Fischkutter mit Flüchtlingen und Migranten war im ostlibyschen Tobruk in See gestochen. Sein Ziel: Italien.

Er kenterte am 14. Juni um 2 Uhr und sank sofort an einer der tiefsten Stellen im zentralen Mittelmeer. Nur 104 Menschen retteten die griechischen Behörden, 82 Leichen wurden geborgen, schätzungsweise 646 Flüchtlinge und Migranten könnten ertrunken sein, darunter viele Kinder und Frauen.

Nun sind neue Details zum Vorschein gekommen. Die griechischen Behörden hätten ein Hilfsangebot der europäischen Grenzschutzagentur Frontex ignoriert. Frontex habe den Griechen einen Tag vor der Havarie, „zusätzliche Luftunterstützung angeboten, aber keine Antwort aus Athen erhalten“, erklärte Frontex am Montagabend.

Obendrein habe man den Griechen die Entsendung einer Frontex-Drohne angeboten, hieß es. Athen hätte Frontex jedoch angewiesen, die Drohne statt vor Pylos bei einer anderen Rettungsaktion südlich von Kreta einzusetzen.

Setzt Frontex Arbeit in Griechenland aus?

Offenbar ist Frontex nun der Kragen geplatzt. Die Agentur „ziehe in Erwägung, ihre Aktivitäten in Griechenland nach der Kontroverse mit den Griechen über die Verantwortung für die Havarie vor Pylos auszusetzen“, schrieb die französische Zeitung Le Monde. In einer Sitzung des Frontex-Verwaltungsrats am 20. und 21. Juni habe der Frontex-Grundrechtsbeauftragte Jonas Grimheden „die vorübergehende Aussetzung der Frontex-Aktivitäten in Griechenland empfohlen“.

Medienberichten zufolge hat Frontex mit Blick auf die Causa Pylos zudem einen „Bericht über einen schwerwiegenden Vorfall“ in Auftrag gegeben. Darin soll der Frontex-Grundrechtsbeauftragte etwaige Menschenrechtsverletzungen dokumentieren.

Kritiker monieren, die griechischen Behörden hätten schneller handeln müssen, um das Kentern des Kutters zu verhindern. Es gibt Aussagen von Überlebenden, dass die Küstenwache das Boot an die Leine genommen und versucht habe, es zu ziehen, wodurch es ins Schwanken geraten sein soll. Die griechischen Behörden bestreiten dies. Sie behaupten, ein Schiff der Küstenwache sei „bereits Stunden vor dem Unglück bei dem Schiff eingetroffen“. Die Bootsinsassen hätten aber „Hilfsangebote wiederholt abgelehnt“. Eine plausible Erklärung, wie das Flüchtlingsboot gekentert ist, konnte die Küstenwache bisher nicht liefern.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.