Griechenland hat gewählt: Spielerisch an die Macht
Syriza-Chef Alexis Tsipras ist ein politisches Naturtalent. Wenn der Schuldenschnitt kommt, will er sogar Krawatte tragen.
ATHEN taz | Charismatischer Redner mit Jugendcharme, Machttaktiker mit Faible für Symbolik, Erneuerer der Linken mit hoher Konfliktbereitschaft – Alexis Tsipras hat viele Seiten. Auch eine, die besonders gut ankommt: Wie kein anderer Spitzenkandidat verkörpert er die erodierende griechische Mittelschicht und steht zudem für eine junge Politikergeneration, die mit mächtigen Partikularinteressen nichts zu tun hat.
Jedenfalls kann er diesen Eindruck überzeugend vermitteln. „Nach der Wahl am Sonntag ist die Party der Korruption zu Ende“, verkündete der Syriza-Chef. Im Wendejahr 1974 wird Tsipras geboren – vier Tage nach der Wiederherstellung der Demokratie in Hellas und nur zwei Monate, bevor die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) legalisiert wurde. Bis dahin wurden Linkspolitiker als Staatsfeinde betrachtet und oft verhaftet, misshandelt, deportiert.
Gerade für junge Leute war es damals gesellschaftliche Pflicht, sich politisch zu engagieren. Vielleicht war dies der Grund, weshalb Tsipras, aus bescheidenen Verhältnissen kommend, ausgerechnet im Umbruchjahr 1989 der KKE-Jugendorganisation beitritt. Der Durchbruch kommt bei der Kommunalwahl 2006, als Tsipras für den Bürgermeisterposten in Athen kandidiert und das Wahlergebnis der Linken im Vergleich zur vorangegangenen Parlamentswahl verdreifacht. Daraufhin übernimmt er den Vorsitz der Linken.
Innerhalb von wenigen Jahren schaltet Tsipras alle innerparteilichen Gegner und nicht zuletzt seinen politischen Mentor, den Altkommunisten Alekos Alavanos, aus. Syriza entwickelt sich zu einer Volkspartei. Mit seinem ausgeprägten Sinn für Symbolik macht Tsipras oft seine Agenda zum Stadtgespräch. Beispiel: Zum Jahresempfang im Präsidentenpalast wird er 2008 von einer 23-jährigen Schwarzen begleitet, deren Eltern seit über 20 Jahren in Athen leben, aber keinerlei Anspruch auf einen griechischen Pass haben. Genau dieses Problem will der Linkspolitiker auch ansprechen. Viele werfen ihm Populismus vor, doch Tsipras punktet.
Wann er endlich selbst eine Krawatte trägt, wird er oft gefragt. Eine Antwort gab er am Vortag der Wahl im Gespräch mit Athener Politjournalisten: „Die Wette gilt: Wenn der Schuldenschnitt kommt, dann binde ich mir auch eine Krawatte um“, sagte Tsipras. Wie oft bei ihm weiß man nicht so richtig, ob das nur als Witz gemeint war.
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