Grenzschließungen in der EU: Ein Versagen von Berlin und Brüssel
Deutschland schließt wegen mutierter Coronaviren einen Teil seiner Grenzen. Dieser Alleingang ist ein klarer Verstoß gegen EU-Absprachen.

D eutschland wird mal wieder zum Buhmann in der Coronakrise. Ähnlich wie im März 2020 hat die Bundesregierung im Alleingang Grenzkontrollen und -sperren errichtet, sogar Bahnverbindungen werden unterbrochen. Dies ist nicht nur ein Problem für Österreich, Tschechien oder die Slowakei. Es betrifft die gesamte EU.
Die EU-Staaten haben sich schon im Januar auf gemeinsame Regeln für den Umgang mit den Coronamutanten verständigt, um die es nun geht. Damals wurde verabredet, nicht unbedingt nötige Reisen einzuschränken, aber die Grenzen offen zu halten. Zudem wurde eine EU-weite Abstimmung vereinbart. Berlin hielt es jedoch nicht mal für nötig, seine Maßnahmen in Brüssel anzumelden.
Dies ist ein klarer Verstoß gegen die Absprachen. Im schlimmsten Fall könnte die EU-Kommission deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Berlin einleiten. Denn hier geht es nicht nur um unberechenbare Mutanten, sondern um freien Warenverkehr und freien Personenverkehr. Beide Prinzipien sind im EU-Recht verankert.
Passiert ist nichts
Bisher geht Brüssel jedoch nachsichtig mit Berlin um. Die EU-Kommission beließ es bei Ermahnungen. Behördenchefin Ursula von der Leyen will sich offenbar nicht mit Angela Merkel und Horst Seehofer anlegen. Dies führt nun zu scharfen Protesten in Wien, Prag und sogar Paris. Auch Frankreich fürchtet deutsche Kontrollen.
Das Gezerre zeigt, dass die europäische Union nicht die richtigen Lehren aus der Krise gezogen hat. „Nie wieder“ hieß es nach den Grenzschließungen 2020. Doch nun ist man nicht in der Lage, diese Lektion auch durchzusetzen. Das liegt nicht nur am mangelnden politischen Willen in Berlin und Brüssel. Es liegt auch an fehlenden technischen Mitteln wie Tracking-Apps und Coronaschnelltests.
Mit Schnelltests an der Grenze und einer grenzüberschreitenden Nachverfolgung ließe sich das Mutanten-Problem ohne Straßensperren und andere Barrieren lösen. Beides wurde schon vor Monaten versprochen. Passiert ist nichts. Auch hier haben Deutschland und die EU versagt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!