Grenzenlose Frauenhilfe: Gemeinsame Hilfe beschlossen
Hamburg zahlt künftig für Frauenhäuser in Schleswig-Holstein und richtet eine Koordinierungsstelle ein. Die Frauenhäuser beider Länder kritisieren die Pläne.
HAMBURG/KIEL taz | Manchmal ist es in Hamburgs Frauenhäusern so voll, dass Frauen und Kinder auf Betten in den Gängen übernachten. Denn die Frauenhäuser wechseln sich als Notfall-Zentrale ab und wer gerade an der Reihe ist, muss Schutzsuchende auch dann aufnehmen, wenn alle Zimmer belegt sind. Am nächsten Tag beginnt das Telefonieren: Wo gibt es Platz für die Frauen, die vor prügelnden Ehegatten oder bedrohlichen Vätern geflohen sind? Oft ist erst in Schleswig-Holstein ein Bett frei. Jedes Jahr kommen etwa 240 Frauen aus Hamburg in einem Frauenhaus in Schleswig-Holstein unter – umgekehrt kommen aus dem Umland rund 35 Frauen nach Hamburg.
Seit Jahren beschäftigt dieses Thema die Politik beider Ländern. Hamburg profitiert davon, dass Schleswig-Holstein die Mittel für die Häuser nach einem festen Bevölkerungsschlüssel finanziert. Die frühere schwarz-gelbe Landesregierung kürzte Frauenhäusern in der Nähe Hamburgs sogar die Zuschüsse, mit dem Argument, die Betten werden zu oft von Hamburgerinnen belegt. Nun einigten sich die Länder auf ein Abkommen.
130.000 Euro will Hamburg im kommenden Jahr an Schleswig-Holstein zahlen. Im Gegenzug beteiligt sich Schleswig-Holstein mit 30.000 Euro an einer Koordinierungsstelle, die in Hamburg eingerichtet werden und Frauen helfen soll, im Notfall einen Platz zu finden.
Das erste Frauenhaus in Hamburg entstand 1976, in Schleswig-Holstein wurde das erste Frauenhaus 1977 eröffnet.
Heute gibt es in Schleswig-Holstein 16 Frauenhäuser, davon sind zwölf autonom und die restlichen unter Trägerschaft größerer Verbände wie der Arbeiterwohlfahrt.
Hamburg hat fünf Frauenhäuser, davon werden vier autonom und eines vom Diakonischen Werk unterhalten. 2005 hat Hamburg die Mittel gekürzt. Im Zuge dessen verschmolzen zwei Häuser zu einem und 13 Plätze fielen weg.
„Es ist gut, dass eine pauschale Summe vereinbart wurde“, sagt Birgit Pfennig, Leiterin des autonomen Frauenhauses in Elmshorn. „Die Summe ist aber viel zu niedrig.“ Mit 10.800 Euro im Jahr finanziert die Regierung in Kiel einen Frauenhaus-Platz. Dieser Betrag sei seit Jahren nicht erhöht worden, dabei seien die Kosten für Miete, Sachmittel und Personal gestiegen, sagt Pfennig. Und mit den 20.000 Euro, die bisher für telefonische Beratung ausgegeben wurden, was jetzt eine bundesweite „Helpline“ übernimmt, wird in zwei Häusern je ein Platz geschafft. Die meisten Frauenhäuser sind in Schleswig-Holstein auf Spenden angewiesen. „Es wäre gut, wenn wir mit dem Geld aus Hamburg unsere Plätze jedenfalls sichern könnten“, sagt Pfennig.
Sie befürchtet jedoch, dass die Kooperation die Lage in Schleswig-Holstein weiter verschärfen könne, weil die Koordinierungsstelle fast nur Hamburg zugute komme. „Wenn die Betten in Hamburg voll sind, ist klar, wohin verteilt wird, nämlich über die Landesgrenze“, sagt Pfennig. Sie befürchtet zudem, dass die Frauen hier „wie über ein Callcenter“ verteilt werden, statt sich um inhaltlich-fachliche Gründe zu kümmern.
Auch Silke Büttner vom Hamburger Verein „Frauen helfen Frauen“ ist mit der Koordinierungsstelle nicht glücklich. „Wichtiger wäre, dass Frauen Zugang zu günstigem Wohnraum bekommen“, sagt Büttner. Dann könnten sie in der Stadt bleiben und müssten nicht nach Schleswig-Holstein ins Frauenhaus geschickt werden.
Schleswig-Holsteins Sozialministerin Kristin Alheit und Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (beide SPD) halten die Kooperation für eine gute Lösung. „Frauen in Not müssen sich darauf verlassen können, schnell und sicher Hilfe zu erhalten“, erklärten beide. Es sei nun „eine solide Basis über die Landesgrenzen hinaus“ geschaffen. Beide Landesregierungen werden Anfang 2014 abschließend über die Einigung entscheiden. Verabredet wurde, die „Entwicklung gemeinsam zu verfolgen“.
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