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Gregor Gysi für deutsche Waffenexporte„Größeres Unheil verhindern“

Linkspartei-Fraktionschef Gysi fordert, dass Deutschland Waffen an PKK, Peschmerga und den Irak exportiert. Nur so könne der Terror von IS gestoppt werden.

Mit Protestbriefen wird man IS nicht stoppen, glaubt Gregor Gysi Bild: dpa
Stefan Reinecke
Interview von Stefan Reinecke

taz: Herr Gysi, tut Deutschland genug, um Jesiden und irakische Christen vor der Terrorgruppe IS zu retten?

Gregor Gysi: Wir sollten uns an den Hilfslieferungen noch umfangreicher beteiligen. Außerdem müssen die Nato und Deutschland dafür sorgen, dass die Kräfte im Irak und Kurdistan in der Lage sind, IS zu stoppen.

Das heißt konkret?

Eigentlich bin ich strikt gegen deutsche Waffenexporte. Da aber Deutschland ein wichtiges Waffenexportland ist, könnte in diesem Ausnahmefall ein Waffenexport dorthin dann statthaft sein, wenn andere Länder dazu nicht unverzüglich in der Lage sind. Mit Protestbriefen wird man IS nicht stoppen.

In Deutschland ist der Export von Waffen in Spannungsgebiete verboten. Darüber wollen Sie sich einfach hinwegsetzen?

Das ist kein Verbot, sondern eine Richtlinie, an die sich die Bundesregierungen bedauerlicherweise selten halten. Deutschland liefert Waffen nach Nahost. Und nach Saudi-Arabien, das mit deutschen Waffen in einem Nachbarland einmarschiert ist.

Und jetzt, nach Ihrem Willen, nach Kurdistan?

In dieser Notsituation ist das erforderlich, um größeres Unheil zu verhindern.

Im Interview: Gregor Gysi

66, seit 2005 Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke.

Die PKK gilt in der EU als terroristische Organisation …

Dann muss die EU dies eben ändern. Die Peschmerga und auch die PKK haben den Korridor für die zivilen jesidischen Flüchtlinge gesichert, die vor IS fliehen. Deshalb müssen wir uns die PKK nicht schönreden. Sie ist aber keine völkermordende Terrorgruppe wie IS. Das ist doch ein wesentlicher Unterschied. Und: Was bleibt uns sonst übrig?

Wenn der Westen PKK und Peschmerga aufrüstet, droht mittelfristig eine Eskalation mit der Türkei und Irak …

Das kann zu Instabilitäten führen. Aber das müssen wir riskieren. Ich halte einen kurdischen Staat für eine Möglichkeit, die langfristig für mehr Stabilität sorgen kann. Die Juden haben erst international einen Schutz, seitdem es Israel gibt.

Die Bombardierungen durch die USA behindern den IS-Vormarsch. Ist dieser Militäreinsatz richtig?

Nein. Erstens: Mit dem Krieg der USA gegen den Irak 2003 ist etwas angerichtet worden, wofür wir heute noch teuer bezahlen. Ohne George W. Bush gäbe es den IS-Terror nicht.

Aber die Bombardierungen jetzt haben doch das gleiche Ziel, das Waffenexporte an Kurden hätten: Isis zu stoppen …

Das stimmt. Aber die US-Regierung wird diesen Einsatz nutzen, um künftige militärische Schläge zu legitimieren. In Libyen haben die USA gegen den Willen der dortigen Regierung bombardiert. China und Russland haben Militäreinsätzen gegen Gaddafi anfangs zugestimmt – dann wurde das Mandat für die Einsätze immer mehr ausgeweitet. Ich bin zutiefst misstrauisch gegen US-Militäreinsätze.

Sie sind gegen Luftschläge gegen IS, nur weil es US-Bomben sind?

Ich sehe den Nutzen durchaus. Aber: Die USA als Weltpolizist, der immer seine eigenen Interessen vertritt, das kann nicht die Lösung sein.

Was kann Deutschland tun?

Wir müssen mit der türkischen Regierung ernsthaft darüber reden, warum Isis türkisches Gebiet nutzen darf. Erdogan reagiert so phobisch auf Syrien, dass er sogar Terroristen auf seinem Boden duldet. Dagegen muss etwas unternommen werden.

Nämlich?

Wenn das nicht hilft, müssen wir drohen, die Bundeswehrraketen an der türkisch-syrischen Grenze zurückzuziehen, die ich ohnehin für falsch halte.

Ulla Jelpke hält „möglicherweise militärische Aktionen“ für nötig …

Damit meint sie wie ich irakische und kurdische Verbände.

Ein kühner Satz für eine Antikriegspartei …

Ja, das ist kühn. Aber: Wir haben nie das Recht auf Landesverteidigung bestritten. Auch die Bundeswehr soll Deutschland verteidigen, falls es angegriffen wird. In Syrien, Irak und den kurdischen Gebieten haben wir es mit einem Angriffskrieg der Isis-Armee zu tun, der zurückgedrängt werden darf und muss.

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32 Kommentare

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  • ich glaube europa könnte schon viel hilfe beisteuern wenn sie den erdogan mal in die mangel nehmen und da rum sanktionieren......geht ja nicht an, dass der den schwachsinn auch noch aktiv fördert (als Staatsoberhaupt)......

     

    wer da von wem waffen bekommt ist letzten endes doch wurscht....jetzt nen massenmord verhindern....aber wieder mehr streiter mit knarre.....

    unterm strich wird die zahl der toten in den nächsten jahren ätzend hoch sein...

    und was soll, dass erst aus der pkk ne terror gruppe machen und nun bewaffnen und als allgemein nützigen verein ansehen?????so'n schwachsinn...

     

    und falls die waffen an die pkk und die kurden gehen kann man auch noch nen paar leos für die türkei mitnehmen und noch knarren für ISIS damit es ausgeglichen bleibt und von allen beteiligten möglichst wenig überbleiben....denn mit dem rest von wem auch immer wird bestimmt der nächste stress ausgehen......

  • D
    D.J.

    Ist der Mann nicht zu klug und verantwortungsbewusst für seine Partei? Wenn ich mir manche Gestalten der Linksparei hier in NRW ansehe, kann man nicht glauben, dass er im selben Verein ist.

  • Was ist denn die Alternative?

    Diese Mörder wollen mit niemanden reden und mit Wirtschaftssanktionen erreichen wir in diesem Krieg nichts.

    Ohne militärische Intervention würde Europa heute auch völlig anders aussehen.

    • @Links234:

      Naja, und wer garantiert, dass die PKK hinterher mit diesen Waffen nicht einen freien Staat Kurdistan erstreitet und dabei Tausende umbringt?

       

      Mag ja sein, dass Europa ohne militärische Intervention heute anders aussähe, aber das kann man auch über die meisten anderen Staaten dieser Welt sagen. Und die beste Lösung war das in den meisten Fällen eben nicht.

      • D
        D.J.
        @Ernest:

        Sie verwechseln die irakischen Peschmerga mit der PKK. Lesen Sie sich mal in die Problematik ein.

        • @D.J.:

          Das ist doch sowas von irrelevant. könnten von mir aus auch niederbayern sein.

           

          der punkt ist, die waffen die wir heute verkaufen um zu helfen könnten morgen schon für kriegsverbrechen und terrorismus verwendet werden.

  • Wird die ISIS nicht von einem Miteigentümer von VW finanziert (Katar)?

     

    Ja, so macht man sich regierungsfähig. Anstatt weniger Rüstungsexporte liefern wir jetzt auch mal an die anderen. Nicht nur Saudi-Arabien, sondern auch die Kurden müssen den deutschen Waffenexport unterstützen, damit Deutschland vorne bleibt. Wo immer das sein mag.

    • D
      D.J.
      @Age Krüger:

      Wohl nicht von der Regierung. Aber von Privatleuten dort. Fragt sich freilich, ob der ölbesoffenene Scharia-Staat ein Interesse hat, das zu unterbinden.

  • Es gibt Umstände in der Weltpolitik, die lassen sich nun mal nicht mit Friede, Freude, Eierkuchen lösen. Gysi wird mir immer sympathischer.

  • s kann man schon so machen, aber dann wird es halt scheiße".....

    vielleicht einweg waffen, die nach 1000 schuß auseinander fallen......

  • Pragmatischer Weise sollte man Gregor Gysi recht geben. Doch es ist nur die 2.-beste Lösung:die 1.-beste ist m.E. immer eine politische. Und die hieße: mal der Fährte nachgehen, die der türkische Oppositionspolitiker Kilicdaroglu gelegt hat:

    http://dtj-online.de/irak-is-kurden-jesiden-erdogan-kilicdaroglu-34229

    Es leuchtet mir unmittelbar ein, dass Erdogan bei der IS seine Finger im Spiel hat. Wer sonst könnte diese Terrortruppe so kampfkräftig machen, und in wessen Interesse sollte es sonst sein? Wenn die Vorwürfe stimmen, sollte der Druck auf Erdogan massiv erhöht werden, ähnlich wie der auf Putin.

  • Das waren noch Zeiten, als Linke als vaterlandslose Gesellen bezeichnet wurden, weil sie ablehnten, dass Arbeiter aus Deutschland auf den Schlachtfeldern der Imperien geopfert werden sollten...

    Herr Gysi empfielt sich als besserer Kaudermann, wenn er im Sommerinterview betont, dass er natürlich für die militärische Verteidigung der BRD im Falle eines Angriffs eintrete - und nun das! Sicher ist die Unterstützung der Kurden ein altes linkes Thema - aber mit Waffen? Gandhi ad - Gysi olé....

  • Gysie steht hier mal nicht als Pazifist und das erzeugt natürlich eine Menge Fragen, aber:

    Was kann man gegen die ISIS tun?

     

    Diese Organisation ist nicht lieb und wird nicht lieb. Wenn sie verhandeln, dann betrügen sie einen.

     

    Was ist dagegen einzuwenden, den Kurden Waffen zu liefern?

     

    Die Kurden sind Teil der irakischen Armee. Nur Nuri al-Maliki zahlte ihnen keinen Sold und lieferte auch nicht Waffen. Die gab er debilen, faulen schiitischen Offizieren, die in Mosul ihre Unfähigkeit gezeigt haben.

     

    Wenn die Peschmerga keine Waffen bekommen, werden sie nur in den Bergen überleben können. Schon der Angriff auf Erbil wurde von Kurden und Amerikanern abgewehrt. Das ist die bittere Wahrheit, wobei vielerorts Peschmerga die ISIS ohne Probleme vertreiben. Aber auf ganzer Linie ist dieser Krieg nicht mit alten Flinten zu gewinnen.

     

    P.S. Die €3,2 EURO, die Deutschland an humanitärer Hilfe ausgeben will, diese Summe reicht nicht mal für einen halben Tag aus. Das ist Geiz und das ist die Idee, wie wären die Schweiz, haben nichts mit der Welt zu schaffen.

  • In einem Punkt stimme ich Gregor Gysi zu es ist eher unwarscheinlich das die Verursacher der Krise, die IS kämpft mit aus Europa und USA Exportierten Waffen der Golfstaaten, Israels und der Türkei. die USA zerschlugen und bestzten 2003 den Irak und schafften damit die Vorausetzungen für die IS, in der Lage oder Willens sind Diese zu beenden und für Stabilität im nahen Osten zu sorgen.

    Jedoch den Ruf nach Waffen halt ich für Bedenklich,.

    Es wäre besser die Unterstützer der IS und anderer Gruppen wie die Türkei oder Saudi Arabien zu zwingen Diese aufzugeben.

  • Die politischen Ansichten der USA: Die Lösung der Probleme im Irak, wie in Syrien, kann nur aus dem Innern der Gesellschaften erwachsen. Ohne den Sturz des Maliki-Regime von unten und eine Demokratisierung des Iraks, wird die sektiererische Logik des Konflikts nicht zu brechen sein. In einer Lösung müssen alle Konfessionen und Religionen eingebunden sein; die Kurden müssen das Recht auf Selbstbestimmung bekommen. Nur so kann ein breites Bündnis gegen die Kräfte des Maliki-Regimes und der ISIS entstehen und der Reichtum des Landes für alle Bevölkerungsteile nutzbar gemacht werden. Christine Buchholz, verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag zur Situation im Irak wiederholte das als politische Aussage von Die Linke! Herr Gysi wie gewohnt pflegt seinen totalen Antiamerikanismus und gibt dabei seinen naiven aus taktischen Gründen propagierten Scheinpazifismus auf! Zwitterwesen Die LInke! Erstarken der IS-Schlächter: Halbwahrheiten verbreiten, das geschied bei Die Linke öfters! Plumper Antiamerikanismus hilft da nicht weiter! US-Politik schuf ein Monster: Die USA haben durch den Irak-Krieg diese Situation herbeigeführt...., das ist nur ein Teil der Wahrheit! Das Erstarken der ISIS wurde/wird begünstigt durch: Das Erbe der US-Invasion im Irak, den Syrienkrieg, die Zerstrttenheit der jetzigen Regierung in Irak, die Bigotterie der reichen Golfstaaten und die Defizite der orientalischen politischen Kultur! Saudi-Arabien, Katar und Kuwait: Die gekrönten Emire und Monarchen brüsten sich zwar als Bollwerk gegen den islamischen Radikalismus. Gleichzeitig aber lassen sie ihre reichen Ölprinzen gewähren: Superreiche Privatleute und fundamentalistische Stiftungen stecken Milliardensummen in die Finanzierung extremistischer Gotteskrieger und die Weltmission salafistischer Schariamoral!

  • Man kann und sollte die amerikanische Irak- und Nahostpolitik kritisieren,muss abe auch die Unterschiede zwischen Bush und Obama sehen. Obama war recht zögerlich im Libyenkonflikt, hat dort aber einen Völkermord verhindert. Er ist recht zögerlich in Syrien, die Situation dort rechtfertigt es immerhin, keiner der Kriegsparteien Waffen zu liefern. Und jetzt ist die USA das einzige Land, dass mit sehr begenzten militärischen Mitteln einen Völkermord an den Yessiden verhindert. Die heutigen Waffenlieferungen sind die Probleme der Zukunft. Die IS kämpft mit Waffen aus den Golfstaaten, aus der Türkei und modernsten aus dem Irak erbeuteten amerikanischen Waffen. Wer kämpft wohl zukünftig mit den an Kurden gelieferten Waffen?

  • Hilfe die Linken kommen!

    • @Arcy Shtoink:

      Da haben Sie offensichtlich etwas verpasst. Die LINKEN kommen nicht, sie sind da und zwar als drittstärkste Partei im Bundestag als Oppositionsführer... noch. Ich hoffe es werden nach der Wahl 2017 deutlich mehr...zweitstärkste Partei würde mir erst mal reichen.

      • @Willi:

        ... wie wärs mit Russen oder Islamisten ?

  • Wer hören will, was Gysi wirklich gesagt hat, HIER: http://www.ardmediathek.de/tv/Bericht-aus-Berlin/ARD-Sommerinterview-mit-Gregor-Gysi/Das

    Erste/Video?documentId=22868054&bcastId=340982 Sehr schön zu erkennen ist die Linkenphobie der beiden Angestellten des mit Zwangsbeiträgen finanzierten Staatsfernsehens. Zählen Sie mal die Stellen, wie oft Gysi nicht ausreden durfte.

  • "Wir liefern keine Waffen in Krisengebiete!"

    "An wen? Peschmerga? Ja, ich denke da sollte man mal ne Ausnahme machen dürfen..."

     

    Ambivalente Politik in Reinkultur!

  • Ist doch klar: Ein problematischer Waffenexport an Gruppe A wird korrigiert durch einen weiteren problematischen Waffenexport an Gruppe B. Minus mal Minus ergibt Plus. Gysi's Logik ist eben unbestechlich.

  • ...da werden sich die Jesiden in den Bergen sicher freuen, wenn Gysis deutsche Waffen in ein paar Wochen oder Monaten die Kurden erreichen... Da brauchen wir die USA nun wirklich nicht mehr...

  • Respekt, zumindest in dieser Angelegenheit sind Gysis Ansichten sehr vernünftig.