Greenpeace deckt Abfallexporte auf: Plastikmüll illegal verschifft
Greenpeace hat offenbar illegale Abfallexporte durch eine Recyclingfirma aus Reinbek aufgedeckt. Verschickt wurde giftiger und falsch gemischter Müll.
Die Umweltorganisation hat dafür zwischen 2020 und 2022 insgesamt 42 Ladungen Müll mit Ortungsgeräten versehen; viele davon bei Recyclingfirmen, die bereits vorher negativ aufgefallen waren; auf manche der Betriebe gab es auch Hinweise aus der Industrie selbst.
Die meisten Lieferungen, so das Ergebnis, blieben in Deutschland, solange der Tracker Signale sendete; 15, also etwas mehr als ein Drittel, wurden allerdings exportiert. Und bei mindestens vieren davon glaubt Greenpeace Verstöße gegen geltende Auflagen ausgemacht zu haben. Alle vier gingen von der gleichen Firma aus: Melor Edelmetall-Recycling mit Sitz im schleswig-holsteinischen Reinbek, östlich von Hamburg.
Konkret geht es unter anderem um eine Lieferung nach Malaysia. Bruchstücke aus Plastikgehäusen von Elektroschrott wurden dabei an einen Recyclingbetrieb bei Kuala Lumpur geliefert: Der Betrieb „PolyMix Plastic“ unterhält dort eine Sortier- und Zerkleinerungsanlage.
Kontaminierter Müll, unklarer Verbleib
Doch nach einem Vor-Ort-Besuch vermutet Greenpeace, dass die Firma Umweltstandards nicht einhält: Die Anlage trage zur Verschmutzung der benachbarten Gewässer und der Umgebung bei, schreibt die Umweltorganisation. Als Beleg dient das Foto eines brackigen Gewässers, das direkt an die Mauern des Recyclingbetriebs grenzt. Plastikteile und -flaschen schwimmen darin.
Zwei weitere Lieferungen nach Malaysia konnten nicht bis zum endgültigen Verbleib getrackt werden. Sie sind aber schon wegen ihres Inhalts verdächtig: Greenpeace hat die Hartplastikteile aus diesen Müllladungen positiv auf eine Bromverschmutzung getestet.
Die Baseler Konvention verbietet schon seit 1992 die grenzüberschreitende Entsorgung von gefährlichen Abfällen. Ob bei der Brombelastung tatsächlich rechtliche Grenzwerte überschritten wurden, steht nicht fest – dafür müssten aufwendigere Tests gemacht werden. „Aber der Verdacht ist nach den Tests sehr stark“, sagt Jakob Kluchert, Leiter des Greenpeace-Investigativteams.
Der vierte beanstandete Export ist eindeutig illegal – und das gleich doppelt. Verschickt worden ist eine Mischung aus PET- und PP-Plastikabfällen in die Türkei. Die allerdings erlaubt die Einfuhr von solchem Mischplastik gar nicht. Erschwerend kommt hinzu: Die Firma „Best Plast“ südlich von Adana, bei der die Mülllieferung am Ende gelandet ist, hat nach Greenpeace-Recherchen gar nicht die benötigte Lizenz vom türkischen Umweltministerium.
Illegale Müllexporte keine Einzelfälle
Wie das Mischplastik trotz des Verbots in die Türkei eingeführt werden konnte, bleibt unklar: Greenpeace konnte die einzelnen Lieferungen nicht chargengenau verfolgen. Die verantwortliche Firma für alle vier beanstandeten Lieferungen, Melor, beantwortete die taz-Anfragen bis Redaktionsschluss nicht.
Klar ist aber: Die Lieferung hätte laut dem Hamburger Zollamt „so präzise wie möglich“, das heißt, eindeutig als Mischabfall aus PET und PP ausgezeichnet sein müssen. Damit wäre klar gewesen, dass sie die abfallrechtlichen Bestimmungen zur Ausfuhr in die Türkei nicht erfüllt.
Neu ist das Problem illegaler Müllentsorgung nicht: Eine Studie des Umweltbundesamtes hatte 2010 gezeigt, dass damals jährlich 155.000 Tonnen zum Teil gefährlichen Elektroschrotts aus Deutschland ins außereuropäische Ausland exportiert wurden – dazu gehören auch die häufig mit Brom kontaminierten Plastikgehäuse von alten Elektrogeräten.
Aktuellere absolute Zahlen gibt es nicht. Aber bei Greenpeace geht man nicht von Einzelfällen aus. „Wenn von unseren Stichproben schon ein Drittel im Ausland landet und darunter mehrere Fälle illegaler Exporte sind, dann ist dieses Problem noch viel größer“, sagt Kluchert.
Müll ist monatelang unterwegs
Angezeigt hat die NGO die festgestellten Verstöße durch Melor bisher noch nicht. Sie fordert schärfere Kontrollen durch die deutschen Behörden. Zuständig sind neben dem Zoll vor allem die Abfallbehörden der Länder. Die Kritik von Greenpeace geht aber über die illegalen Lieferungen hinaus: „Natürlich sollte die bestehende Gesetzgebung besser kontrolliert werden“, sagt Kluchert. „Aber das eigentliche Problem ist, dass wir unseren Plastikmüll überhaupt weltweit verschiffen.“
Mehr als sieben Monate etwa war der Müll von Reinbeck bis zu seinem Endziel in Malaysia unterwegs, zeigt das Greenpeace-Tracking. Aber auch die drei- bis viermonatige Reise eines Ballens Plastikfolie bis nach Tel Aviv wirke absurd – schließlich könne das Material ohne Weiteres mit geringeren Klimakosten in Deutschland recycelt werden. „Das sind Exporte, die wahrscheinlich legal sind, aber illegitim“, findet Kluchert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Habeck wirbt um Fachkräfte in Kenia
Gute Jobs, schlechtes Wetter