piwik no script img

Graphic Novel über MaradonaSchreiendes Leder

Eine Graphic Novel zeichnet das bewegte Leben der Fußballlegende Maradona in opulenten Bildern nach. Darunter auch jene finstren Gestalten, die ihm das Koks schmackhaft gemacht haben.

Straßenszene in Neapel: Alter Mann vor Diego Armando Maradona Foto: Andrew Medichini/ap

S chon wieder so ein Gänsehautmoment mit Lionel Messi. Fans verbeugen sich. Tränen fließen. Winke, winke! Und dann, natürlich, noch ein Tor des Mannes, der im Winter Argentinien zum Weltmeisterttitel geführt hat. Messi, Messi über alles! Die Emotio­nen schwappten durch die ganze weite Social-Media-Welt des Fußballs. Aufgenommen worden waren sie in der „Bombonera“, dem Stadion der Boca Juniors in Buenos Aires..

Dorthin hatte Juan Román Riquelme zum Abschiedsspiel geladen. Der Ballkünstler, der seine Karriere bei diesem Klub aus Buenos Aires begonnen hat, hatte einen Tag nach seinem 45. Geburtstag zu einem letzten Tanz geladen. Argentinien mit Messi gegen die Boca Juniros, den Klub, von dem aus Diego Maradona einst Anlauf genommen hat zu seiner Karriere.

Brav sagte Riquelme, dass er es toll gefunden hat, auch mit Messi zusammengespielt zu haben – genauso wie mit Maradona. Warum sollte eine Nation nicht zwei Fußballheilige haben, mag man sich da fragen. Biografien, die sich wie Heiligenlegenden lesen, gibt es um beide Spieler noch und nöcher. Aber auch wenn über die Frage, wer von den beiden der bessere Fußballer gewesen sei, noch in 100 Jahren gestritten werden mag, gibt es über die Frage, wessen Leben mehr Stoff für die ganz große Erzählung hergibt, keine zwei Meinungen.

Das Leben von Diego Maradona war gewiss noch verrückter als jenes Tor, das der bei der WM 1986 in Mexiko im Spiel gegen England mit der Hand erzielt hat, und es war gewiss so aufregend wie das Tor des Jahrhunderts nach einem Lauf mit dem Ball über mehr als das halbe Spielfeld in der gleichen Partie.

„Die Hand Gottes“

Jetzt sind neue Bilder davon aufgetaucht. Ernesto Carbonetti hat sie für die Graphic Novel „Die Hand Gottes“ gezeichnet, die eben im Splitter Verlag erschienen ist. Paolo Baron hat die Geschichte von Maradonas Leben fürs Buch geschrieben, an dem man sich kaum stattsehen kann. So viele Bilder, die sich gewiss manch ein Fan, gäbe es sie als Poster, an die Wand hängen möchte, sind da zu sehen. Der Ball am Fuß des jungen, unermüdlichen Dribblers, dem die Behandlung durch Maradonas Fuß irgendwann einfach zu viel wird. „Stopp, ich kann nicht mehr!“, schreit das Leder dann.

Aber da sind auch die Bilder der sinistren Gestalten, die sich mit ihm schmücken wollen und ihm das Koks schmackhaft gemacht haben. Das sind die Bilder von Maradona mit den linken Führern Lateinamerikas, aber eben auch der Ausflug zum Friedensmatch nach Tschetschenien, wo er auf ­Einladung des dortigen Präsidenten Ramsan Kadyrow einst in einer Promi-Elf gespielt hat.

Der elegante Maradona, der Ritter, ist schön anzusehen. Und armselig der Ballkünstler mit Wampe und ohne Gewissen. Nein, zur Heiligenverehrung taugen die wuchtigen Bilder nicht, die da gezeichnet werden. Und sie bezeugen doch, wie wichtig Maradona für so viele Menschen war und vielleicht immer bleiben wird – nicht nur in Neapel, der Stadt, der er zwei Meisterschaften geschenkt hat.

„Ich war ein Straßenjunge aus einer armen Gegend in Neapel“, wendet sich der Erzähler zu Ende des Buchs an die Lesenden. Warum Maradona für ihn immer noch präsent ist, auch zwei Jahre nach seinem Tod? „Weil er mir half zu wachsen. Sogar mit seinem schlechten Beispiel.“ Und weil er war „wie ein Heiliger im Rückwärtsgang, der zuerst Wunder vollbringt und sich dann selbst zerstört“.

Das möge Lionel Messi erspart bleiben. Es kann ja nicht jeder ein Leben führen, als hätte es sich jemand für eine bildmächtige Graphic Novel ausgedacht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!