Gorillas und das LKA: Staatsschutz beobachtet Streikende

Seit Juni beobachten Staatsschützer Proteste von Gorillas-Mitarbeitern. Begründet wird dies mit Unterstützungsaufrufen „linksextremistischer Gruppen“.

Transparent und Demonstrierende vor Gorillas-Zentrale

Gorilla-Protest in der Schönhauser Allee am Mittwoch, 6. Oktober Foto: dpa

BERLIN taz | Bei einer Kundgebung vor der Zentrale des Lebensmittellieferdienstes Gorillas an der Schönhauser Allee am Mittwoch vergangener Woche stehen zwei auffällig unauffällige Männer in Kapuzenpullovern an ein Auto gelehnt und beobachten die Szenerie aus einigen Metern Abstand. Die beiden sind Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) der Berliner Polizei, Abteilung Staatsschutz und damit zuständig für „politisch motivierte Kriminalität – links“. Was aber haben sie bei einem Arbeitskampf verloren?

Das Start-up hatte in den Tagen zuvor bis zu 350 Mitarbeiter vor der Tür gesetzt, ohne vorherige Abmahnungen und oftmals nur mit einem lapidaren Anruf. Vorgeworfen wurde ihnen die Beteiligung an „wilden Streiks“, Arbeitskämpfen also, die nicht von einer Gewerkschaft organisiert sind und häufig pauschal als illegal betrachtet werden. Der Arbeitsrechtler Martin Bechert, der einige der gekündigten Gorillas-Mitarbeiter vertritt, hatte dieser Ansicht zuletzt in der taz widersprochen.

Doch ein Streik, der womöglich arbeitsrechtliche Konsequenzen hat, hat deswegen noch keine strafrechtliche Relevanz. Die Proteste und auch Blockadeaktionen der Gorillas waren stets friedlich verlaufen, so auch am vergangenen Mittwoch. Die Betroffenen hatten sich zur Lärmdemo versammelt, schlugen auf Töpfe und bliesen in Trillerpfeifen.

Auf Anfrage teilt die Polizei mit: „Grund für die Anwesenheit der LKA-Mitarbeiter war ein Tweet der Rigaer 94.“ Das autonome Hausprojekt war am selben Morgen von 350 Po­li­zis­t:in­nen durchsucht worden. Später twitterte das Projekt weitere Termine des Tages, darunter den Protest „in Solidarität mit den Gorillasworkers“. Für die LKA-Beamten sei es darum gegangen, „zu schauen, ob sich da möglicherweise Personen aus der Szene anschließen.“ Weiterhin hieß es vom Polizeisprecher: „Die eigentliche Kundgebung stand nicht im Interesse des Staatsschutzes.“

Genauso hatte der Sprecher auch schon gegenüber der Tageszeitung Junge Welt die Anwesenheit der Beamten erklärt. Der Landesgeschäftsführer der Journalistengewerkschaft DJU bei Verdi, Jörg Reichel, hatte daraufhin am Dienstag via Twitter der Polizei Falschaussage unterstellt und geschrieben: „Falsch. Das LKA beobachtet seit dem 1. Tag der Streiks die Gorillasworkers.“ Auf Anfrage der taz sagte Reichel: „Es scheint offensichtlich ein Ermittlungsinteresse zu geben, sonst würde man das nicht über den langen Zeitraum beobachten.“

Beobachtung schon im Juni
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Auf Bildern, die der taz vorliegen, ist zu sehen, wie schon beim ersten öffentlichen Protest der Fah­re­r:in­nen am 9. Juni vor einem Warenlager in der Charlottenstraße am Checkpoint Charlie zwei Staatsschützer in Zivil das Treiben beobachten. Laut Reichel begleiteten die Beamten die Protestierenden dann auch, als diese sich zu einem anderen Warenlager in der Torstraße bewegten. Bei der dortigen Blockade des Lagers waren anschließend etwa 40 Po­li­zis­t:in­nen am Einsatz.

Auch am Folgetag, dem 10. Juni, als Gorillas-Beschäftige abermals die Wiedereinstellung eines gefeuerten Kollegen forderten, wurden sie vor einem Gorilla-Standort an der Prenzlauer Allee von vier Zivilbeamten mit Polizeiwesten beobachtet. Laut Reichel, der selbst vor Ort war, gingen die Beamten sogar durch die Menge, um sich die Gesichter der Streikenden anzuschauen. Für den Gewerkschafter ist die Staatsschutz-Beobachtung der Streikenden ein „Skandal“. Er sagt: „Ich verurteile das auf das Schärfste“.

An Donnerstag beantwortete nun auch die Polizei, warum sie bereits im Juni bei den Gorillas-Protesten mit szenekundigen Be­am­t:in­nen zugegen war. Auch dies begründet sie mit „diversen Einträgen von linksextremistischen Gruppen“ auf Twitter, sich den Protesten anzuschließen. Die Arbeitskämpfe selbst würden „keinem polizeilichen Ermittlungsansatz unterliegen“.

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