Goodbye, Adios, Auf Wiedersehen: Unsere Obamas
Eine Ära endet. Nicht nur Barack Obama war ein Role Model, sondern auch Michelle, Malia, Sasha, Bo und Sunny.
Eine skandalfreie Familie
Es muss anstrengend gewesen sein, die Obamas zu hassen. Damit sich Leute aufregen konnten, mussten Dinge erfunden werden. Barack Obamas Geburtsurkunde gefälscht, Michelle Obama transsexuell. Ach Gottchen. Aber echte Skandale: nirgends.
Die Obamas gaben acht Jahre lang das Bild einer perfekten Familie ab. Entweder hatten sie viel Glück. Oder sie waren eine. Keine Drogen, keine Eskapaden, keine Korruptionsaffären, nicht einmal Pubertäten. Die Obama-Töchter werden das Weiße Haus, so scheint es, auch nicht als Menschen verlassen, die ihrer Kindheit beraubt wurden. Michelle Obama nannte sich, durchaus selbstironisch, „Mom in Chief“.
Dafür, dass sie ihre Mutterrolle so betonte, gab es auch Kritik. Die feministische Autorin Gloria Steinem aber, 82, betont einen anderen Aspekt. Sie habe keine Präsidentenfamilie erlebt, die respektvoller miteinander umgegangen sei. Sie sieht in den Obamas das Musterbeispiel einer nicht hierarchischen Familie. Und darin eine Keimzelle der offenen Gesellschaft.
Die Aufsteigerin
Sie konnte mit vier Jahren lesen, übersprang eine Klasse und hat Abschlüsse aus Harvard und Princeton. Gearbeitet hat Michelle Obama als Anwältin, als Assistentin des Bürgermeisters von Chicago und im Management einer Universitätsklinik, wo sie mehr als 200.000 Dollar pro Jahr verdiente.
Dennoch verspüre sie auch heute noch Zweifel, zitierte sie der Guardian: an ihrer Eignung, ihrer Intelligenz, gesät von Lehrern, die kritisierten, ihre Träume seien zu groß für jemanden ihrer Herkunft: ein Mitglied der Unterschicht, aus der South Side, dem Elendsviertel Chicagos, wo sich ein Großteil der knapp 750 Schießereien letztes Jahr ereignete.
Zwei Männer aus einfachen Verhältnissen wollen die Grünen als Spitzenkandidaten in den Wahlkampf führen. Zwei Männer, die so gar nicht zur bürgerlichen Bio-Bohème zu passen scheinen. Das Doppelporträt von Anton Hofreiter und Cem Özdemir lesen Sie in der taz.am wochenende vom 14./15. Januar 2016. Außerdem: Abschied von den Obamas, der skandalfreisten US-Präsidentenfamilie aller Zeiten. Und: endlich Schnee! Unsere Chance, alles über Schnee zu sagen, was es zu sagen gibt. Das alles und noch viel mehr – am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.
Dann ist Michelle Obama auch noch eine schwarze Frau. Nicht die besten Karrierevoraussetzungen – oder gerade ein Ansporn: In ihrer Schulzeit steht sie oft um vier Uhr früh auf, um zu büffeln. Sie und ihr Bruder sind die Ersten in der Familie, die studieren. Als First Lady steckte sie viel Energie in den Kampf für mehr Bildung – für sie „eine persönliche Angelegenheit“.
Für Schüler aus Arbeiterfamilien fordert sie einen leichteren Zugang zu Hochschulen. Und bessere Bildung für Frauen, weltweit. Freida Pinto und Meryl Streep unterstützen sie darin. In Marokko, wo fast die Hälfte aller Frauen Analphabeten sind, haben sie gemeinsam einen Film gedreht. Für die Bildung hat Michelle auch schon gerappt: im taillierten Blumenkleid, mit Sonnenbrille und Hochsteckfrisur, im Hintergrund das Weiße Haus.
Lady Cool
Adele, Madonna, George Michael, Justin Bieber, Jennifer Lopez – das Highlight der Reihe „Carpool Karaoke“ aber war die First Lady. Im Sommer 2016 stieg sie in das Auto von James Corden, der darin mit Berühmtheiten plaudert, Pommes ist und lauthals singt. Die Folgen sind Teil der „The Late Late Show“ und werden regelmäßig zum viralen Hit.
Michelle Obama und er sangen Stevie Wonder und Beyoncé. Mit Missy Elliot, die plötzlich auf dem Rücksitz auftaucht, rappte sie „This Is For My Girls“ – passend zu ihrer Kampagne „Let Girls Learn“, die das Ziel hat, Mädchen weltweit Bildung zu ermöglichen. Obama erzählte, dass der 24-Stunden-Room-Service im Weißen Haus zwar schön sei, sie sich aber ihr Sandwich auch selbst machen könne. Sie lachte, wirkte lässig und war textsicher. So eine Mom wünscht man sich.
Klar, „Carpool Karaoke“ ist Teil der perfekten Inszenierung. Dennoch: Es war einer der prägendsten TV-Auftritte von Michelle Obama. In diesen 13 Minuten ist all die Coolness, all die Offenheit, all der Witz, die Klugheit, der Esprit zu spüren, den wir in den vergangenen acht Jahren von ihr kennen und lieben gelernt haben.
Die Ernährungsberaterin
200 Dollar – mehr soll es nicht gekostet haben, als Michelle Obama 2009 einen Gemüsegarten südlich des Weißen Hauses anlegen ließ. Die Beete wurden mit Holz eingefasst, Grünkohl und Salat wurden gesät. 55 Arten wuchsen in der ersten Saison.
Der Kleingarten ist zum Symbol geworden für die Ernährungspolitik in der Ära Obama. Zwei Drittel der Amerikaner sind übergewichtig, 36 Prozent der Erwachsenen adipös, ebenso 17 Prozent der Kinder. Die Zahlen sind nur wenig höher als in Deutschland. Das extreme Übergewicht ist Grundlage für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Und je prekärer die Menschen leben, desto dicker sind sie. Unter Schwarzen, Latinos und indianischen Ureinwohnern ist Fettleibigkeit besonders verbreitet.
Nicht reden, machen – eine Devise der First Lady. Sie tanzte auf YouTube, gärtnerte in der Sesamstraße, griff sich in Kochshows die Kochlöffel. Alles im Rahmen der „Let’s Move!“-Kampagne, die sie 2010 startete. Das Ziel: Adipositas bei Kindern innerhalb von einer Generation zu beenden – mit besserem Essen und mehr Bewegung. Es gibt heute in den USA über 2.000 Schulgärten nach dem Vorbild des Weißen Hauses. Die Obama-Administration flankierte das Vorhaben. Mit Regeln für bessere Schulverpflegung und Gratisessen für arme Kinder.
Die US-Ernährungsbehörde stellte ihre Leitlinien auf den Prüfstand. Auf Packungen muss nun der zusätzlich in Lebensmitteln versteckte Zucker angegeben werden. Selbst ernährungspolitische Aktivisten, die kritisch sahen, dass sie mit Disney oder Walmart kooperierte, zollen Michelle Obama Respekt. Was sie gegen die Mehrheit im Kongress geschafft hat, „grenzt an ein Wunder“, sagt die Ernährungsexpertin Marion Nestle.
Der Gemüsegarten ist in den Jahren auf fast 200 Quadratmeter gewachsen. Die Wege sind jüngst gepflastert, die Ränder der Beete mit Metall verstärkt worden. Donald Trump soll es nicht leicht haben, wenn er hier ein Putting Green anlegen will.
Die Hunde – echte Obamas
Wenn wir ins Weiße Haus einziehen, bekommt ihr einen Hund, sprach der Papa. Es wurden im Lauf der Zeit zwei daraus, Bo und Sunny, Portugiesische Wasserhunde. Sie wurden ausgewählt, weil mit ihnen auch leben kann, wer, wie Obama-Tochter Malia, eine Hundehaarallergie hat.
Bo und Sunny nahmen also Rücksicht auf Menschen, die in irgendeiner Weise verletzlich waren. Dafür stand auch Michelle Obama, die alle umarmte. Dafür stand die erste schwarze Familie im Weißen Haus ganz allgemein. Auch die Hunde sind irgendwie Obamas.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge