Golfsport und Muskelkraft: Ein massiger Schläger wird gezähmt
Bryson DeChambeau prügelt die Golfbälle, als wolle er sie platt kloppen. Aber er gewinnt große Turniere. Und kürzt auch schon mal ab.
W ir müssen unseren Blick unbedingt mal den Profis zuwenden. In deren Saison, zuletzt von einigen Covid-Ausfällen zerfleddert, steht jetzt ein Rekordhalbjahr an mit sechs Top-Events im Monatstakt: Vier Majors, dann (so es stattfindet) Olympia in Japan und Ende September der Teamclash USA – Europa: Ryder Cup.
In 14 Tagen geht es los. Dann blühen in Augusta Azaleen und Magnolien um die Wette, dann ist Masters-Time: das irrwitzigste aller Golfevents, so vor schrulliger Tradition und Dünkel triefend, dass selbst GolfhasserInnen mit ihren Vorurteilen begeistert sein müssten.
Es soll ZuschauerInnen geben. Indes nicht 40.000 täglich, wie sonst, sondern ein kleiner Teil davon. Wie viele, dafür müssen Frauen als Testpersonen herhalten. Nächste Woche findet auf dem edlen Gewächs ein Damenturnier statt, mit wechselnder Zahl an Publikum. Dessen Verhalten will man checken, die Hygieneregeln beobachten und dann eine Höchstzahl festlegen. Wie schön, dass der bornierte Herrenclub seit 2019 erstmals Frauen auf sein Geläuf lässt. Jetzt können die Damen dienen, als Covidschutzindikator, als Reallabor-Rättinnen.
Einer der Männerfavoriten ab 8. April: Bryson DeChambeau, 27, die meiste Muskelmasse Mann, die je Golfbälle schlug, besser: prügelt und malträtiert, als wolle er sie platt kloppen. Über 20 Kilo hat er auftrainiert, bis er zum golfenden Michelin-Männchen wurde, 115 Kilogramm schwer. Seine Fans nennen den Haudrauf auch Bulk, was so viel wie Masse bedeutet.
Die austrainiertesten Golfer mit den besten Hebelkräften schlagen maximal 300 Meter, bis der Ball landet. Anfang März war beim Turnier in Orlando ein Par 5 zu spielen, in Hufeisenform, Länge 500 Meter, rund um einen riesigen See. Der geplante Weg: Rundherum, drei Schläge zum Ziel. DeChambeau nahm vom Abschlag an zwei Tagen den direkten Weg, 345 Meter bis zum anderen Ufer. Und die Monsterhiebe kamen neben dem Grün an. Zudem hielt seine Wirbelsäule den irren Verwringungen stand. Er gewann tatsächlich das Turnier, aber auch wegen seines superben Gefühls beim Putten.
Mit Abkürzungshieben über Wasserhindernisse
Der Mann polarisiert wie kein zweiter. Die einen bewundern seine Kraft, sein wissenschaftlich ausgeklügeltes Spiel, inklusive Muskelaufbaudiät und spezifisches Herzschlagtraining. Andere sehen ihn als Henker des klassischen Sports. Die brachialen Fernschüsse stören Golfästheten und Golfplatzarchitekten.
Eine Woche nach seinen Abkürzungshieben plante er auch beim nächsten Turnier, eine Bahn anders zu spielen, wieder über ein „Wasserhindernis“ (Golfsprech für See). Kurzerhand kennzeichneten die Verantwortlichen die anvisierte Landezone als Aus. Angeblich „zur Sicherheit der Fans und freiwilligen Helfer“. Klar, das war eine Lüge, der Mann sollte gezähmt werden.
DeChambeau nahm es mit Fassung, schaffte auch über die Zwangsumwege fast schon wieder den Sieg und sagte: „Man kann einen Platz nicht Bryson-sicher machen.“ Wenn er sich damit mal nicht vertut. Demnächst könnte es außer beliebigen Sicherheitszonen hohe DeChambeau-Netze geben wie beim Hammerwerfen, aufgespannt an den Abschlägen, um abkürzende Schrägwege auszuschließen. Vielleicht schon in Augusta?
Allerdings: Bei solchen Käfigen, igitt, würden Augusta-Traditionalisten, also alle, sicher aufbegehren. Änderungen? Niemals, und schon gar nicht solch ästhetische Verbrechen für so einen Muskelschnösel.
Aus Golfers Abc der Vorurteile, heute R wie Rekorde: „Wenn die weiter so hauen, ist ein 18-Loch-Platz bald mal mit 18 Schlägen erledigt. Wie öde.“ Sicher nicht in Ansätzen, außer man heißt Kim Jong Il. 2009 ließ Nordkoreas damaliger Chef propagandieren, er habe elf Asse auf einer Runde gespielt. Nachweislicher Profiplatz-Weltrekord sind 58 Schläge. Eine britische Golferin schaffte einmal unter Zeugen drei Hole-in-ones an einem Tag, auf zwei Runden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind