Golfsport in der Klimakrise: Bretthart und windelweich
Nach extremen Regenfällen und langen Perioden ungeahnter Hitze laufen einem Golfklub die Mitglieder davon. Der macht seine Anlage nun klimaresilient.
D em Klischee nach ist Golf ein Spiel auf saftiger grüner Wiese. Deshalb war Golf bis vor gut 20 Jahren etwa auf den Wüstenplätzen im Sultanat Oman nur möglich, wenn man in der Tasche ein Stück saftigen Rasens mitnahm, den Ball nach jedem Schlag auf dem steinharten Gelände wieder aufnahm, ihn auf das Rasenstück legte – und weiterspielte.
Nicht zufällig ist Golf im regensicheren Britenlande sehr verbreitet. Aber Niederschlag ist nur in Grenzen hilfreich. Das schlammige Geläuf meines Platzes nebenan in Belgien hat dazu in diesem Jahr einige Erkenntnisse beigetragen. Golf ist ein guter Indikator für die Klimakatastrophe.
Monatelang war der Platz in fürchterlichem Zustand. Das hatte zwei Gründe. Der Untergrund im niederländisch-belgischen Mergelland ist lehmiger Mergelboden, da versickert alles viel langsamer als woanders. Und dann war 2024 im Dreiländerland rund um Aachen das nasseste Jahr der Geschichte. Statt üblicher gut 800 Liter per annum sind es jetzt schon bald 1.200, also fast die Hälfte mehr. Allein im Mai fielen 327 Prozent Regen.
Bis in den Sommer hinein steckte man manchmal bis zu den Knöcheln im Schlamm. Besonders versumpfte Bereiche wurden deshalb gesperrt und zum GUR erklärt: Ground Under Repair. Das hatte putzige Regelfolgen: Wenn man in solche mit blauen Pfosten markierten Bereiche hineintrifft, darf man den Ball aufheben, sauberwischen und, fast schon omanisch, von einer Stelle daneben weiterspielen – wenn man den Ball denn wiederfand in den Sümpfen.
Geläufbedingt fielen zahllose Turniere aus. Ansonsten gingen die Teilnehmerzahlen massiv zurück. Bald hatte der Klub viel Geld in die Hand genommen, um zu graben, neue Drainagen zu verlegen, zig Tonnen Sand auszubringen. Wir lernten: Solche Tiefenauflockerung heißt Vertidrainieren.
Der Platz ist seitdem zerfurcht mit kreuz und quer gewundenen schmalen Gräben, mit Sand verfüllt. Im Klubjargon hießen diese bisweilen 100 Meter langen Spielbegleitgräben bald Schlangenbunker. Bis sie eingeerdet und -gesät sind, sieht der Platz von oben wahrscheinlich aus wie das Gesicht von Bernhard Langer.
Extremwetter ist extrem üblich geworden. Die Flutkatastrophe im Juli 2021 hatte auch unseren Golfplatz stellenweise in eine Seenlandschaft verwandelt. Aber in der Sommerwärme war alles bald wieder versickert. Die jetzigen Zustände sind strukturbedingt.
Wir wissen: In manchen Weltgegenden, etwa in Afrika, wird ein Überleben für Homo sapiens glutbedingt bald kaum mehr möglich sein – die Folge: massive Fluchtbewegungen in unsere ungeeignet versiegelten Asphaltstädte, die unter Hitze ächzen und auch mal wüst geflutet werden. Jetzt lernen wir: Homo schwingensis kann auch nicht mehr überall spielen wie noch vor zwei Generationen. Golfplätze brauchen neue Standortkriterien.
Etwa 100 der 800 Mitglieder in meinem Klub haben nach dem Schlammjahr gekündigt. Für die Platzbetreiber ist das desaströs. Erst das fette Extra an Reparaturkosten, jetzt fehlende Einnahmen von fast 10.000 Euro an Monatsbeiträgen. Viele der Abtrünnigen sind zum Golfclub Kambach nach Eschweiler gewechselt. Das ist der trockenste Platz der Region, wegen seines sandigen, wasserdurchlässigen Bodens. Allerdings ist Kambach, anders als unser landschaftlich zauberhafter und herausfordernder Bergziegenplatz, flach und langweilig. Aber er ist halt klimakatastrophengeeigneter.
All das bedeutet: Golfplätze müssen nicht, wie die Werbung immer wieder herumgaukelt, besonders schön gelegen sein und sportlich betörend abwechslungsreich. Sondern vor allem klimaresilient und im Alltag widerstandsfähig. An monatelange Vermatschung hat vor 30 oder 40 Jahren niemand gedacht, auch nicht an heißsommerlich über Wochen weggedörrte Fairways. Regen war Regen, Sonne war Sonne, Wetter war Wetter. Vorbei. Unseren Platz würde wohl niemand mehr bauen.
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