Golfduell der Kontinente: Ohne jeden Osten

Asiatinnen dominieren seit Jahren das Frauen-Golf deutlich. So gesehen ist der Solheim Cup Europa-USA eine fast zweitklassige Veranstaltung.

Golfspielerin Caroline Masson

Schlagkräftig: Caroline Masson, eine von zwei Deutschen in der Europaauswahl. Foto: dpa

ST. LEON-ROT taz | Die Pfützen auf den Fairways wuchsen allmählich zu kleinen Seen, gestern bei den Proberunden. Der Schlamm nebendran hat schon saftige Tiefe; alles ist pitschnass. Es schüttet. „Und ich dachte, in Deutschland scheint immer die Sonne“, sagt mit ironischem Timbre Europas Teamkapitänin Carin Koch. Sie kommt aus dem Regenland Schweden.

Die Greenkeeper werden den perfekt hergerichteten Platz in St. Leon-Rot in einer Nachtschicht wieder herrichten müssen. Und dann kommt ab Freitag noch täglich eine Herde von 30.000 Zuschauern, wenn der Solheim Cup beginnt, das große Duell der Golferinnen aus Europa und den USA, erstmals in Deutschland ausgetragen. Wenn die Golffans denn herfinden: Die Wiesenparkplätze sind schon gesperrt, letzte versumpfte Wagen weggeschleppt; geparkt werden soll jetzt an der Arena Sinsheim, 30 Kilometer entfernt, dann geht es weiter mit Shuttlebussen durch den Autobahnstau. Happy Chaos.

Europa – USA, bei den Golf-Männern heißt das Ryder Cup und ist das wichtigste Turnier alle zwei Jahre: Teamwettbewerb statt Solistenevent, heftige Emotionen statt demonstrativer Coolness, grölende Fanmassen. Europa als ein gemeinsames Team ist ohnehin einmalig. Es geht allein um die Ehre, Geld wird auf der Tour verdient.

Ähnlich beim Solheim Cup: eine singende und brüllende Kulisse wird erwartet und schön aufgeheizte Stimmung. Der große Antrieb: Es den anderen richtig zeigen. Hier wie dort wird ein Golfplatz ringsum verschandelt mit ausladenden weißen Zeltstädten – für Fernsehen, Sponsoren, Funktionärsbataillone und andere wichtige Menschen. „Stolz, Würde, Ehre“ steht kitschprall in großen Lettern über den Stahlrohrtribüneneingan zu Abschlag 1.

Wie Fliegenfischen oder Seniorensquash

Bei Licht besehen ist der so immens gehypte Solheim Cup indes eine Veranstaltung mit zweitklassiger Besetzung. Simpler Grund: Europa und Nordamerika sind bei den Frauen golferisch annähernd Drittweltländer. Seit Jahren dominieren Asiatinnen die Szene, mehrheitlich aus Korea. Aktuell sind 12 der 20 Weltranglistenbesten aus dem asiatisch-pazifischen Raum, ganz oben Inbee Park aus Korea gefolgt von der Neuseeländerin Lydia Ko, 18, gebürtig aus Seoul.

Von den Top 50 können 28 in St. Leon-Rot qua Herkunft gar nicht antreten. Allein Korea hat so viele Spielerinnen in der Top 50 wie Europa und die USA zusammen (je 18). Das ficht offiziell niemanden an. Die „besten Damen der Welt“ seien bei der größten Golfveranstaltung, die es je in Deutschland gab, am Start, so der stolze Verband. Noch nie wird so viel Golf live im deutschen Free-TV gezeigt: 19 Stunden in SWR, Eins+ und der ARD.

Darunter gibt es am Sonntag im Ersten „die erste Live-Übertragung eines Golf-Turniers im öffentlich-rechtlichen Hauptprogramm in diesem Jahrtausend“. Wow! Und das mit Frauen-Golf, einer Sportart, die hierzulande, anders als in den USA oder Schweden, sonst eine Aufmerksamkeit genießt wie Fliegenfischen oder Seniorensquash.

Die Spielerinnen Europas kommen aus sieben Ländern, darunter erstmals zwei Deutsche, die chic-kokette Sandra Gal und die frisch-charmante Caroline Masson. Der Solheim Cup ist auch Marketing-Instrument für die Männer: Der Glanz des Turniers möge das Pendel im letzten Moment (Entscheidung im Herbst) für die Zusage zum Ryder Cup 2022 in Bad Saarow bei Berlin ausschlagen lassen. Der Golfverband läd am Freitag, während die ersten Bälle fliegen, ins Zelt – Tagesordnungspunkt unter anderem: Neuigkeiten zur Ryder-Bewerbung. Nicht eben sehr respektvoll.

Training bis zu 12 Stunden am Tag

Golf verlangt immensen Fleiß bis zum nahezu perfekten Schwung, ein reichlich bemessenes Maß an Demut, hinnehmen statt zu klagen. Nichts kann man zwingen, alles muss fließen. Allesamt Eigenschaften, die asiatischer Mentalität entgegenkommen. Warum allerdings die asiatischen Männer selten mehr als Mitläufer des Golf-Zirkus sind, hat noch niemand erklären können, kein Soziologe, Ethnologe, Sportwissenschaftler. Sandra Gal glaubt, dass es auch daran liegt, „dass Jugendliche, insbesondere in China, bis zu 12 Stunden am Tag trainieren“ - vor allem Mädchen.

Bei aller Relativierung: Großer Sport ist garantiert, bei jedem Wetter, auch wenn sich manche im badischen Dauerregen schon an Celtic Manor erinnert sehen, an 2010, als der Ryder Cup fast in walisischen Schlammwüsten erstickt wäre.

Beim Abschlusstraining gehorchten die Bälle trotzdem: Sandra Gals Eagle-Ball an Bahn 2 prallte an die Fahnenstange, und die 19-jährige Engländerin Charley Hull schaffte gleich danach ein Hole-in-One aus gut 150 Metern. Falls Europa nach den 16 Doppeln am Freitag/Samstag und den 12 Einzeln am Sonntag gewinnt, wäre es der 3. aufeinanderfolgende Sieg gegen die wie immer ranglistenfavorisierten Amerikanerinnen.

Und wenn die Anlage am Sonntagabend ruiniert ist, muss Eigentümer und Gründungspräsident Dietmar Hopp halt kurz mal ans Festgeldkonto.

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