piwik no script img

Goldschakal auf SyltDer Schuss bleibt erstmal aus

Umweltschützer hatten mit einer Klage gegen den Abschuss des Wolfsverwandten Erfolg. Übergriffe auf Schafe seien laut Wildtierexperten die Ausnahme.

Zwei Schafe am Lister Ellenbogen – viele ihrer Artgenossen wurden vom Goldschakal auf Sylt gerissen Foto: Lea Sarah Albert/dpa

Göttingen taz | Die Einwanderung von Goldschakalen nach Deutschland verlief in den vergangenen Jahren eher klammheimlich und unter dem öffentlichen Radar. In den letzten Wochen aber hält ein Exemplar die Öffentlichkeit auf Trab. Muss der streng geschützte Schakal getötet werden oder nicht?

Auf der Nordseeinsel Sylt hatte das Tier Anfang Juni Dutzende Schafe gerissen und ihnen teils auch die Ohren abgebissen. War zunächst von rund 50 Opfern die Rede, verdoppelte sich die Zahl später auf beihnahe 100 getötete Lämmer und Mutterschafe.

Die Entscheidung des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums, den Schakal zum Abschuss freizugeben, hielt gerade mal eine Woche. Umwelt- und Jagdverbände im Bundesland hatten vehement dafür geworben, obwohl Goldschakale in Deutschland geschützt sind.

Umweltschützer klagten gegen die Ausnahmegenehmigung. Kurzzeitig hätte jeder Jäger das Tier trotzdem schießen dürfen – bis das schleswig-holsteinische Verwaltungsgericht vergangene Woche einem Widerspruch statt gab. Dieser hat nun zumindest „aufschiebende Wirkung“, bis über den Antrag selbst entschieden ist.

Das Massaker an den Sylter Schafen hatte durchaus verwundert. Hieß es doch bislang, Goldschakale attackierten allenfalls vereinzelt mal ein Schaf. Auf ihrem Speisezettel stünden meist aber Beeren und Mais, Aas und Schlachtabfälle, Insekten, Amphibien, Fische sowie auch mal kleine Säugetiere wie Mäuse.

„Goldschakale sind Nahrungsopportunisten“

Grundsätzlich gelte das nach wie vor, sagt der Goldschakalexperte Felix Böcker vom Wildtierinstitut der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, der taz: „Goldschakale sind Nahrungsopportunisten. Das heißt, dass sie sich von den Dingen ernähren, die in großer Zahl vorkommen und mit wenig Energieaufwand zu bekommen sind.“ Aber Goldschakale seien auch sehr anpassungs- und lernfähige Tiere, „es gibt also auch immer Individuen, die sich auf bestimmte Verhaltensweisen spezialisieren können.“

Wildtiere, die sich von anderen Tieren ernähren, hätten ihr Jagdverhalten über eine lange Evolution den natürlichen Beutetieren angepasst, erläutert der Experte. Wichtig für den Jagderfolg sei, „dass ein Beutetier einen Reiz beim Jäger auslösen kann, der es dazu bringt, das Tier zu jagen und zu töten“.

Dieses Verhalten werde unter natürlichen Bedingungen meist einmal ausgelöst, auch wenn andere Beutetiere präsent seien. Komme es zu Situationen, in denen Beutetiere nicht mehr flüchteten – wie es bei den eingezäunten Sylter Schafen wohl der Fall war – könne der Reiz zu jagen und zu töten immer wieder ausgelöst werden. „Dieses sogenannte surplus killing ist genauso auch von Wölfen, Hunden, Füchsen oder Mardern bekannt.“

Dabei werde häufig mehr erbeutet als überhaupt gefressen werden könne. Vorfälle wie jetzt auf Sylt blieben beim Goldschakal eine Ausnahme, betont Böcker. „Trotzdem werden solche Ausnahmen auch in Zukunft vorkommen.“ Ob der Sylter Goldschakal, sofern er dem beschlossenen Erschießungstod entgeht, auch in Zukunft Nutztiere angreifen wird, ist laut Böcker völlig unklar.

Er sieht im Abschießen auffälliger Einzeltiere ohnehin nicht die Lösung des Problems. Wichtig findet er, „dass ein qualitatives, ganzheitliches Management für den Umgang mit solchen Tierarten konzipiert wird“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • zu meinen beiden Vorrednern:

    Der Goldschakal ist weder ein Neozoon, geschweige denn invasiv.

    Er dehnt derzeit lediglich sein Verbreitungsgebiet nach Westen aus.



    Das ist etwas völlig anderes.

  • Wenn Tierschützer nur mal kapieren würden, dass ihre Modelle vom Verhalten verschiedener Tierarten eben genau das sind: MODELLE! Die passen manchmal, und die passen manchmal nicht. Entgegen ihrer Annahme, dass der Goldschakal alles mögliche Andere frisst, scheint sich dieser spezialisiert zu haben auf Ohren von Mutterschafen und ihren Lämmern, wozu er sie leider töten muss, Passt ja auch: Sind viele und leicht zu erlegen. Wir haben diesen ganzen Quatsch von "steht nicht auf ihrer Speisekarte" doch nun mit dem Wolf schon durch. Da hat mir (und einem interessierten Publikum) 2010 auch schon so ein Experte erzählt, Schafe stünden gar nicht auf seiner Speisekarte... - Er gilt heute noch als Wolfs-Experte und redet immer noch denselben Unfug.

  • Echt abartig- die invasive Art Goldschakal ist warum noch mal streng geschützt?? Und die Lämmer und Schafe sind warum gar nicht geschützt?



    Riecht für mich nach ideologisch begründetem Schutz der falschen, Gesetz oder Gericht sollten gecheckt werden.

  • Wieso sind Goldschakale in Deutschland besonders geschützt? Im Gegensatz zum Wolf sind sie Neozoen, sie gab es früher nicht in Deutschland.



    Deichschafe dagegen sind für die Nordseeinseln überlebenswichtig. Sie halten das Gras auf den Deichen kurz und verdichten den Boden. Beides ist für sichere Deiche notwendig. Im kurzen Gras fühlen sich Karnickel nicht wohl, es fehlt der Sichtschutz. Und auch im verdichteten Boden ist es für Karnickel etc... schwieriger, Löcher und Gänge in den Deichen anzulegen.