Globaler Klimastreik in Berlin: „Was muss noch passieren?“
Zum Klimastreik zieht es Zehntausende vor das Brandenburger Tor. Die Erwartungen der OrganisatorInnen werden übertroffen.
Es ist 11 Uhr am Freitagmorgen, und schon jetzt reicht die Menschenmenge vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule. Es müssen mehrere zehntausend Menschen sein. Genaue Zahlen gibt es zu diesem Zeitpunkt nicht. Sie stehen mit Abstand, ganz coronakonform: Auf dem Boden sind weiße Punkte markiert, jeweils zwei Meter voneinander entfernt. Um 6 Uhr morgens sollen die Organisator:innen begonnen haben, diese bis zur Siegessäule aufzumalen.
Dieser Freitag ist ein besonderer Tag. Es ist der erste Fridays-for-Future-Streik, der wieder auf der Straße stattfindet. Die Coronapandemie hatte Debatten gelähmt, große Proteste auf der Straße kaum möglich gemacht und die Klimakrise schlichtweg medial überlagert. 270.000 Menschen waren es beim letzten globalen FFF-Klimastreik im Herbst 2019 in Berlin, die für striktere Klimaziele demonstriert hatten. Sie forderten die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens. Die Enttäuschung war kurz darauf groß, denn die Bundesregierung präsentierte ein eher dürftiges „Klimapäckchen“.
Die Demonstrierenden sitzen nun, ein Jahr später, noch immer von der Klimapolitik der Bundesregierung enttäuscht, auf Bananenkisten, Decken oder Klappstühlen vor der Bühne, viele stehen auch auf den weißen Punkten. Masken mit dem Slogan „#KeinGradweiter“ und „System change not climate change“ sind zu sehen. Franzi und Elias von FFF Berlin leiten auf der Bühne mutig und enthusiastisch durch die Redebeiträge.
Stefan Rahmsdorf, Sprecher von Scientists for Future, betont: „Die Coronakrise ist ernst, aber die Klimakrise ist noch viel ernster. Sie macht keine Pause.“ Anschließend ermutigt er die Menge, auch ihre Erfolge zu sehen: die breite Mobilisierung einer Klimagerechtigkeitsbewegung.
Calisto, 16 Jahre alt und Schüler, ist zur Demonstration gegangen, „weil alles Klimatechnische vergessen wurde wegen Corona“. Viele sind an diesem Freitag hier, um zu zeigen, dass die Klimakrise nach wie vor präsent ist. Dass sich etwas ändern muss. Weltweit wird heute gestreikt in rund 320.000 Städten und rund 450 Orten in ganz Deutschland.
Pia Haase, 20 Jahre alt und Pressesprecherin von FFF Berlin, hofft, dass „die Klimakrise wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerät“. Ihre Erwartungen an den Aktionstag sind wegen der vielen Aktivist:innen maßlos übertroffen worden. Sie hat Hoffnung darauf, dass „Klimagerechtigkeitsbewegungen auch trotz Corona so laut und bunt und vielfältig wie nie zuvor“ werden könnten.
„Ich will eine Zukunft haben“
Unter den Aktivist:innen ist auch die zehnjährige Jolina, die mit ihrer Mutter zur Demonstration gekommen ist. „Ich will mehr für das Klima tun, weil ich eine Zukunft haben will. Und ich will nicht, dass es so viele Brände gibt“, sagt sie.
„Was muss noch passieren? Wir haben keine Zeit mehr!“, rufen die beiden „Kletterkinder“ auf der Bühne, jeweils acht und elf Jahre alt. Auf Englisch, Chinesisch und Deutsch fordern sie eine Politik, die ihnen das 1,5-Grad-Ziel und Klimaneutralität bis 2035 verspricht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau