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Globale Flüchtlingszahlen von UNHCRMehr als je zuvor

Ende 2020 waren weltweit 82,4 Millionen Menschen auf der Flucht, mehr als je zuvor. Die meisten davon im eigenen Land. Besserung ist nicht in Sicht.

Neue Krisen sind dazugekommen: Flüchtende aus der Region Tigray, Äthiopien, November 2020 Foto: reuters

Genf taz | Einmal im Jahr, immer kurz vor dem Weltflüchtlingstag am 20. Juni, zieht der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge Bilanz, und seit neun Jahren ist es immer eine traurigere als im Jahr zuvor: So lange schon steigt die Zahl der Flüchtenden kontinuierlich. 82,4 Millionen Menschen waren 2020 auf der Flucht, drei Millionen mehr als im Vorjahr und doppelt so viele wie 2010.

„82,4 Millionen, das entspricht der Bevölkerung von Deutschland, das ist eine sehr große Zahl“, erklärte Hochkommissar Filippo Grandi und betonte, eine schnelle Besserung sei nicht in Sicht. „Die Menschen werden weiterhin fliehen, solange wir nicht die Ursachen bewältigen: Und deshalb haben wir die moralische Pflicht und die praktische Verpflichtung, die Situation gut zu managen.“ Zumal 42 Prozent der Flüchtlinge Kinder sind, die vor einer besonders ungewissen Zukunft stehen.

Die Ursachen, das sind vor allem Kriege und Konflikte, die teils seit Jahren und Jahrzehnten toben. So stammen mehr als zwei Drittel aller Flüchtlinge aus nur fünf Ländern: Syrien, Venezuela, Afghanistan, dem Südsudan und Myanmar. Während die langwierigen Krisen ungelöst blieben, kamen neue hinzu: im Sahel etwa, im Norden Äthiopiens und in Mosambik. „Alleine im Norden Mosambiks hat die Gewalt bewaffneter Gruppen, aber auch Armut, die Klimakrise und Regierungsversagen 700.000 Menschen zur Flucht gezwungen“, so Grandi. Ihr Land haben die Geflohenen nicht verlassen, dennoch haben sie allen Besitz und oft die Existenzgrundlage verloren.

Weniger Flüchtende kommen in Europa an

Interne Vertriebene wie sie sind es, die die Gesamtflüchtlingszahl nach oben getrieben haben: Ihre Zahl liegt jetzt bei 48 Millionen, so hoch wie noch nie. Wer es überhaupt über Grenzen schafft, kommt wie drei Viertel der Geflohenen vor allem in Nachbarländern unter. 86 Prozent aller Flüchtlinge lebten 2020 in Entwicklungsländern. Das Land, das 2020 am meisten Flüchtlinge beherbergte, war die Türkei mit 3,7 Millionen Syrerinnen und Syrern, gefolgt von Kolumbien, Pakistan, Uganda und Deutschland, das 1,2 Millionen Flüchtlinge beherbergt. 2020 allerdings kamen kaum welche hinzu. Die Zahl der Asylbewerberinnen und -bewerber lag mit 100.000 so niedrig wie seit Jahren nicht mehr. Und Europa als Ganzes verzeichnete mit 200.000 registrierten Flüchtlingen im vierten Jahr in Folge einen Rückgang.

Die Politisierung der Flüchtlingsfrage hat ihre Lösung unnötigerweise verkompliziert, dabei lässt sie sich mit ein bisschen Mitgefühl, Humanität und guter Organisation bewältigen.

Filippo Grandi, Hochkommissar des UNHCR

Das liegt zum einen an der Abschottung der Außengrenzen, die Grandi und sein UNHCR immer wieder kritisieren, zum anderen an der Pandemie. Nur 1,3 Millionen Menschen stellten 2020 einen Antrag auf Asyl, eine Million weniger als 2019. „164 Länder hatten 2020 ihre Grenzen geschlossen, 99 machten keine Ausnahmen für Flüchtlinge oder Asylbewerber“, kritisiert Grandi. Da die Zahl der Verfolgten und Kriegsopfer gleichzeitig gestiegen ist, sagt das UNHCR einen weiteren Anstieg der Flüchtlingszahlen voraus.

Alleine aus Libyen, so schätzte die Vertreterin des UNHCR in Italien vor einer Woche, könnten in diesem Jahr 60.000 Bootsflüchtlinge nach Europa kommen, viele von ihnen warten seit vielen Monaten. Die wachsende Armut in der Pandemie, die gerade in Entwicklungsländern noch lange nicht überstanden ist, dürfte weitere Menschen zur Flucht bewegen. Die Weltbank geht davon aus, dass die Zahl der Menschen, die wegen der Covid-Krise in extreme Armut gefallen sind, bereits 2020 auf bis zu 124 Millionen gestiegen ist.

Ausdrücklich kritisierte Grandi die Rhetorik vieler Regierungen, Flüchtlinge müssten ‚ins Meer zurückgetrieben oder mit Mauern aufgehalten‘ werden. „Die Politisierung der Flüchtlingsfrage hat ihre Lösung unnötigerweise verkompliziert, dabei lässt sie sich mit ein bisschen Mitgefühl, Humanität und guter Organisation bewältigen.“ Von Europa erhofft sich das UNHCR ein verlässliches Konzept, um ankommende Asylbewerberinnen und -bewerber fair zu verteilen. Asylverfahren auszulagern, sei dagegen keine Lösung.

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3 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • @MR NICE

    Das hat sich wohl Frankreich 2014 in Mali gedacht, und daraus die "Opération Barkhane" ausgedacht. Sieben Jahre Später streichen sie die Segel, nachdem die Regierung, die sie stützen zweimal hintereinander geputscht hat.

    Und müssen sich auch noch eingestehen, dass die lokale Bevölkerung manchmal lieber die Islamisten den netten französischen Soldat*innen vorziehen, was besonders bitter ist.

    Ich habe keinen klaren Standpunkt hier. Nichts tun ist m.e. auch keine Option.

    Tatsache ist, dass es sehr komplex ist, dass "unsere" Sicht der Dinge allzuoft arrogant ist, dass mehr Dialog nötig ist, und dass schliesslich jede konstruktive Aktion zum Scheitern verdammt ist, wenn sie auch noch den hiesigen wechselhaften populistischen Winden ausgesetzt ist.

    Denn: wenn die Populist*innen eins können, dann ist es das: unterkomplex.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    In Ländern wie etwa Eritrea, aus denen jahrzehntelang Flüchtlinge kommen, muss man militärisch intervenieren. Das Problem ist die Rechtsgrundlage und die Blöcke USA - Russland - China.



    Nur wenn man vor Ort die Ursachen bekämpft wird es auf Dauer die Flüchtlingkrisen lösen.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Durch Kriege löst man keine internen Probleme oppressiver oder korrupter Staaten. Wer sollte ausserdem Weltpolizei spielen, nachdem sich die USA zurück gezogen haben?

      Eritrea ist ein Spezialfall, weil der Krieg zwar vorbei ist, eine Rücknahme von Geflüchteten gegen deren Willen von der Regierung jedoch nicht akzeptiert wird. Stattdessen treibt sie lieber Schutzgeld bei Landsleuten im Ausland ein:

      www.parlament.ch/d...?AffairId=20133789