Glenn Greenwald über NSA: „Mir droht Strafe wegen Spionage“
Glenn Greenwald will dem Bundestag keine Snowden-Dokumente geben. Auch bei der Zusammenarbeit mit Medien will er die Kontrolle behalten.
taz: Herr Greenwald, Sie verfügen über alle Dokumente, die Ed Snowden bei der NSA kopierte. Würden Sie diese dem NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zur Verfügung stellen?
Glenn Greenwald: Nein.
Auch nicht die Dokumente, die Deutschland betreffen?
Nein. Wenn ich amerikanische Topsecret-Dokumente an die Regierung eines anderen Staates weitergebe, dann droht mir in den USA Strafverfolgung wegen Spionage. Außerdem ist es auch nicht meine Aufgabe als Journalist, Regierungen zu helfen.
Haben Sie diese Frage schon mit Ed Snowden diskutiert?
Nein. Aber wenn Snowden gewollt hätte, dass andere Regierungen die Dokumente nützen können, hätte er sie ihnen gegeben. Stattdessen hat er sie mir und Laura Poitras anvertraut, damit wir journalistisch damit arbeiten.
Hat Snowden gewusst, dass Angela Merkel und andere Staatschefs von der NSA überwacht wurden?
Da er jedes Dokument, das er uns gab, vorher gelesen hat, muss er davon gewusst haben.
Hat er das explizit gesagt?
Nein. Dass die NSA andere Staaten ausspioniert, war nicht sehr weit oben auf der Liste der Dinge, die ihn stören. Er war vor allem empört über die unterschiedslose Massenüberwachung. Und mir geht es genauso.
Warum wurde die Nachricht über das überwachte Merkel-Handy erst vier Wochen nach der Bundestagswahl publiziert?
Das müssen Sie diejenigen fragen, die das veröffentlicht haben. Ich habe die Berichterstattung über Deutschland weitgehend Laura Poitras und dem Spiegel überlassen. Aber allgemein kann ich sagen, dass die Arbeit mit Snowdens Dokumenten äußerst kompliziert und aufwändig ist. Laura und ich haben Tag und Nacht gearbeitet, um die Informationen möglichst schnell zu veröffentlichen.
47, ist ein amerikanischer Journalist und Autor, dem NSA-Whistleblower Edward Snowden seine Dokumente anvertraute. Das Gespräch fand in Berlin statt. Sein Buch „Die globale Überwachung“ ist Mitte Mai im Droemer Verlag erschienen.
Warum haben Sie kein großes journalistisches Team gebildet, um die Unterlagen möglichst schnell aufzuarbeiten? War es sinnvoll, dass Sie und Laura Poitras eine Art Monopol auf die Dokumente behielten?
Wir hatten und haben kein Monopol. Der Guardian, die Washington Post und die New York Times haben Zehntausende Dokumente aus Snowdens Archiven. Mehr als ein Dutzend Medien weltweit hatten Zugang zu den Dokumenten. Laura und ich waren uns von Anfang an einig, dass über Vorgänge, die bestimmte Länder betreffen, jeweils Medien vor Ort berichten sollten, die die Verhältnisse dort gut kennen.
Aber Sie kontrollieren den Zugang streng. Warum?
Wenn Medien etwas veröffentlichen, das nicht veröffentlicht werden soll, dann zerstört das die Reputation von Edward Snowden und auch meine. Außerdem können wir nicht einfach Zehntausende amerikanische Topsecret-Dokumente an ausländische Medien weitergeben. Es bestünde die Gefahr, dass die US-Regierung uns nicht mehr als Journalisten ansehen würde, sondern als Informationsverteiler. Wir könnten so den verfassungsrechtlichen Schutz der Pressefreiheit verlieren und der Spionage beschuldigt werden.
Was bedeutet es, wenn der Spiegel schreibt, er habe Dokumente aus dem Fundus von Snowden „einsehen“ können?
Laura hat auch dem Spiegel nicht einfach das ganze Snowden-Archiv gegeben, sondern mit ihm einzelne Dokumente gemeinsam genutzt, von denen sie fand, dass darüber in Deutschland berichtet werden sollte.
Warum wurde der Spiegel ausgewählt und nicht zum Beispiel die SZ oder ein öffentlich-rechtlicher Sender?
Dazu kann ich nichts sagen. Aber wir denken über das Problem nach, wie man die Berichterstattung beschleunigen kann, indem mehr Medien direkten Zugang zu den Dokumenten erhalten.
Wie könnte das denn konkret aussehen?
Journalisten könnten kommen und die Dokumente ansehen. Sie würden uns dann sagen, über welche sie schreiben wollen, und wir könnten über die Bedingungen reden. So behielten wir die Kontrolle, und die Quelle Snowden wäre besser geschützt, als wenn wir die Dokumente jedem einfach zur Verfügung stellen.
Wann werden Sie damit beginnen?
Noch ist nichts entschieden. Wir sprechen noch mit Anwälten und Technikern, was möglich ist.
In Ihrem Buch „Die globale Überwachung“ finden sich immer wieder Schwärzungen, die laut einem Hinweis am Anfang des Buchs auf Verlangen der NSA erfolgten. Haben Sie die NSA kontaktiert oder umgekehrt?
In den USA ist die Veröffentlichung von Topsecret-Dokumenten eine schwere Straftat. Gleichzeitig schützt die amerikanische Verfassung die Pressefreiheit. Es ist aber noch nie ausgetestet worden, ob die Pressefreiheit Journalisten vor Strafverfolgung schützt, wenn sie Topsecret-Dokumente veröffentlichen. Deshalb raten die Anwälte in allen Medien, vor der Veröffentlichung solcher Dokumente die US-Regierung zu informieren, damit sie Argumente liefern kann, warum eine Veröffentlichung die nationale Sicherheit gefährden würde.
Und das haben Sie dann auch so gemacht?
Das habe ich schon immer so gemacht. In 99,9 Prozent der Fälle hat die Regierung dann argumentiert, dass ich die Dokumente nicht veröffentlichen soll, weil Schaden für die nationale Sicherheit droht. Und in 99,9 Prozent der Fälle habe ich das nicht für überzeugend gehalten und die Sachen trotzdem veröffentlicht. So war das auch bei meinem neuen Buch. Die redaktionellen Bearbeitungen beziehen sich überwiegend auf Namen von NSA-Beschäftigten.
Es gibt auch handfeste Informationen, die ersichtlich entfernt wurden, etwa wie viele Jahre ein bestimmtes NSA-Programm Daten speichern soll. Wer entschied über solche Auslassungen?
Teilweise beruhen sie auf direkten Vorgaben von Edward Snowden. In anderen Fällen habe ich das entschieden, weil Snowden mir aufgab, bestimmte Gefahren zu vermeiden.
Warum kritisieren Sie andere Medien, die vor der Publikation geheimer Dokumente die US-Regierung fragen?
Ich kritisiere nicht, dass sie fragen, sondern dass sie dann häufig die Dokumente nicht veröffentlichen.
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