piwik no script img

Gleichstellung von HomopaarenDie Scheinrevolution

Die CDU will Schwulen und Lesben das Ehegattensplitting gönnen. Ist das eine kulturelle Revolution? Ach was. Die CDU hechelt nur der Gesellschaft hinterher.

Liebe CDU, schau doch mal, was draußen so los ist. Bild: Cumberdale / photocase.com

Hätte man den Papst inkognito auf dem Christopher Street Day erwischt, wäre die Aufregung in der CDU vermutlich nicht viel größer: Schwule und Lesben sollen das Ehegattensplitting bekommen, fordern ein paar CDU-Abgeordnete in einer Erklärung. Die liberalen Rebellen wollen nicht mehr hinnehmen, dass ihre Partei nur Mann und Frau im heiligen Stand der Ehe satte Steuernachlässe gönnt.

Keine Frage: Das ist toll. Die Initiative verdient jede Unterstützung. Natürlich müssen Schwule und Lesben die gleichen Steuervorteile wie Heterosexuelle bekommen. Aber nimmt man die Aufgeregtheit der öffentlichen Debatte als Maßstab, muss es um mehr gehen als um ein bisschen Geld. Um eine kulturelle Revolution, mindestens – Konservative scheinen an vorderster Front für die Gleichstellung Schwuler und Lesben zu kämpfen.

Aber ist das so? Schleift die CDU tatsächlich erneut eine ideologische Bastion? So, wie sie es zuletzt etwa beim Abschied von der Atomenergie oder der Hauptschule tat?

Es ist angebracht, ein paar Dinge geradezurücken. Zunächst: Die liberalen Christdemokraten wollen keineswegs eine ideologische Kehrtwende, sondern nur kleine Münze. Nicht etwa die volle Gleichstellung von Schwulen und Lesben ist ihre Forderung, sondern die Abschaffung einer steuerrechtlichen Ungleichheit. Diese wird auf Dauer sowieso beseitigt werden, egal wie sich die CDU verhält. Das Verfassungsgericht haute dem Gesetzgeber bereits mehrere ähnlich dämliche Benachteiligungen um die Ohren. Sollte sich also die CDU dazu durchringen, die Initiative zur Parteiposition zu machen, wäre dies nicht mutig, sondern nur vorauseilende Schadensbegrenzung.

Es ist wie bei der Energiewende

Ebenso wenig ist zu erkennen, dass die CDU mit der Debatte plötzlich eine progressive Position einnähme. Es ist wie bei der Energiewende: Die CDU kommt als Letzte mit der ausgerollten Fahne um die Ecke. Die Gesellschaft, gerade ihre Mitte, auf die die CDU ja zielt, ist viel weiter als die Christdemokratie.

Natürlich gibt es sie noch, die schiefen Blicke in der Fußgängerzone auf händchenhaltende Männer oder Frauen, die schmierigen Sprüche in der Fußballkabine und auch knallharte Diskriminierung oder brutale Übergriffe – in der Provinz mehr als in den Großstädten. Aber selbst CDU-Strategen dürfte nicht entgangen sein, dass im Jahr 2012 in aufgeklärten Schichten Homosexualität als etwas Normales angesehen wird.

Empirisch ist die Abnahme der Homophobie in der Gesellschaft gut belegt. Die aktuellste Studie zur Gruppenfeindlichkeit, die der Soziologe Wilhelm Heitmeyer zehn Jahre lang erhoben hat, kommt zu dem Ergebnis: Lehnten im Jahr 2002 gut 40 Prozent der Befragten die Homoehe ab, waren es 2010 nur noch 25 Prozent. Heute, zwei Jahre später, dürften es noch weniger sein.

Die CDU ist immer noch stur

Selbst die Furcht konservativer Parteistrategen, mit Zugeständnissen an Schwule und Lesben am rechten Rand zu verlieren, ist deshalb dumm – weil sie sie mindestens genauso viele BürgerInnen in der Mitte gewinnen würden. Statt also die CDU für ein Schrittchen in die heutige Lebensrealität zu preisen, ist es angebracht, auf das zu schauen, was sie weiter stur negiert.

Dort sieht es nämlich düster aus. Die CDU weigert sich zum Beispiel nach wie vor, schwulen und lesbischen Pärchen das Adoptionsrecht zuzugestehen. Als Begründung wird dann von der Sonderstellung der Ehe zwischen Mann und Frau geschwurbelt. Aber in Wirklichkeit stecken hinter einer solchen Haltung biologistische und reaktionäre Ressentiments: dass Schwule und Lesben ihre Kinder weniger liebevoll erziehen als Heterosexuelle etwa oder dass die Kinder durch falsche (!) Vorbilder ebenfalls schwul oder lesbisch werden.

Eine Partei, die solch krude Positionen zulässt, verdient kein Lob. Das hieße einer Scheinrevolution auf den Leim zu gehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • N
    Norma

    @Hans

    "Zudem arbeite ich als Kind von Heteros auch und zahle Rentenversicherung, weswegen dein Argument eh obsolet ist."

     

    Da die Rentenversicherung aber ein Generationenvertrag ist, arbeitest du für die Rente deiner Hetero-Eltern und für deine Rente in aller Regel ein Hetero-Kind.

     

    Schluß mit dem Aufrechnen. Niemand kann Kinderlosigkeit vorgeworfen werden, schon gar nicht in einer Gesellschaft, die es allen potentiellen Eltern schwer macht Kinder zu bekommen.

     

    Ehegattensplitting hat nichts mit Nachwuchsförderung zu tun.

    Es belohnt die Einstandspflicht, die Ehepartner in schlechten Zeiten haben. Der Staat erspart sich Unsummen von Sozialausgaben. Falls wir einer Krisenzeit zusteuern, könnte das Splitting für gleichgeschlichtliche Partner eine durchaus rentable Sache für den Staat / die Allgemeinheit sein.

     

    Ich bin für Gleichstellung von Lebenspartnerschaften, die zu dieser Einstandspflicht stehen.

  • H
    Hans

    @Thorben

    *lol* Du glaubst noch an die Rente, und das bei diesen Regierungen. Rente kriegen nur noch die Besserverdiener, hetero oder homo, egal, die mit ihrem Geld selber vorsorgen können.

     

    Wenn du auf den Generationenvertrag deiner heteroproduzierten Kinder hoffst, dann liegst du falsch. Zudem arbeite ich als Kind von Heteros auch und zahle Rentenversicherung, weswegen dein Argument eh obsolet ist.

  • E
    elmo_ki

    Es gibt kein Recht auf Adoption? Sicher nicht in dem Sinne, dass jedes Paar ein Kind adoptieren darf, wenn es dieses möchte. Aber wenn Statistiken belegen, dass Kinder aus Regenbogenfamilien nicht schlechter dran sind als bei anderen normalen Elternkonstellationen (wie etwa heterosexuelle oder Ein-Eltern-Familien)dann gibt es einfach keinen Grund, dieses zu verweigern! Es geht um die Gleichheit vor dem Gesetz und der Gleichbehandlung durch Behörden und Ämter!

     

    Herr Espresstrinker, es ist nicht alles egal und nicht alles erlaubt, es geht einfach nur um Ungerechtigkeiten und um nicht mehr und nicht weniger.

     

    Nach über zehn Jahren Eingetragener Lebenspartnerschaft (ein Ausdruck, den mich persönlich anwidert) wird in der Regel von Homo-Ehe gesprochen, ein Ausdruck, der die gleichen Rechte suggeriert. Also gibt es nur noch einen Weg: DIE ÖFFNUNG DER EHE!

     

    Dann können wir endlich auch über die anderen Themen diskutieren, wie Homosexualität in der Schule, am Arbeitsplatz, die hohe Suizidrate unter queeren Jugendlichen!!!

     

    Und die Union ist hier völlig unglaubwürdig, erst vor ein paar Wochen hat sie ihren Heterosexismus eindrücklich per Abstimmungen im Bundestag belegt!

  • T
    Thorben

    Was soll man in der schwul-lesbisch-kinderlos- grünengläubigen- pseusoalternativ- und pseudointellektuellen taz zu diesem Thema schreiben? Wird doch eh nicht veröffenlicht. Schade nur, dass die Kinder der Heten eure verschissene Rente zahlen müssen.

  • K
    kroete

    Gleiche Pflichten, gleiche Rechte.

    Der Sonderstatus der Familie nach alter Definition muß der Realität angeglichen werden.

    Steuervorteile sollen nur bei Kindern zu Buche schlagen, unabhängig von den Konstellationen, die für sie sorgen.

    Homosexuelle und Heterosexuelle Beziehungen sind als gleichwertig zu betrachten, gelingt doch sonst auch ganz gut bei der katholischen Kirche, die schützende Hand über ihre klerikalen schwulen Jungs zu halten.

  • S
    Siegfried

    Noch ein Grund mehr 2013 zur Wahl zu gehen und nicht sein Kreuz bei den Konservativen zu machen.

  • X
    xking

    Es gibt kein "Recht" auf Adoption!

    mehr gibts dazu nicht zu sagen!

  • MV
    Max van Hardenhex

    Der Scheinbloedsinn.

    Nichts gegen Homoseksuelle Paare - aber bei der heutigen Haushaltslage in den meisten europaeischen Laendern ( 2 Billionen Euro Schulden allein Deutschland )sollten alle Politiker das Wort Ëhegattensplitting -

    gleich vergessen.

    Allein Deutschland verschenkt an verheiratete Hetero`s 42 Millionen jaehrlich.

    Absolute Verschwendung.

    Met vriendelijke groet

    Max

  • M
    MeinName

    Nicht ungeschickt von den CDU. Anstatt das völlig absurde & anachronistische(und zuvor auch in der taz gerne kritisierte) Ehegattensplitting endlich abzuschaffen, macht man aus der Gewährung desselben einen Prüfstein für die Gleichstellung Homosexueller. Und je mehr Leute (egal ob homo oder hetero) davon profitieren, desto weniger grundsätzliche Kritik an diesem extrem fragwürdigen Steuerinstrument wird in Zukunft zu hören sein.

  • DG
    Die Gesellschaft?

    Die CDU hechelt nur der Gesellschaft hinterher? Oder dem medialen Mainstream? Könnte man ja bei echter Demokratie leicht feststellen. Einfach abstimmen: Homoehe, Kinderadoption etc. Inklusive neutraler für alle gleich gültiger Möglichkeit Argumente vorzutragen ohne dafür verfolgt zu werden. DANN könnte man von "der Gesellschaft"reden. In der DDR sprach auch immer eine von 99% gewählte Partei für "das Volk". Es erinnert einen immer mehr daran. Wenn niemand widerspricht, dann haben die Leute entweder berechtigte Angst oder es ist in den letzten 10 Jahren das Wunder eingetreten, daß 100% der Politiker und 99% des Volkes eine Meinung haben die von 100% der Journalisten geteilt wird. Ganz wie friiiher. Mir ist das ganze Homa-Gelaber ziemlich egal, der Zustand unserer Demokratie nicht.

  • P
    PeterWolf

    Die Gleichstellung ist richtig, aber das Splitting ist falsch

    Die CDU will lediglich das asoziale Splitting retten, statt das Geld in Kinder zu investieren.

  • A
    Arne

    Eine "Scheinrevolution" wäre das Ehegattensplitting auf Schwule und Lesben auszudehnen und andere Lebensformen zu benateiligen.

    Das Ehegattensplitting ist schon ein völlig reaktionärer Anachronismus.

    Wer diesen verteidigt und solche Rechte für sich einfordert statt für die Abschaffung der daraus entstehenden Priviloegien zu kämpfen, ist nicht fortschrittlich, sondern zutiefst reaktionär.

  • I
    imation

    "Die CDU hechelt nur der Gesellschaft hinterher."

     

    Welcher Gesellschaft?

    Der im Prenzlauer Berg oder der in Nord-Neukölln?

  • OV
    Otto von Bismarck

    Dieses Manöver ist nichts als ein Bauernopfer der CDU. Wie im Artikel schon treffend festgestellt wird, hätte das Verfassungsgericht diese Ungleichheit von Ehe und Homoehe sowieso kassiert -- immerhin geht es hier nicht um den Schutz der Familie, da das Splitting auch kinderlosen Paaren zukommt.

     

    Nein, die CDU nimmt ein paar Kröten Steuergeldverlust in kauf, so viele splittende Homopaare wird es schon nicht geben, um sich einerseits ein pseudoaufgeklärtes Facelift zu verpassen und außerdem das umstrittene, archaische Ehegattensplitting zu zementieren.

  • E
    Espressotrinker

    Bei aller Sympathie für (die meisten) Schwulen und Lesben... Aber ganz offen gesagt, mir wird übel, in einer Gesellschaft, in der alles egal ist und alles gleich. Ich halte das für einen Fehltritt mit guter Intention. Wer weiter denkt, versteht, dass eine Gesellschaft einen Bias an Werten zur Orientierung braucht. Dazu gehört die Mann-Frau-Kind(er) Familie. Diese gehört gefördert und mit Privilegien ausgestattet, so wie Homosexuelle die Freiheit haben sollen, ihre Neigungen frei und ohne negative Sanktionen auszuleben. -Und nein, die CDU hechelt nicht der Gesellschaft hinterher, sondern höchstens der Gesinnung in der TAZ Redaktion, die nicht selten ziemlich weit weg ist von der Lesermeinung, wie man im Forum leicht erfahren kann... Ich hoffe sehr, dass in dieser Frage die Vernunft siegen wird, -dass man versteht, dass die Privilegien der Familie eine Notwendigkeit sind und nicht diskriminierend sind. Wer das bestreitet, rüttelt an den Grundfesten der Gesellschaft. Es ist wie bei vielen Dingen... wer zu viel vermeintlich Gutes will, erreicht am Ende das Gegenteil. In diesem Fall mehr Unzufriedenheit in der Gesellschaft durch Orientierungslosigkeit und deren Folgen.

  • T
    Taz-Hasser

    ??? - okay, einfach mal so unterstellen, denn alles, was von der CDU kommt, muss ja schlimm sein. Meine Herren, die taz ist ja echt intolerant bis auf die Knochen. Wann genau wird die taz zum offiziellen NPD-Organ werden? Die taz ist rechts, schwulenfeindlich, ausländerfeindlich und faschistisch - deutlich rechter als die NPD. Ekelhaft, wie abgrundtief rechts die angeblich so guten Linken geworden sind.