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Glauben Monheim am Rhein ist anders – auch im Umgang mit muslimischen GemeindenDie Moschee soll her

von Volkan Ağar

Im Jahr 1773 war sie vollendet, die St.-Hedwigs-Kathedrale in der Friedrichstadt, die erste katholische Kirche in Berlin nach der Reformation. Friedrich II., Repräsentant des aufgeklärten Absolutismus, erteilte die Genehmigung für den Bau, weil immer mehr katholische Migranten aus Schlesien nach Berlin kamen. Ein Zeichen der Toleranz. Preußen profitierte aber auch wirtschaftlich.

Über zwei Jahrhunderte später ein vergleichbares Szenario, dieses Mal im Rheinland: Die Stadt Monheim am Rhein, wo taz.meinland am 27. Juni Station macht, möchte den beiden islamischen Gemeinden im Ort Grundstücke für Moscheen zur Verfügung stellen – für viele eine Provokation. Dabei ist Monheim eine Gemeinde, in der vieles besser läuft als woanders. Daniel Zimmermann, der Bürgermeister, der diese Förderung initiierte, war bei seiner Wahl 2009 als Kandidat der Jugendpartei PETO 27 Jahre alt. Er überraschte als jüngster Bürgermeister von Nordrhein-Westfalen und mit seinen Taten: Er sanierte den Haushalt der Gemeinde, erwirtschaftete Gewinne, indem er die Gewerbesteuern senkte und viele Unternehmen nach Monheim lockte. Bei der Bürgermeisterwahl 2014 wurde Zimmermann mit knapp 95 Prozent der Stimmen in seinem Amt bestätigt.

Das Selbstbewusstsein aus der Wahl und das finanzielle Wohlergehen erleichterten Zimmermann möglicherweise die Entscheidung, die beiden muslimischen Gemeinden mit 840.000 Euro zu bezuschussen, damit diese städtische Grundstücke für den Moscheebau erwerben können. CDU und SPD vor Ort zeigten wenig Empathie, sie warfen Zimmermann undemokratischen und intransparenten Regierungsstil vor, sträubten sich, Gemeindebesitz kostenlos abzutreten. Schließlich leiteten sie ein Bürgerbegehren mit dem Titel „Keine Steuergelder für Moscheegrundstücke“ in die Wege. Ein Bürgerentscheid wurde vom Stadtrat abgelehnt. Am Ende eines langen Streitprozesses und nach einer hitzigen Debatte genehmigte jener Stadtrat schließlich im Herbst 2016 die finanzielle Förderung der Moscheebauten.

Während geplante Moscheen andernorts oft für gemäßigten bis extrem rechten Gegenprotest sorgten, zeigt sich mit Monheim eine Gemeinde federführend in der Unterstützung eines solchen Vorhabens. Zimmermanns Argumente: In Monheim leben viele Muslime, die ein Recht auf repräsentative Gebetshäuser haben. Sie sollten zu Monheim gehören, auch im Stadtbild. Nicht abwegig, wenn man bedenkt, dass es sich bei jenen in der Regel um Menschen mit Migrationsgeschichten handelt, durch deren Biografien sich ein roter Faden der Isolation und Diskriminierung zieht.

Ein symbolischer Akt in Richtung Anerkennung, der auch aus säkularer Perspektive fortschrittlich ist. Denn er wird in einem Land vollzogen, in dem Innenminister auch im Jahr 2017 noch von der „deutschen Leitkultur“ schwadronieren.

Außerdem wolle Zimmermann die Moscheen aus den Hinterhöfen rausholen. Das ist die andere Seite der Medaille: Religionsfreiheit in einer säkularen Gesellschaft umfasst nicht nur die Freiheit der Religionsausübung, sondern auch die Freiheit von der Religion. Moscheen aus den Hinterhöfen holen heißt auch, ihre Arbeit transparenter und somit kontrollierbar zu machen. Eine Politik, die Religionsangelegenheiten aktiv mitgestaltet, statt sie blind zu tolerieren. Eine Politik, die Verbindlichkeiten schafft, um die Religionsausübung und Weltsichten auf dem Boden des Grundgesetzes zu bewahren. Viele kritisierten Zimmermann, weil die türkische Ditib, die unter dem Einfluss von Ankara steht, zu den geförderten islamischen Gemeinden gehört. Trotz der berechtigten Bedenken: Verbieten kann man den größten islamischen Dachverband in Deutschland nicht. Aber man kann sich einmischen, um so den Einfluss von Ankara zu nivellieren. Eben das, was die politisch Verantwortlichen bisher aus fehlgeleiteter Toleranz oder Desinteresse versäumten.

Die Initiative von Zimmermann ist auch deshalb fortschrittlich, weil sie hilft, das in modernen bürgerlichen Demokratien gewollte Ungleichgewicht zwischen Politik und Religion zu sichern. Ein Blick auf andere Weltregionen zeigt, dass die Trennung von Religion und Staat noch keine Selbstverständlichkeit ist – auch 250 Jahre nach Friedrich II. nicht.

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