Gipfeltreffen mit Putin in Berlin: Gedämpfte Erwartungen
Bringt die nächste Verhandlungsrunde mit Russlands Präsident den Donbass einer friedlichen Lösung näher? Die Ukrainer sind skeptisch.
Am Abend treffen sich zum ersten Mal seit über einem Jahr Kanzlerin Angela Merkel sowie die Staatschefs von Frankreich, der Ukraine und Russland – die Länder des sogenannten Normandie-Formates – in Berlin, um einer Lösung des Konfliktes in der Ostukraine näher zu kommen.
Er gehe nicht mit Optimismus in die Gespräche, zitierten ukrainische Medien ihren Staatspräsidenten Petro Poroschenko. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin hatte noch am Montag verlauten lassen, dass die Zeit für ein Gipfeltreffen noch nicht reif sei.
Die aktuelle Entwicklung in der Ukraine scheint den Pessimisten Recht zu geben. Die OSZE meldete in ihrem jüngsten Lagebericht eine Verdoppelung der von ihr registrierten Explosionen im ostukrainischen Konfliktgebiet. Und Darja Olifer, Pressesprecherin des ukrainischen Vertreters in der Trilateralen Kontaktgruppe der OSZE, beklagt sich, dass sich die Aufständischen im Gebiet um Debalzewo nicht an die Vereinbarungen über die Truppenentflechtung halten würden.
Städte dem Erdboden gleichmachen
Seit dem Anschlag auf „Motorola“, den Feldkommandeur der prorussischen Kämpfer am vergangenen Sonntag in Donezk drohen Vertreter der „Volksrepublik Donezk“ der Ukraine offen mit neuer Gewalt. Am Montag kündigte Feldkommandeur Michail Tolstych an, man werde sich für den Mord an „Motorola“ rächen und ganze ukrainische Städte dem Erdboden gleichmachen.
Zwar sehen sich alle Teilnehmer des Berliner Gipfeltreffens der Umsetzung des Minsk-Abkommens zur Beilegung des Konfliktes in der Ost-Ukraine verpflichtet. Doch strittig ist die Frage, in welcher Reihenfolge die Punkte von „Minsk-2“ umgesetzt werden sollen.
Kiew macht einen Abzug der russischen Soldaten und eine Kontrolle der ukrainischen Grenze durch die Ukraine zur Vorbedingung für die Einleitung eines politischen Prozesses. Demgegenüber fordern die Aufständischen und das mit ihnen verbündete Russland als ersten Schritt einen Sonderstatus des Donbass, eine Amnestie für alle Kämpfer und Kommunalwahlen im Donbass. Erst dann könne Kiew die Kontrolle über die Grenze erhalten.
Mit Unterstützung rechnet die russische Verhandlungsführung in dieser Frage aus Frankreich. Dessen Außenminister Jean-Marc Ayrault hatte erklärt, er erwarte sich von dem Treffen in Berlin die Ausarbeitung eines Zeitplanes für Wahlen im Donbass und konkrete Verpflichtungen für die Ukraine, dem Donbass einen Sonderstatus zu gewähren.
Keine Hoffnung auf Verbesserungen
„Ach“, sagt eine Frau, die im Zentrum von Kiew auf einen Bus wartet. „Wieder ein Politikertreffen. Ändert das was? Was dort gesprochen wird, werden wir nie erfahren. Ich glaube nicht, dass sich durch dieses Treffen etwas verbessern wird.“
Allein der Umstand, dass Putin seine Teilnahme an dem Gipfeltreffen zugesagt habe, sei ein Indiz dafür, dass es vorab schon Absprachen gebe, kommentiert der ukrainische Politologe Ruslan Bortnik. Offensichtlich, so Bortnik, habe die russische Seite vorab schon gewisse Zugeständnisse, wie Kommunalwahlen im Donbass und einen Sonderstatus für das Gebiet erhalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja