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Gigaliner-Zulassung nicht abgestimmtDie Riesenlaster kommen

Das Bundesumweltministerium kritisiert die Zulassung von Gigalinern durch Verkehrsminister Dobrindt. Merkel stellt klar: Die Verordnung gilt.

Ein so langer LKW benötigt ein Warnschild Foto: dpa

Berlin taz | In der schwarz-roten Bundesregierung ist ein Streit um die Zulassung von überlangen Lastwagen, sogenannten Gigalinern, entbrannt. Während das CSU-geführte Bundesverkehrsministerium am Montag seine Entscheidung verteidigte, den Regelbetrieb von bestimmten Riesenlastern auf ausgewählten Strecken über eine Verordnung freizugeben, kritisierte das SPD-geführte Umweltministerium dies deutlich. Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht jedoch keinen Bedarf, den Streit ins Kabinett zu holen. Auch wenn es dazu einen Dissens gebe, „ändert das aber nichts daran, dass die Verordnung gilt“, sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter.

Die Zulassung der Lang-Lkws für den Regelbetrieb sei innerhalb der Bundesregierung nicht abgestimmt und eine schwerwiegende umwelt- und verkehrspolitische Fehlentscheidung, hatte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth gegenüber der Deutschen Presse-Agentur kritisiert. „Die Auswirkungen des Lang-Lkw, seine Umweltbelastungen wie auch die Auswirkungen auf den Schienenverkehr sind noch nicht ausreichend untersucht.“

In Deutschland dürfen Lang-Lkws seit Jahresbeginn regulär auf bestimmten Straßen fahren. Das Straßennetz, auf dem die Riesenlaster unterwegs sind, ist derzeit fast 11.600 Kilometer lang. Die Laster können bis zu 25,25 Meter lang sein, das sind 6,5 Meter mehr als die bisher. Sie dürfen aber nicht schwerer sein, das Maximalgewicht beträgt also 44 Tonnen. Für drei von fünf Typen – es geht um Laster mit verschiedenen Anhängervarianten – sind die bislang geltenden Befristungen aufgehoben. Bei einem anderen Typ mit Anhängervariante wird die Versuchsphase um ein Jahr verlängert, bei einem weiteren mit einem verlängerten Sattelauflieger, der in engen Kurven Probleme bekommen dürfte, soll sie um sieben Jahre ausgedehnt werden.

„Die Lang-Lkws sind fünf Jahre im Feldversuch getestet worden – mit positivem Befund“, begründete Dobrindt seine Entscheidung. Der Gigaliner sei praxistauglich, sicher, spare Sprit und führe weder zu Verlagerung von Verkehren auf die Straße noch zu einer stärkeren Belastung der Infrastruktur. „Das ist gut für die Umwelt und gut für den Logistikstandort Deutschland.“

Die Liste der Kritiker ist lang

„Die Verlängerung des Probebetriebes um einen so langen Zeitraum wird dazu führen, dass in den nächsten Jahren 80.000 dieser Fahrzeuge auf deutschen Straßen eingesetzt werden“, kritisierte Flasbarth. Das Ziel der Bundesregierung, mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, werde konterkariert. „Die Verkehrspolitik versagt seit Jahrzehnten im Klimaschutz.“

Umweltschutz im Verkehr interessiert Dobrindt nicht

Wasilis von Rauch, VCD-Chef

Die Bahnlobbyorganisation Allianz pro Schiene kündigte an, als klageberechtigter Umweltverband rechtliche Schritte gegen die Zulassung zu prüfen. Geschäftsführer Dirk Flege sagte: „Gigaliner sind schlecht für den Klimaschutz, teuer für den Steuerzahler und gefährlich für alle Verkehrsteilnehmer.“

Wasilis von Rauch, Chef des ökologischen Verkehrsclubs VCD, kritisierte: „Die Regelzulassung von Lang-Lkws ist ein weiteres Beispiel für die desaströsen Alleingänge Dobrindts.“ Umweltschutz im Verkehr interessiere ihn einfach nicht. „Stattdessen macht er Politik allein für Konzerne und Spediteure.“

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14 Kommentare

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  • Für wie dumm will Dobrindt alle noch verkaufen? Wer den Strassenverkehr konkurrenzfähiger gestaltet zieht natürlich Transportvolumen von der Bahn weg. Oder ist er selbst so dumm?

    Und natürlich ist das nicht umweltverträglicher und nicht sparsamer als Bahn.

    Hier im Inntal kommt demnächst der Brenner-Basis-Zulauf, den kann man dann auch entlasten = schlechter rechnen - oder passen die Gigaliner da drauf?

    • @Mitch Miller:

      Ach der Supermarkt, der ihr Biogemüse aus der Umgebung führt, hat einen Bahnhof?

      • @Thomas_Ba_Wü:

        Gleich neben der Gigaliner-gerechten Zufahrt liegt der Gleisanschluß.

  • "Meinung + Diskussion SEITE 12"

     

    ... steht unter dem Text. Okay, und wie finde ich das? Bei nebenstehendem "Kommentar Gigaliner" jedenfalls nicht - der ist von 2012.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Hyperlink#World_Wide_Web

    • Moderation , Moderator
      @Mika:

      Danke für den Hinweis. Wir haben die Info entfernt, das gehört zur Printausgabe. Viele Grüße, die Moderation

  • Mit 25 Meter Länge und max. 44 Tonnen wirklich eine echte Konkurrenz zum Güterzug der Bahn. Der kann bis 500 Meter und mehr lang sein und mehrere 1000 Tonnen auf einmal transportieren.

  • Ach herrje. Noch größere Dickschiffe auf den Landstraßen, in den Ortschaften, auf Fähren.

    Die kommen doch jetzt schon kaum um die Ecken. Sehe ich jeden Tag mehrfach, vor allem auf engen, kurvigen Straßen: Wenn ein Riesenlaster um die Ecke fährt, muss der Gegenverkehr stehenbleiben.

    Was natürlich zu Stoßzeiten schöne Staus hervorruft, von der Unfallgefahr ganz abgesehen. Und die Anwohner haben auch nix zu lachen.

    Es macht ganz den Eindruck, als ob die LKWs die mautpflichtigen Fernstraßen meiden und sich durch enge Sträßchen quälen, um Maut zu sparen.

     

    Wenn schon Gigaliner, dann sollte man auch mal darüber nachdenken, große Lastwagen generell auf Autobahnen und Schnellstraßen zu verbannen.

    • @Läufer:

      Und wie guter Mann kommen Waren dann bitte in Supermärkte.

       

      Stehen da irgendwo automobilkritische Aktivisten und fahren mit dem Fahrrad die Wasserkisten zum Getränkehandel?

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Thomas_Ba_Wü:

        Ganz einfach:

        Gigaliner fahren Logistikzentren an, alles weitere besorgen kleinere Transportmittel.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...zahlen diese sog. 'Gigaliner' dann auch mehr LKW-Maut?!

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "Bei einem anderen Typ mit Anhängervariante wird die Versuchsphase um ein Jahr verlängert, bei einem weiteren mit einem verlängerten Sattelauflieger, der in engen Kurven Probleme bekommen dürfte, soll sie um sieben Jahre ausgedehnt werden."

     

    Die Ausdehnung um sieben Jahre bewirkt sozusagen, dass die engen Kurven nicht mehr so eng sind oder ein Dobrindt-Nachfolger (CSU) sie für weit genug erklärt.

    Finde ich einfallsreich, vor allem die "sieben Jahre"...

    • @571 (Profil gelöscht):

      Oder man weiß, ob es reicht, Streckengenehmigungen für diesen LKW-Typ gesondert zu erteilen.

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Bodo Eggert:

        Mein Verdacht: Mancher Kreisverkehr an den Gigaliner-Strecken könnte Probleme bereiten. Folge: Umbau

        • @571 (Profil gelöscht):

          Natürlich, wenn man speziell die problematischen LKW braucht, kann der Umbau sinnvoll sein. Zwingend ist er nach den Berichten nicht, stattdessen kann die Genehmigung der Strecke (bei allen Typen) versagt werden.